FREE BIRDS – Esst uns an einem anderen Tag

FREE BIRDS – Bundesstart 06.02.2014

Free-Birds-1, Copyright Senator Film / Relativity MediaIn TOY STORY war es dem Menschen zur Freude reichendes Spielzeug, welches sich in einer unwirklichen Welt zu behaupten versteht. Oder MONSTER INC., wo die alte Tradition des Kinder Erschreckens aufgebrochen wird, und als alternative Realität das Lachen der Kinder als neue Energiequelle gefunden wird. Die Truthähne Reggie und Jake haben eine ähnlich Welt verändernde Mission. Obwohl es Reggie so gut haben könnte. Alljährlich wird dem Präsidenten der Vereinigten Staaten ein Truthahn vorgesetzt, welcher vom Oberhaupt symbolisch begnadigt wird, um dann irgendwo ein Leben bis zum natürlichen Tode zu fristen. Dieses Mal hat es den Präsidenten auf eine Truthahn-Farm verschlagen, und vor laufenden Kameras entscheidet sich die Präsidententochter, gegen den Willen des Vaters, für Reggie. Über das Schicksal seiner Gattung bewusst, genießt Reggie nur umso mehr das sorglose Leben auf Camp David, lernt Soap-Operas kennen und Lieferpizza zu lieben. Doch dann taucht da unerwartet Jake auf, der von einer Zeitmaschine redet, und scheinbar nicht ganz sauber im Oberstübchen zu sein scheint.

Jimmy Hayward hat Regie bei HORTON HÖRT EIN HU und JONAH HEX geführt. Unterhaltsame Filme, die trotz ihrer teils grotesken Prämisse, nicht über ein vernünftiges Mittelmaß hinaus kamen. Als wolle er alte Traditionen pflegen, ist die Geschichte von FREE BIRDS durchaus vielversprechend verrückt, aber nach einem gepflegt witzigen Einstieg, verkocht die Handlung zu seichterer Kost. Sie kann immer wieder originelle Ideen aus dem Ofen ziehen, bleibt aber ohne richtige Würzung und nur mit gängiger Füllung. Jake will mit Reggie in die Vergangenheit reisen, um das erste amerikanische Erntedankfest zu verhindern, wo die Tradition des geschlachteten Truthahns seinen Anfang nahm. So weit, so traurig. Denn der Ausgang der Geschichte bietet dem Publikum, und vor allem seinem Zielpublikum Kinder nur zwei Varianten. Die Mission schlägt fehl, und im Film werden auch zukünftig Truthähne dem Fest zum Opfer fallen, oder Jake und Reggie können den Lauf der Geschichte ändern. Die süßen Truthähne wären im Film gerettet, in der Realität allerdings kommt die nächste Bratpfanne mit zwei Keulen und zwei Flügeln bald wieder auf den Tisch. Nicht so schön, muss man das seinen Kindern erst einmal verständlich machen, da wird losgelöste Unterhaltung schnell einmal zum Dilemma.

Technisch und optisch ist FREE BIRDS tadelloses Animationsvergnügen. Die Effekte-Schmiede Reel FX hat sich als Produktionsfirma eher mit Zweitverwertungen einen Namen gemacht, die Auskopplungen in Form von Kurzfilmen machten, wie zu ICH, EINFACH UNVERBESSERLICH, JAGDFIEBER, KUNG FU PANDA, oder ICE AGE. Der Einstieg ins große Gewerbe hätte mit FREE BIRDS gelingen können, wäre man bedachter mit der Thematik umgegangen. So schön einzelne Sequenzen mit Licht und Schatten spielen, atmosphärische Szenen gestaltet sind, und die Figuren bestes umgesetzt wurden, die Anleihen, bei denen sich der Film bedient, können das Zielpublikum durchaus auch ratlos zurücklassen. Schließlich geht es um Zeitreisen. Nicht nur, dass diese stets ein Paradoxon heraufbeschwören, sondern FREE BIRDS spielt exzessiv mit diesem Paradoxon. Für Nerds ein willkommenes Highlight, welche allerdings nicht wirklich zum Zielpublikum gerechnet werden. Unbescholtene Kinder und ihre begleitenden Eltern allerdings, die können mit ausladenden Querverweisen auf ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT und deren komplexe Struktur herzlich wenig anfangen.

Das sich die Grundidee auffallend an Marty McFlys und Doc Browns Abenteuer orientiert, sollte bei FREE BIRDS das geringste Problem sein. Es ist schließlich die originellste Pointe in einem Film, von dem man im ersten Augenschein annimmt, dass er von Grund auf etwas Neues bietet. Doch hinter jeder Idee steckt dann doch ein eingefahrenes Klischee. Sei es die Figur von Jenny, die selbstverständlich das hormonelle Interesse von Reggie weckt. Oder Myles Standish, der einen unmotivierten Hass gegen Truthähne hegt, nur damit diese einen gemeinen Gegner haben. Sicher gibt es einige gute Einfälle, die dann doch ein gewissen Level an Unterhaltung wahren. Die ‚Hahnenkämpfe‘ zwischen Jake und Chief Broadbeak, und wie sie immer wieder versuchen sich gegenseitig den Rang abzulaufen. Oder die Sache mit den Händen, sprich Flügeln, als Fernrohr. Doch am subtilsten und gelungensten ist, wenn die eigentlich sprechenden Truthähne sich verständlich machen wollen, und in den Zwischenschnitten aus der Sicht der Menschen dann nur das Vogel typische Geklucker zu hören ist.

Aber leider ist das nicht genug, was FREE BIRDS an Einfallsreichtum und eigenständiger Originalität, oder gut angedachten Zitaten zu zeigen hat. Von allem fehlt nochmal ein ordentlicher Nachschlag, und vor allem mehr Witz in seiner gesamten Spannbreite. Ohne Zweifel macht FREE BIRDS den hungrigen Zuschauer satt, aber für einen echten Feiertagsbraten, hätte er wirklich länger im Ofen bleiben müssen.

Free-Birds-2, Copyright Senator Film / Relativity Media

Stimmen:
Reggie: Owen Wilson / Rick Kavanian
Jake: Woody Harrelson / Christian Tramitz
Jenny: Amy Poehler / Nora Tschirner
S.T.E.V.E.: George Takai / Oliver Kalkofe
Amos: Carlos Alazraqui / Jorge Gonzalez
Dynamite Joe: Colm Meaney / Thomas Fritsch
u.a.

Regie: Jimmy Hayward
Drehbuch: Scott Mosier, Jimmy Hayward
Bildschnitt: Chris Cartagena
Musik: Dominic Lewis
Charakter-Design: Andy Bialk
USA / 2013
zirka 91 Minuten

Bildrechte: Senator Film / Relativity Media
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar