FANTASY FILMFEST 2014: Oculus gespoilert

OCULUS – Ab 20. Oktober in Großbritannien auf BluRay / DVD

Oculus-1, Copyright Square One Entertainment / 20th Century Fox Home EntertainmentFF14-Posterklein, Copyright Rosebud EntertainmentMike Flanagan hat 2006 einen 35 minütigen Kurzfilm gemacht, der noch unter den üblichen Krankheiten einer selbst finanzierten Produktion leiden musste. Der Ton war nicht sauber, und die Ausstattung verdeutlichte den Amateur-Status. Aber Flanagan nannte sein Werk, gewiss als ironische Anspielung auf den Hollywood-Apparat, OCULUS: CHAPTER 3 – THE MAN WITH A PLAN. Im metaphysischen Überbau, könnte man jetzt durchaus behaupten, dass jenes dritte Kapitel tatsächlich als solchen seinen Platz im Universum des bösen Spiegels haben wird. Aber der Reihe nach. Die junge Familie Russell zieht in ein wunderbares Haus, und alles drum herum  ist ebenso wunderbar. Bis Vater sich einen besonderen Spiegel ins Arbeitszimmer hängt. Sprung zwölf Jahre nach vorn, wo der ehemals kleine Tim aus einer Nervenheilanstalt entlassen wird. Ohne Rücksicht, nimmt ihn seine Schwester Kaylie sofort in Beschlag, die als Auktionshändlerin den ominösen Spiegel ihres Vaters ausfindig und erwerben konnte. Kaylie will zusammen mit ihrem Bruder den Spiegel zerstören. Unablässig springt der Film von einer der zwei Zeitebene in die andere. In der Vergangenheit wird erklärt, was der Spiegel angerichtet hat. Parallel erzählt die Gegenwart, was gegen das Böse, welches der Familie widerfahren ist, getan werden muss.

Mike Flanagan hat aus seinem Kurzfilm, in Zusammenarbeit mit Jeff Howard, einen sehr vielschichtigen Film entwickelt. Anfänglich laufen die beiden Zeitebenen parallel, wird hier erklärt, was dort unverständlich gewesen sein könnte. Das baut unheimlich gute Spannungsmomente auf. Doch je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr glaubt man, dass sich diese Zeitebenen nicht abwechseln, sondern überschneiden. Hat am Ende das Geschehen in der Gegenwart sogar Einfluss auf die Vergangenheit, oder verschmelzen die Zeiten doch zu einer Linie? Die Struktur des Drehbuches ist raffiniert, und die Geschichte sehr feinsinnig in sich selbst verwoben. Tim hat die Tage aus seiner Kindheit verdrängt, als seine Familie Opfer dieses Spiegels wurde, der als Tor zu einer wirklich düsteren Welt fungiert. Damals dezimierte dieses Böse die Familie Russell, heute muss Kaylie ihren Bruder mit harten Mitteln der Konfrontation diese unliebsamen Ereignisse wieder in Erinnerung rufen. Doch der Spiegel ruht nicht, und nutzt unentwegt seine suggestiven Kräfte. Damals wie heute, können Kaylie und Tim kaum zwischen Wahnvorstellungen und Wahrheit unterscheiden.

Ob OCULUS tatsächlich stimmig und in sich geschlossen ist, lässt sich wirklich schlecht sagen, und könnten eventuell nur erneute Besuche schlüssig machen. Aber ob es darauf ankommt ist eigentlich nebensächlich. Denn von seiner Atmosphäre her, funktioniert der Film ganz hervorragend. Wie die Geschichte sich in der Vergangenheit und Gegenwart auflöst, zeigt zwei fast identische Handlungsabläufe, die immer wieder gegeneinander geschnitten sind. Nicht nur, dass dies sehr spannend ist, es verfügt über eine ungemein fesselende Faszination. Noch dazu mit diesen Darstellern, die als das eigentliche Plus des Films gewertet werden müssen. Karen Gillan mit ihrer jüngeren Version Annalise Basso, sowie Brenton Thwaites mit seinem jungen Pendant Garrett Ryan, sind allesamt einfach überzeugende Charakter-Darsteller. Und das in einem Horrorfilm.

Aus seinem Kurzfilm hat Flanagan lediglich die zeitliche Geschichte des Spiegels und seiner früheren Besitzer vollständig übernommen. Auch die Namen von Tim und der Familie Russell blieben erhalten. Deswegen ist nicht anzunehmen, dass man versuchen wird, CHAPTER 3 in einen höheren Kontext zu setzen. Sondern man sollte sich einfach eingestehen, dass CHAPTER 3 eine gute Idee hatte, die mit OCULUS ihre vollen Möglichkeiten ausspielen konnte. Leider hat im Verlauf der Handlung der Filmautor doch auf die Standards vertraut, die so manches Horrorstück langweilig werden lassen. Und das sind auch in diesem Fall die Toneffekte. Anfangs bezieht OCULUS seine besten Schockmomente aus nicht mit kreischenden Toneffekten unterstützten Bildern. Im weiteren Verlauf relativiert sich das, und auch OCULUS bemüht sich plötzlich erscheinende Schreckensbilder mit schreienden Tönen zu verstärken, als ob man den Bildern allein nicht vertrauen könnte. Und wie es der Anfang beweist, hätte man für ein intensiveres Erlebnis, auf diese unliebsamen Verstärkungen verzichten können.

OCULUS ist ein bemerkenswerter Horrorfilm, der mit sehr frischen, weil neuen Ideen überzeugt. Wie sich beide, parallel laufenden Geschichten auflösen, das ist einfach zu spannend und aufregend inszeniert, als das man davon nicht gefesselt sein könnte. Sollte allerdings jemand durch zu heftiges und lästiges Hinterfragen die ganze Prämisse in Frage stellen können, dann sollte dieser einfach schweigen und sich zum Arthouse verkrümeln. Es gibt so wenig wirklich gelungen Horrorfilme dieser Tage, dass dieser einfach einer davon sein sollte.

Oculus-1, Copyright Square One Entertainment / 20th Century Fox Home Entertainment

Darsteller: Karen Gillan, Brenton Thwaites, Katee Sackhoff, Rory Cochrane, Annalise Basso, Garrett Ryan u.a. u.v.a.
Regie: Mike Flanagan
Drehbuch: Mike Flanagan, Jeff Howard
Kamera: Michael Fimognari
Bildschnitt: Mike Flanagan
Musik: The Newton Brothers
Produktionsdesign: Russell Barnes
USA / 2013
104 Minuten

Bildrechte: Square One Entertainment / 20th Century Fox Home Entertainment
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