GOD BLESS AMERICA

Frank hat Migräne und eine geschiedene Frau. Seine Tochter hasst ihn, und die Nachbarn nerven mit ihrer haltlosen Ignoranz. Ach, und dann wird bei Frank auch noch ein inoperabler Hirntumor diagnostiziert. Das hebt nicht seine Stimmung, aber seinen Scharfsinn. Frank ist krankt und entdeckt sich dabei als exemplarisches Sinnbild einer kranken Nation. Eine noch minderjährige Dame namens Chloe, die sich in einer Reality-TV-Show als extrem undankbares Miststück erweist, soll ebenso als ein exemplarisches Sinnbild für jene dienen, von denen man die kranke Nation für eine Genesung befreien sollte. Bevor Frank sich selbst sein miserables Leben nehmen will, befreit er die Welt von einem Ballast wie Chloe in einem unüberlegten, aber am Ende aber wirkungsvollen Mord. Leider wird Frank dabei von der sechzehnjährigen Roxy beobachtet. Und von allen psychopathischen Gestalten im Kino der jüngsten Zeit ist sie die schlimmste.

Regisseur und Autor Bobcat Goldthwait ist ein schreiender Appell gelungen, der verdeutlicht, was in Amerika eigentlich nicht stimmt. Aber mit der Zeit trägt sich dieser Appell immer dünner. Seine Charaktere entwickeln sich genau zu den Figuren, die eigentlich symbolisieren sollen, was mit der Nation nicht stimmt. Das Duo vom desillusionierten Mann mittleren Alters und dem psychopathisch lasziven Teenager mordet sich zum Vergnügen des Zuschauers mit unverwüstlicher Selbstsicherheit durch die Neurosen einer modernen Zivilisation. Der Ignorant, der am Einkaufszentrum zwei Parkplätze belegt, oder am Ende die Jury des „American Idols“-Originals von DSDS, welches  als „American Superstarz“ persifliert wird. Ihre Tage sind gezählt, weil Frank immer eine Kugel mehr im Magazin hat.

GOD BLESS AMERICA hat keinen deutschen Verleiher und bisher auch keinen Termin für eine DVD-/Blu-ray-Veröffentlichung. Das muss nicht unbedingt mit der Qualität des Films zu tun haben, sondern wahrscheinlicher mit der Thematik. Dies ist ein durch und durch amerikanischer Film, der in ganz böser, aber ehrlicher Form durch und durch amerikanische Probleme anspricht. Für den Durchschnittseuropäer wird GOD BLESS AMERICA lediglich nur eine Bestätigung von halbwahren Klischees sein. Dass er eigentlich eine bitterböse Satire sein will, übersieht man dabei leicht. Das liegt daran, dass die Taten von Frank und Roxy auch sehr schnell die niederen Instinkte beim Zuschauer ansprechen und einen weiterreichenden Blick einschränken.

Joel Murray ist für den lakonischen Frank die Ideal-Besetzung, während Tara Lynne Barr als Roxy sehr schnell zu nerven beginnt. Selbst wenn man ihren Charakter vom satirisch überzogenen Standpunkt betrachten muss, hätte Regisseur Goldthwait sie etwas zurücknehmen können. Dafür ist GOD BLESS AMERICA hervorragend fotografiert. Klar strukturierte Bilder, höchst selten von der Schulter gedreht. Dem Zuschauer wird Zeit gegeben zu beobachten. Der Schnitt tut ein Übriges, dass man sich gerade bei Franks grandiosen Monologen wirklich einem Gesprächspartner gegenüber sieht. Gerade wie Goldthwait mit Dialogen und Monologen seine Sicht auf seine Heimat schildert, ist wesentlich eindringlicher als es Frank und Roxy mit ihren Handfeuerwaffen verdeutlichen könnten.

Doch als Film wird GOD BLESS AMERICA dann trotzdem sehr schnell mager. Seine Thesen sind schnell erörtert, die Aussagen erschöpfen sich in Wiederholungen, und wenn die beiden Hauptfiguren sich für ihren Weg entschieden haben, werden die letzten 45 Minuten absehbar. Das Ende ist schließlich alles andere als überraschend. Ein Blick lohnt allerdings allemal, wenn man es vermeiden kann, in die Falle des überheblichen Europäers zu tappen. Denn die satirische Zustandsbeschreibung eines kranken Amerikas ist gar nicht so weit weg von den realen Problemen im eigenen Land. Man muss Frank nur einmal richtig zuhören.


Darsteller: Joel Murray, Tara Lynne Barr, Melinda Page Hamilton, Mackenzie Brooke Smith, Rich McDonald, Maddie Hasson, Larry Miller, Travis Wester u.a.
Regie & Drehbuch: Bobcat Goldthwait
Kamera: Bradley Stonesifer
Bildschnitt: Jason Stewart, David Hopper
Musik: Matt Kollar
USA / 2011
zirka 107 Minuten

Bildquelle: Magnolia Pictures
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