PROMETHEUS – Teil 2: Eine metaphysische Betrachtung

Als seinerzeit die Agenturmeldung kam, Ridley Scott sei gerade in Island, um für PROMETHEUS den „Anbeginn der Zeit“ zu filmen, hätte jedem klar sein müssen, dass dies nicht Science-Fiction für den Mainstream werden würde. PROMETHEUS geht tiefer und weiter. Aber geht er tief genug und weiter als andere Filme? In einer langen Tradition von gesellschaftlich relevanten Utopien und kritischen Zukunftsvisionen bewegt sich Ridley Scotts Ansicht vom Ursprung der Menschheit im genau richtigen Umfeld. In jüngster Zeit waren es die menschlichen Belastbarkeiten in Duncan Jones‘ MOON und die Kollektivneurosen aus Danny Boyles SUNSHINE, welche den Zuschauer herausforderten und überweltliche Zukunftsvisionen in menschliche Psychogramme von unergründbarer Tiefe wandelten. PROMETHEUS nimmt sich eines Themas an, das komplexer und gewagter nicht sein könnte. Woher kommt der Mensch, und wohin führt sein Weg?

Dr. Elizabeth Shaw und Charlie Holloway (Rapace & Marshall-Green) entdecken den Ursprung des Lebens auf Erden und dessen Quelle in den Tiefen des Weltraums. Doch die im Film als „Ingenieure“ betitelten Schöpfer der Menschheit entpuppen sich nicht als die Inkarnation einer weltlichen Vorstellung von erhabenen Wesen. Sind die Ingenieure überhaupt das Äquivalent dessen, was man als Gott akzeptieren könnte? Das Dreigespann von Scott, Spaihts und Lindelof wirft diese Fragen auf, ohne sie letztendlich beantworten zu wollen. Sie gehen dabei sogar den eigentlich logischen Weg, im Verlauf des Filmes Antworten zu umgehen und immer wieder neue Fragen aufzuwerfen. Am Anfang steht eine Expedition, die zu Gott führen soll. Am Ende steht die Frage, ob die weltumspannenden Visionen von Glauben und Religion nicht in Frage gestellt werden müssen.

Scott, Fassbender, ein bisschen Technik, und das Script-Girl, das stets unbekannte Wesen.

Sind wir bewusst erschaffen oder ein fehlgeschlagenes Experiment?  Ist am Ende die Menschheit doch nur das Resultat eines Unfalls? In den ersten zehn Minuten von PROMETHEUS erlebt der Zuschauer die eindrucksvollsten Bilder eines aktuellen Kinofilms, zugleich erlebt er die am wenigsten greifbaren Szenen im Mainstream-Kino. Eine konkrete Aussage über die ersten Szenen von PROMETHEUS wird dem Zuschauer verweigert. Daraus resultierend werden aufkommenden Fragen mehrdeutige Antworten gegenübergestellt. Das Horrorszenario, das man zweifellos von diesem Film erwartet hat, entwickelt sich aus der Machtlosigkeit gegenüber diesem unbegreiflichen Umfeld. Die Mannschaft des Forschungsschiffes Prometheus landet in einer Welt, welche sie erfassen und mit ihrem menschlichen Verständnis in einen für sie logischen Kontext setzen möchte. Aber diese Welt und die Ergründung um die Geschehnisse auf dem Planeten unterliegen keiner menschlichen Ordnung oder einem konstruierten Weltbild.

Da PROMETHEUS‘ Inszenierung esoterische Entwürfe mit dem herkömmlichen Spannungskino gleichstellt, wird er an dieser Stelle am verwundbarsten. Die Action-Szenen sind geradlinig und trotz einiger Logik-Löcher sehr gut umgesetzt. Der Einsatz und die Gestaltung von Effekten sind beeindruckend und ohne Überzeichnung. Hier überzeugt der Film in seinem Setting und in seinen Intentionen. Sich dann aber im Kern mit der Schöpfung auseinanderzusetzen, das erfordert sehr viel Mut. Für einen Großteil des Publikums hingegen ist dies allerdings eine misslungene Grundlage, gerade weil mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet werden. Und die negativen Einwände mögen in gewisser Weise ihre Rechtfertigung haben. Doch man muss dagegenhalten, dass es für einen Film kaum möglich ist, ein erklärbares Bild zu entwerfen, in dem die Endgültigkeit eines oder keines Gottes manifestiert ist. Welcher Zuschauer würde das wirklich wollen, und liefen die Macher nicht Gefahr, sich unfreiwillig der Lächerlichkeit auszusetzen?

PROMETHEUS stellt sich einer Kontroverse, die eine gesunde Diskussion angestoßen hat, inwieweit Mainstream-Kino die Grenzen aufbrechen kann und muss. Dem Film selbst hat dies aber geschadet. Schon allein der Tatsache schuldend, dass das Publikum trotz aller Beteuerungen einen anderen Film erwartet hat. Aber auch grundsätzlich ist der Zuschauer selten bereit, offene Fragen zu akzeptieren, was man ebenso akzeptieren muss. Persönliche Empfindungen machen jedoch aus PROMETHEUS keinen Film, der sein Ziel verfehlt hat. PROMETHEUS geht einfach seinen Weg. Seine Friss-oder-stirb-Attitüde ist notwendig, um sich selbst treubleiben zu können. Oder besser auf die zwei Fortsetzungen hinarbeiten zu können. Der ganz große Wurf ist Ridley Scott nicht gelungen, aber dafür technisch anspruchsvollstes Kino, das zumindest zum Nachdenken anregt.

Es gibt diese verwirrende Szene, in der ein „Ingenieur“ zuerst erfreut scheint, seiner Schöpfung gegenüber zu stehen. Doch nur die von Menschen erschaffene künstliche Intelligenz versteht es, Zugang zu dem Ingenieur zu finden. Es sind Szenen wie diese, die PROMETHEUS zu etwas Besonderem machen und in denen man viel entdecken kann. Es ist nicht jedermanns Geschmack, aber wäre es verkehrt, sich einmal darauf einzulassen?

Zum ersten Teil – Die positive Betrachtung


Darsteller: Noomi Rapace, Michael Fassbender, Idris Elba, Logan Marshall-Green, Charlize Theron, Guy Pearce u.a.
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: John Spaihts, Damon Lindelof, nach Motiven von Dan O‘Bannon
Kamera: Dariusz Wolski
Bildschnitt: Pietro Scalia
Musik: Marc Streitenfeld
Produktionsdesign: Arthur Max
zirka 123 Minuten

Bildquelle:  Twentieth Century Fox
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