BORDER

Border 1, Copyright CAPELIGHT PICTURES GRÄNS – Bundesstart 11.04.2019

Tina ist Zoll-Beamtin an einem schwedischen Fährhafen. Nicht das Wetter, aber die Atmosphäre ist kühl. Stoisch blickt Tina auf die ankommenden Passagiere. Unvermittelt bewegen sich ihre Nasenflügel. Mit einem ruhigen „der da“, wird der Verdächtige von einem zweiten Beamten in einen Nebenraum geleitet. Wenn sich ihre Nasenflügel bewegen, wenn sie sagt „der da“, wird der Zoll immer fündig. Zuviel Schnaps, Drogen, sogar USB-Sticks mit Kinderpornografie kann Tina wittern. Die Überführten bedanken sich bei ihr mit unflätigen Bemerkungen. Denn Tina ist alles andere als hübsch, im Sinne unserer westlichen Idealvorstellung sogar hässlich. Ihre Augen liegen tief, das Gesicht aufgedunsen, die Haare unbezwingbar strähnig, die Haut unnatürlich porös, ihr Körperbau untersetzt und sehr stämmig. Ihre Kollegen stört es weniger, wichtig ist Tinas unerklärliches Talent.

Ali Abbasi hat schon mit seinem Erstling SHELLEY Publikum und Kritiker verstört. Nicht anders mit BORDER, der sogar etwas weiter geht. Der Wechsel zwischen Drama, Fantasy und Horror ist fließend. Mit Isabella Eklöf hat Abbasi das Drehbuch geschrieben, und sehr sorgsam darauf geachtet, dass der Zuschauer immer wieder Hinweise bekommt, welche zuerst gar nicht auf Dinge schließen lassen, die da kommen werden. Eines Tages tritt Vore in Tinas Leben, ein Mann, bei dem ihre Gabe versagt. Ihre Faszination kann sie nicht verleugnen, auch weil Vore die selben äußerlichen Merkmale aufweist.

Nadim Carlsen hat zwar mit einer RED gedreht und ein Seitenverhältnis von 2,35:1 gewählt, dennoch wirken die Bilder ausgewaschen, und haben fast etwas intimes. Nicht kraftlos, aber einheitlich und homogen hat BORDER oft den Look von 16mm Material. Das dies ganz im Sinne des Regisseurs sein muss, zeigt auch Olivia Neergaard-Holms und Anders Skovs schon elegischer Schnitt. Bild und Schnitt bilden eine einnehmende Harmonie. Ganz so, wie Abbasi seine Geschichte auch erzählen will. Tempo braucht der Film nicht, der Zuschauer wird an die Hand genommen und kann sich schlecht widersetzen. Bis nach und nach aufgekommene Fragen ganz behutsam gelöst werden.

Und Abbasi ändern auch nichts am Ton, dem Tempo, der Stimmung, wenn es richtig unangenehm wird. Denn was BORDER einem bereit hält, sind einige wirklich verstörende Szenen. Da bedarf es keinen Ekelfaktor, oder künstlich erweiterter Stimmung. Die Kamera hält das Bild, und die Cutter werden nicht wegschneiden. Es wird den Darstellern Eva Melander und Eero Milonoff nicht leicht gefallen sein, sich ihrem Regisseur derart anzuvertrauen, oder sich mit dem fertigen Film zu konfrontieren. Einfach ist BORDER nicht. Jetzt ist der skandinavische Film grundsätzlich nicht mit üblicher maßentauglicher Unterhaltung zu vergleichen. Eine gewisse Morbidität ist da immer zu erwarten.

Aber BORDER ist nicht einfach Fantasy, Drama, Krimi, oder Komödie, sondern mischt alles sehr geschickt zusammen. Daher auch das Selbstverständnis für sehr unangenehme Bilder und Szenen, die sich in der Inszenierung ganz natürlich einfügen. Für einige bestimmt peinlich berührend, für andere verschreckend. Aber insgesamt ein sehr stimmiger Film, der Dank seiner Kompromisslosigkeit funktioniert. Über die Definition von Unterhaltung kann man ja noch diskutieren.

Border 2, Copyright CAPELIGHT PICTURES

Darsteller: Eva Melander, Eero Milonoff, Jörgen Thorsson, Ann Petrén, Sten Ljunggren u.a.
Regie: Ali Abbasi
Drehbuch:  Ali Abbasi, Isabella Eklöf
Kamera: Nadim Carlsen
Bildschnitt: Olivia Neergaard-Holm, Anders Skov
Musik: Christoffer Berg, Martin Dirkov
Produktionsdesign: Frida Hoas
Schweden – Dänemark / 2018
110 Minuten

Bildrechte: CAPELIGHT PICTURES
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