Don Draper – ein wahrer Mad Man

Matthew Weiner mag eine umstrittene Persönlichkeit in der TV-Branche sein. Aber ob egozentrischer Phantast oder visionäres Genie, es gehört einiges dazu, dem kuschelverwöhnten Fernsehamerika eine Figur wie Tony Soprano ins Wohnzimmer zu bringen. Was Weiner mit Tony Soprano machte, holten andere mit einem korrupten Vic Mackey oder dem drogenabhängigen Gregory House nach. Die televisionäre Landschaft hat schon früher immer wieder starke Figuren hervorgebracht, aber kaum derart gespaltene Persönlichkeiten. Man denke nur an Serienmörder Dexter Morgan. Und mit dem übel fluchenden Al Swearangen hat ein Nebencharakter die Hauptfigur vollkommen gegen die Wand geschossen.

Nach Tony Soprano wollte Matthew Weiner mit Don Draper eine neue Kreation an Männlichkeit in den Quotenring werfen. Aber ein Mann wie Don Draper lässt sich nicht erfinden.

Wer ist dieser undurchschaubare Don Draper? Als Kreativdirektor bei der Werbeagentur Sterling Cooper scheint er das perfekte Klischee zu sein. Gut aussehend, toller Anzug, das Haar perfekt. In einer anderen Zeit als den Sechzigern kann Don Draper nicht existieren. Wo Männlichkeit noch eine Tugend war und Weiblichkeit eine Qual für ins Lebenskorsett gepresste Frauen. Einer der typischen Vertreter der Madison Avenue, New Yorks Viertel der Werbewelt, die nicht umsonst Mad Men genannt werden. Möchte man meinen. Aber wer würde eine sehr gewinnbringende Klientin mit den Worten abblitzen lassen, „ich lasse eine Frau nicht so mit mir sprechen“?

Don Draper ist liebender Ehemann und fürsorglicher Vater. Und keine Affäre Drapers kann diese Liebe und die Fürsorge erschüttern. Es ist seine Welt, die in symbiotischer Wechselwirkung mit seiner Arbeit steht, über die er sich wiederum definiert. Seine Arbeit bedeutet Vorspiegelung falscher Tatsachen. Seine Ideen zieht er allerdings aus seiner augenblicklichen privaten Situation. Die Vorspiegelung falscher Tatsachen aus der Werbewelt ist bei Don Draper stets Realität. Damit kann ihn keiner seiner untergebenen Werbetexter jemals einholen. Wenn er sagt, dass Angst seine Phantasie stimuliert, dann weiß man, dass er unerreicht bleiben wird.

Don Draper ist verletzlich und getrieben, aber das weiß sein soziales Umfeld nicht. Und wenn, will es keiner wahrhaben. In den letzten vier Jahren änderten sich weder sein Stil noch seine Büroeinrichtung. Bei einem Zusammentreffen spricht Draper kaum zuerst und lässt bei Antworten durchaus einmal was im Raum stehen. Er beherrscht es perfekt, für ihn unangenehme Fragen so zu beantworten, dass keine Nachfrage möglich ist. Das macht ihn unnahbar, also sehr interessant für Frauen, und zu einem verdammt zähen Kerl für Männer.

Ein Frauenarzt zündet sich während der Untersuchung eine Zigarette an, die Kinder setzt man zur Beruhigung vor den Fernseher, und über Billy Wilders APPARTMENT wundert man sich, dass die Fahrstuhlführerin nicht nur eine Frau, sondern auch noch eine Weiße ist. In dieser Welt ist Don Draper verwachsen, wo Begriffe wie Egoismus Bedeutung haben, aber ohne Belang sind. Es ist eher Pragmatismus, der Draper in Arbeit und Ehe antreibt, in der persönlichen Entwicklung aber stillstehen lässt. Bei seinen Affären kann er lachen, aus sich heraus. Keine Zugeständnisse, keine Kompromisse. Sonst lacht Draper nie, und wenn, dann lächelt er, und das sehr hintergründig. Sich fallen lassen würde  Kontrollverlust bedeuten, und niemals möchte er die Kontrolle über das verlieren, was ihm am meisten bedeutet.

Was für Don Draper Selbstschutz bedeutet, wird von anderen als Kaltschnäuzigkeit gedeutet. Eine Respekt einfordernde Kollegin raunzt er an, dass sie dann rausgehen solle und sich selbst darum kümmern müsse. Er hat sich und sein Leben selbst erfunden, deswegen kann er nicht begreifen, dass andere nicht ebenso an ihrer Unabhängigkeit arbeiten. Wo andere in ihm einen Egoisten sehen, versteht er sich als Ansporn: „Das ist dein Job. Ich gebe dir Geld, und du bringst mir Ideen.“ – „Aber du dankst es mir nie.“ – „Dafür ist das Geld da.“

Er hat kein Problem damit, Leute zu entlassen, weil er grundsätzlich fair ist. Er stößt Menschen durchaus vor den Kopf, weil es seine Ehrlichkeit gebietet. Er ist Diplomat in Reinkultur, weil sein Verstand scharf ist. Und er macht niemals den Eindruck, als ob er sich anstrengen müsste. Dafür wird er gefürchtet, geliebt und verehrt. Gehasst wird Don Draper selten, weil jeder in ihm den Mann sieht, der die Welt wirklich durch und durch begriffen hat. Das hat er natürlich auch, weil er sie ja selbst erschaffen hat. Das war seiner Umwelt allerdings nicht bewusst, als sie ihm begegnete. Wenn er die Leute von Kodak von einem anderen Namen für ihren neuen Dia-Projektor überzeugt, der eigentlich Das Rad heißen sollte, lernt man Don Drapers Gefühlswelt wirklich kennen. Doch der Blick auf ihn ist so verklärt, dass man es nicht wahrnimmt. Don benutzt für die Präsentation Dias seiner eigenen Familie. „Es geht vor und zurück. Es bringt uns an Orte, wo es uns immer wieder hinzieht. Es heißt nicht Das Rad, man nennt es Karussell. Es lässt uns reisen, wie Kinder reisen – immer rundherum. Und wieder nach Hause, an einen Ort, von dem wir wissen, dass wir dort geliebt werden“.

Charaktere wie Don Draper kann man nicht erfinden. Er ist weder korrupt noch flucht er. Er ist kein Serienmörder, und zu seiner Zeit ist er nicht drogenabhängig. Er ist einfach nur der coolste Schweinehund von allen.

Bildquellen: AMC
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