THE COUNSELOR – Thriller ohne Thrill

THE COUNSELOR – Bundesstart 28.11.2013

Counselor-1, Copyright 20th Century Fox of Germany

Versprechen und Verrat. Moral und Scheinheiligkeit. Leben und sterben lassen. Wenn Regisseur Ridley Scott einen Thriller dreht, dann ist da im Grunde alles drin, was die dunkle Seite der menschlichen Seele offenbart. Autor Cormac McCarthy hat einen Blick auf die finstere Seele eines Landes gewagt, als er NO COUNTRY FOR OLD MAN geschrieben hatte. Ridley Scott lässt auch keine Gelegenheit aus, mit expliziten Schocksequenzen sein Publikum zu verstören, und genau da hat er in Cormac McCarthy genau den richtigen gefunden. Zumindest hört sich das alles gut an. Was der Zuschauer erwartet, ist dieser kleine schmutzige Gangsterfilm, wo jeder jeden betrügt, und alles möglich ist. Ein Thriller wie in Ridleys Bruder Tony Scott gemacht hätte, wie zum Beispiel bei MAN OF FIRE. Sogar die Optik von THE COUNSELOR, hat Kameramann Dariusz Wolski an den markanten Look von Tony Scotts Filmen angelehnt. Es ist also alles drin. Und kaum etwas davon geht auf.

Ein Rechtsanwalt, einfach nur Counselor genannt, kümmert sich unter anderem um die Belange des Barbesitzers und Drogenhändlers Reiner. Aus welchen Gründen auch immer, möchte der Counselor ins dicke Geschäft mit einsteigen. Obwohl er von Leuten, die bestens im Drogengeschäft etabliert sind, eindringlich gewarnt wird, wie brutal und gnadenlos die Branche sein kann. Unbeirrt, beteiligt sich der Counselor an einer anstehenden Fuhre im Wert von 20 Millionen Dollar, die von Mexico nach Chicago geht. Und prompt kommt der umgerüstete LKW abhanden. Je intensiver das Kartell versucht, ihre Ware ausfindig zu machen, desto mehr Hinweise tun sich auf, die den Counselor als Drahtzieher der Aktion entlarven. Natürlich vollkommen unschuldig, versucht der naive Anwalt, seinen Kopf aus der Schlinge zu bekommen, die sich dabei nur fester zieht.

THE COUNSELOR ist ein Panoptikum an interessanten Charakteren, die aber allesamt keinen passenden Schauspieler gefunden haben. Cameron Diaz möchte unentwegt böse sein, und macht dabei nur einen verkniffenen Eindruck. Michael Fassbender hat selten uninteressanter agiert, sein Counselor wirkt stets entrückt, als würde er nichtverstehen, was er wirklich tut. Aber am meisten bringt Javier Bardem das Publikum aus dem Konzept, der schon in McCarthys Verfilmung von NO COUNTRY FOR OLD MEN eine der verstörendsten Frisuren trug, und hier scheinbar noch einmal etwas draufsetzen sollte. Bardems Reiner ist auch die Figur, die am stärksten vom Klischee befallen ist, wenn er den jovial überdrehten Gangsterboss gibt. Es ist schwer zu sagen, ob die Darsteller nicht zu ihren Rollen fanden, oder Ridley Scott die Führung entglitten ist. Dazu kommt, dass das Drehbuch ihnen keine bemerkenswerten Hintergründe zugesteht, und im Spiel die Figuren keine Tiefe bekommen.

Und wenn Ridley Scott einen Thriller dreht, dann erwartet man, das er zupackt und nicht loslässt. Doch alles was er mit COUNSELOR bietet, sind endlose Dialogpassagen, die nur kurz von vier Actionszenen unterbrochen werden. Diese Dialoge sind immer wieder philosophische Auseinandersetzungen um Moral und Lebenswandel, Geld verdienen und Leben verlieren. Es sind keine ungeschickten Dialoge, die Cormac McCarthy verfasst hat, aber sie sind kein Teil eines großen Ganzen. Es sind gute Dialoge, machen aber weder die Handlung tiefgründiger, oder gar spannender. Sofern man von Handlung reden kann, die immer ein Stück vorhersehbar ist, und zu keinem Zeitpunkt überraschende Haken schlägt. Es wird an keiner Stelle klar, warum der Counselor ausgerechnet ins Drogengeschäft einsteigen will, wo er doch bereits ein sehr gutes und finanziell abgesichertes Leben führt. Warum überhaupt dieser ganze Plot, mit dem Counselor einem Unschuldigen das Leben zu ruinieren. Immer wenn man beginnt nach Sinn und Beweggründen zu fragen, schallt ein schulterzuckendes „weil es so ist“ von der Leinwand. McCarthy hat keine gute Geschichte geschrieben, sie müsste schnörkelloser und fieser sein, oder ein hochkomplexes Gebilde von der Verknüpfung von Gangstertum und menschlicher Psyche. Aber McCarthy schrieb irgendwo dazwischen, und seine teilweise intelligenten Dialoge wirken in diesem Umfeld dann schon wieder beliebig.

Dariusz Wolski taucht seine Bilder entweder in trübes Blau, die hauptsächlich Fassbenders Szenen betreffen, oder in grelle Gelbtöne für Reiner und seine Konsorten. Kommen beide zusammen, wechselt das Bild zu normaler Farbgebung. Das ist nicht sehr subtil, und originell auch nicht. Aber es ist ganz klar eine Reminiszenz an Tony Scott, der eine viel direktere und wesentlich stimmigere Atmosphäre mit seiner Bildsprache schuf. THE COUNSELOR ist ein Film von Ridley Scott, der auch ganz effektive, spannungsreiche Thriller gemacht hat. Diese offensichtliche Anleihe an seinen Bruder, gehört nicht dazu.

Counselor-2, Copyright 20th Century Fox

Darsteller: Michael Fassbender, Javier Bardem, Cameron Diaz, Brad Pitt, Penelope Cruz, Bruno Ganz, Ruben Blades, Rosie Perez, John Leguizamo, Dean Norris, Goran Visnjic u.a.
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Cormac McCarthy
Kamera: Dariusz Wolski
Bildschnitt: Pietro Scalia
Musik: Daniel Pemberton
Produktionsdesign: Arthur Max
USA / 2013
zirka 113 Minuten

Bildrechte: 20th Century Fox
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar