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Ein Date zu dritt Three to Tango
Elizabeth - Das goldene Königreich Elizabeth - the golden age
Einmal Himmel und zurück Down to Earth
Ein Quantum Trost Quantum of Solace
Enigma  
Entführung von Pelham 123 Taking of Pelham 123
Erin Brockovich  
Evolution  
The Exorcist  
Der Exorzismus der Emily Rose The Exocism of Emily Rose
Das Experiment  

 

Abgeschminkt ; Allgemeines Archiv ; Kritikarchiv ; Globes & Oscars

 


Ein Date zu Dritt:

THREE TO TANGO

Darsteller: MATTHEW PERRY, NEVE CAMPBELL, DYLAN MCDERMOTT, OLIVER PLATT, CYLK COZART; Drehbuch: RODNEY VACCARO, ALINE BROSH MCKENNA; Musik: GRAEME REVELL; Kamera: WALT LLOYD; Regie: DAMON SANTOSTEFANO; 98 Minuten

Achtung Handlung!

Der Multi-Millionär Charles Newman (McDermott) braucht soetwas wie einen geheimen Aufpasser für seine Freundin, schließlich möchte ab und an auch seine Frau etwas von ihm. Und da er gerade eine Millionen schweren Restaurationsauftrag vergeben möchte kommen ihm die vermeintlich schwulen Architekten Oscar Novak (Perry) und Peter Steinberg (Platt) gerade recht. Den beiden wird der Auftrag zugeschustert, vorausgesetzt Oscar nimmt sich Newmans Freundin an und hält ein Auge auf die Freundin und attraktive Künstlerin Amy Post (Campbell). Wer könnte als Nebenbuhler ungefährlicher sein, als ein schwuler Architekt? Mit dem kleinen Fehler, das Newmans Annahme der Homosexualität von Oscar auf einer Reihe von Mißverständnissen beruht. Und bei Oscar tut sich einiges, wenn er mit der quirligen Amy zusammen sein muß...

‚Three to Tango‘ ist mit Abstand der für dieses Jahr gelungenste Date-Movie, wie man dies so schön ausdrückt. Teilweise schon etwas holprig inszeniert, angehaucht mit kleinen Klischee-Schwächen, zeigt der Hauptdarsteller Perry nicht das exakte Timing seines komödiantischen Könnens, wie es ihm in ‚Whole Nine Yards‘ gelungen war. Dafür zeichnet sich der Film durch die sichtliche Spielfreude seiner Protagonisten aus, insbesondere bei Neve Campbell, die nach ihren Schockern und Thrillern endlich mal locker über die Leinwand toben darf und dies gekonnt auskostet. Was die gute Laune an dem Drehbuch von Vaccaro und McKenna leicht trübt, sind die aufdringlichen Umstände, welche zur Verwechslung Oscars als Homosexuellen führt. Nicht besonders geschickt ausgearbeitet, stören die kleinen Holprigkeiten die erste halbe Stunde. Doch dann geht es flott voran und Langeweile stellt sich kaum mehr ein. Es gibt auch sehr originelle Einfälle, wie ein Date zu zweit so enden kann und wie weltoffen sich doch die Presse geben kann. Rundum gelungen ist allerdings der Umgang mit den Klischees, wenn Oscar versucht, seine Schwulen-Maske aufzusetzen, aber keinen Teut anders wirkt wie sonst, seine Freunde und Bekannte dennoch abgeschreckt reagieren. Es beweist sogar eine sehr intelligente Auseinandersetzung die weit über andere Homo-Klamotten hinaus geht.

Unterlegt mit sehr Genre untypischen Swing-Tönen bewahrt sich die Komödie einen ganz eigenen Charme. Nicht der Knaller der Saison, aber technisch auf der Höhe und durchweg unterhaltsam. Ein unaufdringliches Großstadt-Märchen mit hervorragenden Darstellern, kleinen Fehlern und wundervollen Lachern.

 


 

Elizabeth – Das goldene Königreich

Elizabeth – the golden age

Darsteller: Cate Blanchett, Geoffrey Rush, Clive Owen, Rhys Ifans, Jordi Molla, Abbie Cornish und Samantha Morton u.a.


Regie: Shekhar Kapur; Drehbuch: William Nicholson, Michael Hirst; Kamera: Remi Adefarasin; Bildschnitt: Jill Bilcock; Musik: Craig Armstrong

England / 2007; circa 114 Minuten


Als Scorsese 25 Jahre nach ‚The Hustler – Haie der Großstadt‘ den Charakter des Fast Eddie Felson wieder auf die Leinwand brachte, glich das einer kleinen Sensation. Es hatte etwas magisches, Paul Newman in seiner einnehmenden Souveränität wieder zu erleben und Tom Cruise als vielversprechenden Newcomer seinen Ruf festigen zu sehen.

Neun Jahre hatte sich Cate Blanchett Zeit gelassen, Shekhar Kapur für ein weiteres Kapitel mit Geschichten um die englische Königin zur Seite zu stehen. Wie im Abspann des ersten Filmes erwähnt, wurde Elizabeth‘ Regentschaft das ‚goldene Zeitalter genannt. Davon ist zu Beginn des zweiten Filmes noch wenig zu merken, welcher im Jahre 1585 seinen Anfang nimmt. Nach wie vor ist für die protestantische Elizabeth der Katholizismus der größte Feind. Im eigenen Land blühen die Verschwörungen, die Franzosen stehen dem Protestanten ablehnend gegenüber und die Spanier gar, rüsten zum Glaubenskrieg gegen England. Die in Schottland wegen Verrates inhaftierte, aber in Luxus lebende Maria Stuart sieht sich als eigentlich rechtmäßige Königin und als Katholikin wäre sie den Höfen von Frankreich und Spanien sehr angenehm. 

Ob lächelnd, aufbrausend, zurückhaltend, energisch, oder verzweifelt, Cate Blanchett beherrscht die Leinwand wie ein unumstößlicher Fels. Im Charakter der Elizabeth hat sie eine Figur gefunden, die ihr nicht nur alle Facetten der Schauspielerei abverlangt, sondern meistert dies mit einer überwältigenden Präsenz, die das Zusehen zur puren Freude macht. Leider verliert sich die Figur in allzu vielen, nicht nachvollziehbaren Stimmungswechsel, welche die immensen Schwächen des Drehbuches, sowie Kapurs Regie aufzeigen. Man erinnert sich, das ‚Hustler – Haie der Großstadt‘ das Billard spielen nur als Basis für ausgefeilte Charakterzeichnungen nutzte, beinahe wie ein ‚MacGuffin‘ für die verlorenen Seelen der Großstadt. 25 Jahre später war aus dem Lebenselixier Billard schließlich eine Vordergründige Attraktion geworden. Scorsese hatte seine Figuren Vince und Eddie den optischen Reizen untergeordnet.

9 Jahre nach ‚Elizabeth‘ hat Autor Michael Hirst seine politischen Ambitionen aus den Augen verloren. Und Shekhar Kapur folgt mit seiner Regie den plakativen Abhandlungen des schwachen Drehbuches, in dem ihm nichts anderes übrig bleibt, als im letzten Drittel des Filmes in den vollen CGI-Modus umzuschalten. Die einnehmende Kraft des politischen Taktierens von Teil Eins ist kaum vorhanden, ging es da noch darum die heute fast nicht vorstellbaren Zusammenhänge und Strategien von Weltpolitik und Staatsmacht durch eine Person zu verdeutlichen. Damit wurde einem gleichzeitig näher gebracht, wie sich aus einer unbescholtenen Elizabeth eine Herrscherin über das goldene Zeitalter entwickelte. Kapur treibt seine Hauptdarstellerin neun Jahre später von einer Gemütsschwankung in die nächste. Mit aller Gewalt drängt er die Person Elizabeth in den Vordergrund und vergisst dabei die ausschlaggebenden Umstände und Motivationen. Der Glaubenskampf wird zur schlichten Schwarz/Weiß Malerei, bei dem die Katholiken durchweg und ohne Schattierungen den bösen Part übernehmen. Die Franzosen werden zu stupiden Sonderlingen und die Spanier sind ein unreflektiert rachsüchtiges Volk.

Man merkt mit dem Fortschreiten des Filmes die wachsenden Unzulänglichkeiten, der Komplexität von Staaten und Gesellschaften und ihren Verflechtungen Herr zu werden. Stattdessen werden aus den subtilen und fragil agierenden Personen in den Bombast gestellte Heldenfiguren. Craig Armstrongs Musik schlägt dabei in kaum einer Minute leise, oder zurückhaltende Töne an. Die entscheidende Seeschlacht bäumt sich zum visuellen Spektakel. Kein Zweifel daran, das ‚Elizabeth – the golden age‘ ein bildgewaltiger Film ist, ein bombastisches Werk, dem man gerne seine gesamte Aufmerksamkeit widmet und das eine überwältigende Darstellung längst vergangener Tage zu Wege bringt. Man lässt sich dadurch gerne täuschen und mitreißen, vielleicht lag das auch in Kapurs Absicht, überzeugen kann es allerdings nur im reinen Unterhaltungswert.

Wie der ehemalige Spieler und Champion Eddie Felson durch den unbändigen Vince zu sich selbst zurück fand, konnte Martin Scorsese 25 Jahre später nicht wirklich vermitteln. Zu sehr war er der Magie und den Reizen von grünem Samt und kunstvoll geführten Kugeln verfallen, dass er sich von den Stärken des Originals abwenden musste. Neun Jahre nach einem fulminanten Portrait, das die Kunst vollbrachte ebenso ein überzeugendes Zeitdokument zu sein, bietet sich dem Zuschauer ein eindrucksvoller Kostümschinken mit bemerkenswertem Aufwand, der durchaus dem Geist des Historien-Kinos mit wilden Draufgängern und imposanter Geradlinigkeit des fünfziger Jahre Kinos gerecht wird. Cate Blanchett trägt das mit schwindelerregender Überzeugungskraft. Aber sie kann weit mehr auf ihren Schultern ertragen. Die Königin ist tot, lang lebe die Königin.

bandit

 


 

Enigma:

Darsteller: Dougray Scott, Kate Winslet, Jeremy Norton, Nikolaj Coster Waldau, Saffron Borrows u.a.

Regie: Michael Apted; Drehbuch: Tom Stoppard nach dem Roman von Robert Harris; Kamera: Seamus McGarvey; Filmschnitt: Rick Shaine; Musik: John Barry

England / 2001 ; circa 117 Minuten

Michael Apted war der Regisseur, dem es überraschend gelang tatsächlich Gefühl die eher trockene James-Bond-Reihe zu bringen. Mit der selben eleganten Energie stürzt er seinen gebrochenen Helden Dougray Scott in die Mühlen des Gefühlsleben. Natürlich eine Frau, die ihn aus der Bahn geworfen hat und danach spurlos verschwand. In der riesigen, geheim gehaltenen Anlage von Bletchley Park versucht er im zweiten Weltkrieg mit anderen englischen Geistesgrößen den Code der Enigma Maschine zu knacken, welche mit ihren Millionen-Millionen Möglichkeiten die Nachrichten der Deutschen chiffrierte. Natürlich war die tatsächliche Geschichte der Helden von Bletchley Park nicht halb so aufregend, aber das tut der Sache keinen Abbruch. Geschickt verflechtet Apted die Ereignisse um die Maschine mit dem Geheimnis welches die Frau zu umgeben scheint, welche dem Helden das Herz gebrochen hat. Die Entschlüsselung der Enigma wird gleichbedeutend mit dem Rätsel um das blonde Gift. Eine sehr ergreifend und leise erzählte Geschichte mit unaufdringlichen Thriller Qualitäten, die versteht Wirklichkeit und Fiktion spannend zu vermengen. Wo Scott und Mitstreiterin Kate Winslet fast schon perfekt besetzt scheinen, fehlt es in ‚Enigma’ am entscheidenden Knackpunkt und der heißt Saffron Burrows. Ihr fehlt grundlegend die charismatische Aura um der geheimnisvollen und begehrenswerten Blondine gerecht zu werden. Dies wiederum führt die Geschichte fast schon ad absurdum. Und letztendlich lässt sich der Film, der auf weiten Strecken sehr überzeugt, gleich auf drei Showdowns ein, welche aus der ansonsten ruhig und exzellent erzählten Handlung versucht ein überhaupt nicht überzeugendes verzwicktes Spionage-Konstrukt entstehen zu lassen. Regisseur Michael Apted war sehr überrascht in der Vorbereitungsphase erfahren zu müssen, das er unwissentlich in der Nähe von Bletchley Park aufgewachsen war.

 


 

 

Ein Quantum Trost –
Quantum of Solace


Uwe und Andrew treffen sich einmal die Woche zu einem Kinoabend und haben dann die schlechte Angewohnheit, den gesehenen Film in der Länge seiner Laufzeit auch totzuquatschen. Diese Woche war ein lang erwarteter Film an der Reihe, bei dem Uwe wie immer den nervtötenden, überkandidelten Kritiker gab, während Andrew als beinharter, langjähriger Fan mit seiner Vorfreude vor Aufregung beinahe seinen Sitz bewässert hätte.

Als begnadeter und fast schon allwissender Cineast kann ich aus dem Stegreif sagen, was ein Bond-Film ist. Wir reden hier von Bond, James Bond. Und die alte Schindmähre unter den Kinoreihen besticht durch eine einzigartige Formel, die man ohne nachzudenken herunterbeten kann: Der Teaser, mit einer flotten Action-Sequenz, die nichts oder nur selten etwas mit der eigentlichen Handlung des Films zu tun hat. Der animierte Titelvorspann, mit cooler Musik meist aktueller Interpreten. Ein charmanter Bösewicht, mit einem extrem fiesen Helfershelfer. Der Plan, sehr viel Schaden in der Welt anzurichten. Eine extrem schöne Frau, meist Gespielin des Bösewichts, die Bond irgendwann gegen Ende zu Hilfe kommt.
Der Held bestellt sich einen Wodka-Martini, geschüttelt und nicht gerührt. Der Showdown, bei dem nur Sekunden entscheiden. Der Bösewicht stirbt einen schrecklichen Tod und noch einmal kommt der Helfershelfer zum Einsatz, der einen noch schrecklicheren Tod erleidet. Der Abschluss garniert sich natürlich mit dem Geheimagenten, der die schöne Frau umarmen darf. Und was dann wirklich geschieht, hat man bisher, wenn ich mich recht entsinne, nur in ‚Moonraker‘ gesehen.

Mit Daniel Craig ist alles anders geworden. Und das war für den Cineasten sehr spannend und auch spaßig. Wie er zu seinem Aston Martin kommt, wer ihm die Auswahl feiner Zwirne ans Herz gelegt hat, wie er sich seinen Doppelnull-Status erarbeitete, warum er Frauen eigentlich nur kaltherzig benutzt. Das war wirklich was Neues und aufsehenerregend. Aber jetzt? Wie soll das denn weitergehen? Ich könnte mit meinem zweifelsfrei grandiosen Verstand Referate darüber halten, wollte aber doch einen Experten hinzuziehen. Und wer könnte besserer Experte sein, als ein eingefleischter Fan:

„Ganz klar plant man mit Craig nicht einfach nur von Film zu Film, sondern möchte eine Entwicklung haben. Ich gehe daher davon aus, dass der Film bewusst ein Übergangsfilm ist, als solcher konzipiert und gedreht. Nicht unbedingt der 2. Teil einer Trilogie, sondern vielmehr eine Evolutionsstation für Daniel Craig auf dem Weg zu seinem perfekten Bond. Man sucht sozusagen nach der besten Form und geht dazu extreme Wege. Produzent Michael Wilson macht hier im Grunde dasselbe, was er schon mit ‚Lizenz zum Töten - Licence to kill‘ gemacht hat. Auch der 2. Film von Timothy Dalton war härter, humorloser, bond-ferner. Die direkte Entwicklung wurde damals leider unterbrochen. Mit ‚GoldenEye‘ ging es dann wieder in gewohnte Richtung.“


Das war ja dann wohl eine Zeit, als die Marke James Bond weniger Gewicht hatte als der Name Pierce Brosnan. Alles war schön anzuschauen, aber es fehlte der besondere Kick. Ich erinnere mich, dass früher ein Bond-Film immer mit spektakulären Stunts auf sich aufmerksam machte. Bei ‚In tödlicher Mission - For your eyes only‘ auf besonders tragische Weise. Mit Einzug des Computers wurden die letzten Filme vielleicht optisch spektakulärer, aber uninteressanter. Mit ‚Casino Royale‘ habe ich den Verdacht, dass man plötzlich einem Trend von harten, riskanten und ehrlichen Stunts hinterher rennt, den andere Filmreihen schon für sich entdeckt haben.


„Man nutzt aus, dass Craig noch jung genug ist, um einen reinen Actionfilm durchzustehen. Ruhigere Filme kann man mit ihm später immer noch drehen. Denn wenn man in die Action-Richtung gehen will, dann jetzt. Außerdem wird der Film sicherlich eine zweite Schicht haben. Es geht um ein Umweltthema. Und daher wurden die Action-Szenen bewusst nach den vier Elementen gewählt: Erde, Feuer, Wasser und Luft. Allein das finde ich schon erstaunlich. Bisher hieß es nur: Wann hatten wir das letzte Mal eine Autoverfolgung? Jetzt gibt es sinnvollere Kriterien für die Auswahl. Das hebt den Film schon von vielen anderen Actionfilmen ab. Insofern sind zwei Dinge wichtig: Spielt der Film genügend ein? Wie wirkt er in der Retrospektive, wenn Craig vier oder fünf Bond-Filme gedreht hat? Am Ende wird es die Organisation Quantum sein, die Craigs Bond-Filme zusammenhält und deren Bekämpfung eine durchgehende Linie darstellt.“

 

Ich frage mich allerdings, was ein ‚Bond-Film’ ist. Reicht es einfach, alle Klischees zusammenzuwürfeln und dann einfach auf Film zu bannen? Diese für Bond typischen Faktoren werden angeblich in ‚QoS‘ gar nicht berücksichtigt. Ich habe Angst, dass ich einen sehr spannenden Film sehen werde, aufregend und technisch super gefertigt, aber ohne die Nachhaltigkeit, die jetzt wichtig wäre, um eine Unterscheidung zu anderen Action-Filmen herzustellen.
 

„Wir haben immer das Problem, dass eigentlich zwei Bond-Charakter bestehen: Der Bond der Filme und der Bond der Bücher. Vieles, was man von den Filmen her gewohnt ist, ist in den Büchern entweder nicht vorhanden oder in anderer Ausprägung. Der Bond der Bücher hat eine ernstzunehmende Vorgeschichte, man weiß etwas über seine Eltern, was in den Filmen nie angesprochen wurde. Schon öfter wurde davon gesprochen, man wolle mit dem Film-Bond wieder mehr in Richtung Fleming. Was heißt das für den Kinogänger? Erkennt er dann seinen Bond nicht wieder? Wird er dann austauschbarer? Ich glaube nicht. Aber das weiß man eben auch noch nicht nach dem Anschauen des jetzigen Films. Da es der zweite Teil einer Mini-Reihe innerhalb der Bondfilme sein wird, die erst aufhört, wenn Craig aufhört. Man macht mit ihm eine Entwicklung durch, hin zu den Bestandteilen des Filmbonds, die man heute als Klischees kennt. Man wird versuchen, diese Klischees aus der Entwicklung heraus zu erklären und ihnen einen neuen, realistischeren Sinn geben. Am markantesten handelt es sich dabei natürlich um Moneypenny und Q, die im Gegensatz zu M am meisten unter den Filmen gelitten haben, am Ende beinahe nur noch eine Karikatur ihrer selbst waren. M wurde bereits neu erfunden. Nachhaltig ist Quantum dann, wenn man sich nach dem Anschauen fragt, wie wohl der nächste Film aussieht."
 

Nach den ersten Eindrücken, die ich mir angelesen und angesehen habe, „befürchte“ ich, sehr gut unterhalten zu werden. Aber es werden keine neuen Wege beschritten, geschweige denn die Laufbahn des James Bond in irgendwelche markante Bahnen gelenkt. Der zweite Teil einer Trilogie, vielleicht das zukünftige Konzept, hinterlässt immer einen bitteren Nachgeschmack. Der kann nur verlieren, egal wie sauber er handwerklich gemacht ist. Was macht einen Bond grundsätzlich aus, und wie sähe das für die Zukunft aus?
 

„Ich erwarte einen etwas anderen Bond-Film, schnell, fast zu schnell, hart, ehrlich, mit einem beeindruckenden Hauptdarsteller. Ansonsten hat es Bond schwer. Wenn er sich entwickelt, geht er automatisch weg von vertrauten Elementen. Die reine Variation dieser Themen würde als Fortentwicklung noch nicht reichen. Ich erwarte einen Film, der mich als Fan testet, ob er nicht zu weit von der Formel weggegangen ist. Und von dem ich am Ende sagen werde, dass er vielleicht nicht der beste ist, dass er aber echt gut ist, verdammt unterhaltsam, und dass ich ihn mir immer wieder gern anschauen kann.“



Ein Quantum Trost - Quantum of Solace

 
Darsteller: Daniel Craig, Mathieu Amalric, Judi Dench, Olga Kurylenko, Giancarlo Giannini, Jeffrey Wright, Jesper Christensen u.a.
Regie: Marc Forster; Drehbuch: Paul Haggis, Neal Purvis, Robert Wade; Kamera: Roberto Schaefer; Bildschnitt: Matt Chesse, Richard Pearson; Musik: David Arnold; Stunt-Coordinator: Gary Powell
ca. 106 min. / England / 2008
 
"Die Presse ist nicht immer gut mit dem neuen Bond umgegangen. Einige finden ihn atemlos und beeindruckend, andere bezeichnen ihn als verworren und zu schnell. Manche loben seine Charaktere, manche beschimpfen ihn als seelenlos. Einig ist sich die Presse vor allem aber in einem: Craig ist einsame Spitze! Ob er der beste Bond aller Zeiten ist, kann ich nicht beurteilen. Dazu bin ich zu jung, um zu wissen, wie man es in den 60er Jahren empfunden hat. Wie damals Sean Connery gewirkt hat. Ich vermute mal, sehr ähnlich wie Daniel Craig heute. Connery hat das Bond-Franchise ins Leben gerufen, Craig hat ihm neues Leben eingehaucht. Die Leistung beider ist vermutlich vergleichbar."

Man muss zugeben, dass der zweiundzwanzigste Bond zu überraschen versteht. Ohne Zweifel. Wenn man von Presse und ausführenden Organen im Vorfeld immer zu hören bekommt, wie viel anders der neue Film sein soll, dann ist es erfrischend und durchaus sehr beruhigend, trotz aller Unkenrufe einen Bond-Film in Leib und Seele zu sehen. Und er bedient sogar die Klischees, jene klassische Formel die sich über zwanzig Filme zum Standard entwickelte. 'Casino' zählt mit seinem „Neuauflage"-Charakter ja nicht.

„Das hat mich am meisten an Quantum beeindruckt: Dass er es schafft, die Bond-Formel auf so subtile Weise zu beleben. Leider ist das so subtil, dass es die Presse nicht bemerkt. Sie sieht die vielen feinen Anspielungen nicht. Wenn es nicht um Wodka-Martinis und „Bond, James Bond“-Rituale geht, ist sie ahnungslos. Und recherchieren ist heute anscheinend nicht mehr modern. Der Fan erfreut sich daran, dass beispielsweise „Der Spion, der mich liebte“ zitiert wird, wenn Bond in Bregenz einen Gegenspieler vom Dach fallen lässt. Und welchen Film zitiert er, wenn er Camille nach der Bootsfahrt bewusstlos weiterreicht? Man könnte ein Quiz daraus machen. Das Problem ist der „gewöhnliche“ Kinogänger. Auch er sieht diese Dinge nicht. Marc Forster hat gesagt, dass er den Bond gedreht hat, den er immer schon sehen wollte. Aber will auch der gewöhnliche Kinogänger ihn sehen?“

Die stilistischen Einfälle, mit denen Marc Forster seinen Film aufwertet, sind überzeugend. Den ganzen Film über hat man das Gefühl eines künstlerischen Flusses, der nicht im Geringsten künstlich herbeigeführt wirkt. Mich überzeugte der Establishing-Shot zu Filmbeginn, das Spiel mit den Tonebenen und Wahrnehmung, die sich bis zum Ende durchziehen. Aber schon mit dem Einstieg in die erste von fünf großen Action-Sequenzen war klar, was man optisch zu erwarten hatte. Vollkommen frenetisch zerschnittene Stunt-Arbeiten, die dem Aufwand und der Gefährlichkeit der wirklichen Dreharbeiten überhaupt nicht gerecht werden. Das wirkt wie zwei verschiedene Filme. In den Handlungs- und Dialogszenen hat Roberto Schaefer (Marc Forsters Standard-Kameramann) zusammen mit dem Regisseur eine so schöne Bildsprache gefunden, die durch jede Einlage mit Action wieder aufgehoben wird.

"Die Leistung des Films ist es, Craig als Bond gut darzustellen. Dem ordnet sich letztendlich alles unter. Die Atmosphäre des Films will einen ruhelosen und realistischen Bond zeigen. Wenn dazu schnelle Schnitte nötig sind, die man so extrem noch nicht von Bond kennt, dann sind sie eben nötig. Wenn die schnellen Schnitte manchmal die exzellente Stuntarbeit überlagern, dann ist das nun mal so. Der Zuschauer begleitet Bond schließlich hautnah, da verliert man nun mal hin und wieder den Überblick. Bond verliert ihn ja manchmal auch. Hat es sich dann trotzdem gelohnt, alles real und sehr oft auch mit Daniel Craig zu drehen? Bestimmt. Auch wenn man vieles nicht deutlich sieht oder nur flüchtig wahrnimmt, so hat man doch immer ein Gefühl von Authentizität. Das hätte man anders nicht erreichen können. Craig ist wieder sehr beeindruckend in der Rolle, übertrifft sogar noch ,Casino Royale'. Das ist das größte Plus des Films, das macht ihn sehr attraktiv für das breite Publikum."

Technisch gesehen, ist ‚QoS‘ ein perfekter Film, da gibt es keinen Zweifel. Und plötzlich offenbart sich, womit keiner wirklich gerechnet hat, was dem Film in vielen Besprechungen sogar aberkannt wird. Er verfügt über diese geheimnisvolle Formel, die sich seit ‚Liebesgrüße aus Moskau – From Russia with Love‘‘ bewährt hat. Die Pretitle-Sequenz, das schöne Mädchen, der despotische Bösewicht, viele exotische Schauplätze, der Sprücheklopfer Bond, Verführung und Verrat, der spektakuläre Tod des Schurken… Und dennoch bleibt alles in der Schwebe. Felix Leiter: Freund oder Feind? Wen belügt er denn nun wirklich, Bond oder seinen FBI-Kollegen? Welchen Nutzen zieht er aus welchen Verbindungen? Das macht durchaus Spaß und wissend, das die Macher um den nächsten Film nicht herumkommen, können die Geheimnisse ruhig etwas liegen und reifen. Da ging eine Rechnung auf, bei der ich fälschlicherweise vorher schon versucht habe, immer wieder nachzurechnen. Der Bond für das Einundzwanzigste Jahrhundert ist zweifellos existent und jetzt schon etabliert, wirkt aber vielfach wie ein Zugeständnis an die Bedürfnisse des heutigen Kinos.

"Wichtig ist, dass der Film seine eigene Atmosphäre findet. Und das tut er. Noch nie war soviel Action in einem Film, noch nie hat sie sich so gut eingefügt in die Handlung. Wenn Roger Moore bei ,In tödlicher Mission - For your eyes only' aus dem Bob-Kanal den Häschern entkommt und im nächsten Augenblick schon von Eishockey-Spielern angegriffen wird, dann wirkt das aneinandergeklebt. Wenn Pierce Brosnan in ,Die Welt ist nicht genug - The world is not enough' mal eben von propeller-getriebenen Schneefahrzeugen attackiert wird, dann wirkt das sehr unmotiviert und geschieht nur der Action wegen. Nicht so bei ,Quantum'. Hier ist alles im Fluss. Hier hören die Actionszenen nicht einfach auf und sind sofort vergessen, hier „glühen sie nach“: Man sieht Bond nach diesen Szenen reflektierend und regenerierend Luft holen. So wie er es auch (dem aktuellen Bond-Girl) Camille rät: Adrenalin ausgleichen, durchatmen. Überhaupt, wann hat Bond schon mal über die Action geredet? Wann hatte man bei ihm das Gefühl, dass das Entkommen nicht uneingeschränkter Triumph ist, sondern dass ein gewonnener Kampf immer auch ein Stück Seele kostet? Hätte man die Action so klar und deutlich gezeigt wie in den bisherigen Filmen, wäre dieser Effekt nicht möglich gewesen. Dann wäre da ein Bruch gewesen zwischen der Action und den realistischen Dialogszenen."


Mir hat die Idee gefallen, mit den Elementen Erde, Wind, Wasser und Feuer eine Einheit in der Abfolge der Handlung zu bringen. So richtig funktioniert hat das aber nicht, denn da steht immer noch die Pretitle-Sequenz als herrenloses, fünftes Element. ,QoS' ist ja einer der wenigen Bond-Filme, bei denen die Action vor dem Titelvorspann in direktem Zusammenhang mit dem Rest des Filmes steht. Trotz allem ist 'QoS' wider anderer Behauptungen ein sehr klassischer Bond, mit sehr viel eigenständigem Charakter. Doch er scheint immer hinter etwas herzulaufen, das man nicht genau definieren kann. Der überraschende Schluss und das Ende mit jenem sehr berühmten Standard anderer Filme impliziert, dass die Entwicklung von Bond bereits abgeschlossen ist. Craigs kommender dritter Anlauf könnte also schon der Film sein, den unverbesserliche Bond-Liebhaber von Anfang an sehen wollten, aber im Nachhinein niemand vermisst hat. Dann wird es aber Zeit für 'geschüttelt, nicht gerührt' und dass Q seinen Neustart erfährt.


"Die Pretitle-Sequenz ist stets eigenständig gewesen. Hier ist sie das Bindeglied zwischen ,Casino' und ,Quantum'. Daher ist sie auch nicht der 4-Elemente-Struktur des Films verpflichtet. Und dass die Verbindung mit dem Auto geschieht, bedeutet symbolisch, dass man so schnell wie möglich in den neuen Film „hineinfährt“. Kaum hat man diese Szene hinter sich, ist man in der Foltersequenz und damit in der ersten echten Quantum-Sequenz. Ab hier stimmen dann die 4 Elemente. Den Schuss durch den Pistolenlauf ans Ende des Filmes zu setzen, schließt für mich lediglich die Handlung um Vesper Lynd (Bonds Freundin in ,Casino') ab. Die eigentliche Entwicklung des Bond-Charakters geht hoffentlich weiter, sonst wird es langweilig. Ob als nächstes der Film folgt, den der unverbesserliche Bond-Liebhaber sehen will oder ob es vielmehr der Film ist, den der gewöhnliche Kinogänger und die Presse sehen wollen, sei dahingestellt. Auf jeden Fall kann es ein in sich runder und abgeschlossener Film werden. Und das ist gut so."


 

Entführung der Pelham 123 – Taking of Pelham 123

1998 inszenierte Félix Enríquez Alcalá für MGM Television eine Verfilmung von John Godeys Roman TAKING OF PELHAM 123. Wenngleich sich diese Fernsehfassung ein klein bisschen enger an der Romanvorlage orientiert, ist sie nicht gelungen. Edward James Olmos und Vincent D’Onofrio mögen zwar ausgezeichnete Schauspieler sein, aber die Inszenierung scheitert einfach an dem Ansinnen, unglaublich modern und mit eigenem Stil daherkommen zu wollen.

Auch wenn sich Kanada für Fernsehfilme als billiger Produktionsort anbietet, dreht man einen Film über das New Yorker U-Bahnnetz einfach nicht irgendwo. Als Double für das Empire State Building kann man ja auch nicht den Sears Tower in Chicago nehmen. Der Moloch des New Yorker Untergrunds ist eben ein ganz eigenwilliger, damit spaßt man nicht. Und die Zuschauer quittierten das mit hämischer Kritik. Somit scheidet dieser Film einfach mal bei den Vergleichen aus, der hier zwischen der ersten und letzten Verfilmung gestellt werden sollen.

Die Handlung des Romans ist denkbar einfach, entspricht sie doch der klassischen Gangsterstory, die ein Sub-Genre des typischen Geiseldramas bedient. Vier Männer kapern einen U-Bahnzug, koppeln die Zugmaschine ab, fahren mit dieser und ein Dutzend Geiseln weiter, stellen ihre Lösegeldforderung und es beginnt ein Nervenkrieg zwischen dem Chef der Leitstation und dem Anführer der Gangster. Das dieser Thriller bereits dreimal verfilmt wurde, wird an dieser Stelle als Grundwissen einfach mal so vorausgesetzt. Betrug das Lösegeld in der Version von 1974 noch eine Millionen Dollar, sind es inflationär schon 10 Millionen Dollar in Tony Scotts Fassung von 2009. In der 98er Verfilmung, die hiermit zum letzten Mal erwähnt wurde, waren es 5 Millionen. 

Zwei Filmversionen zu vergleichen ist eine sehr riskante Sache. Die einen halten so etwas für nicht legitim, andere finden das Original grundsätzlich immer besser. Aber bei Diskussionen an einer anderen Stelle kam man ja zu der Erkenntnis, dass bei einer Romanverfilmung das Original nicht die Erstverfilmung, sondern immer noch der Roman selbst ist. Tatsächlich offenbart sich Überraschendes, wenn man beide Versionen vergleicht. Sie spiegeln beide in Ton und optischer Umsetzung den aktuellen Zeitgeist des modernen Kinos wieder. Die 98er Fassung orientierte sich derart penetrant am damals aktuellen MTV-Stil mit ihren überstrahlten und grobkörnigen Bildern, dass sie auch weiterhin aus diesem Vergleich ausscheidet. Hand aufs Herz, ab hier wird diese Fassung nicht mehr erwähnt.

Was fällt zuerst auf? Denzel und Walter. Sieht man beide Filme in sehr kurzem Abstand, kommt man einfach nicht umhin, das auffällige Gelb zu registrieren. Walter Matthau trägt ein dunkel kariertes Hemd mit einer grell-gelben Krawatte. Denzel Washington darf das Hemd knallgelb tragen, während seine Krawatte die Farbgebung von Walters Hemd wiedergibt. Das ist ganz offensichtlich eine Verbeugung der Jungen vor dem Alten. Dass Denzels Charakter-Vorname von Zachary auf Walter geändert wurde, unterstreicht diese Referenz nur.

Die Charaktere der beiden Fahrstandleiter der New Yorker U-Bahn könnten dabei nicht unterschiedlicher sein. Auch wenn es in den Untergrund geht, ist Godeys Roman ein Großstadtthriller. Der sarkastische, ungebrochen flapsige Ton Walter Matthaus entspricht exakt der Zeit, als Amerika die größten gesellschaftlichen Umbrüche der jüngsten Zeit hinter sich gebracht hatte, die Vertrauenskrise in die eigene Regierung sich allerdings auf einem Höhepunkt befand. Dieser Mann braucht nicht Held zu sein, weil er scheinbar schon mit allen Wassern gewaschen ist. Wer könnte diesen versierten Antihelden in Haltung und Mimik besser verkörpern als Walter Matthau, der in seiner lamentierenden Art den Eindruck macht, als wäre ihm alles lästig, der im Geiste aber längst alle Lösungsmöglichkeiten parat hält.

Washington hingegen darf eine eher versonnene Figur sein, die ein Geheimnis umgibt. Er möchte keine Verantwortung übernehmen, als die Entführer ausgerechnet ihn als Mittelsperson auswählen. Er ist der anfangs gebrochene Held des typischen Action-Kinos des neuen Jahrtausends, der letztendlich über sich hinauswachsen darf. Denzel Washington dominiert fast schon selbstverständlich jede Szene mit seinem Spiel, das so unaufdringlich Akzente setzt, dass man diesem in sich gekehrten Menschen sofort Vertrauen schenkt. Das Drehbuch greift dies auch sehr geschickt mit der Einführung des Verhandlungsführers der Polizei auf, der diese Vertrauenswürdigkeit sofort erkennt. In gleichgearteten Streifen würde das Aufeinandertreffen von Anti-Held und Autorität umgehend als unsinniges Konfliktpotenzial missbraucht werden, was hier auf sehr angenehme Weise umgangen wird.

Wer die letzten drei Kinofilme von Tony Scott gesehen hat, hat eine ungefähre Vorstellung vom visuellen Stil des Ridley-Bruders. Extrem beschleunigte Bilder, ebenso extreme Verlangsamung, entsättigte Farben und High-Speed-Shutter. In einer Zeit, in der das demografische Publikum nicht älter als 29 sein soll, ist dies ein Stil, der ankommen mag und zudem auch noch Dynamik vermittelt. Sehr viel Dynamik. Scott inszeniert diese TODESFAHRT wesentlich aufgeblähter, als die Vorlage es vorgibt. Der Dialoganteil ist wesentlich höher, was bei anderen Filmen meist an Tempo rausnimmt, hier wird den Charakteren mehr Hintergrundgeschichte aufgebürdet. Doch Scotts stets unruhige Kamera und die dazugehörigen Kamera-Gimmicks halten zumindest optisch den Film am Pulsieren. Es ist ohne Zweifel eine sehr moderne Variante des Stoffs.

Joseph Sargent hat 1974 einen expliziten Gangsterfilm geschaffen, der sich ganz auf das Verbrechen, die Umsetzung und die Auflösung konzentriert. Seine U-Bahn-Helden sind schnoddrige Männer, die gerne jedem in die Parade fahren, gerne auch unverschämt sind und ihren Job einfach schon zu lange machen, um sich aufs Kreuz legen zu lassen. Für manchen kann das ungesund enden. Die Dialoge sind derart kurz aber pointiert gefasst, dass das Tempo unheimlich anzieht. In der Neufassung muss viel passieren, um die Spannung hochzuhalten. Es wird mit Wendungen und Geheimniskrämerei gearbeitet. Was durchaus funktioniert, kein Zweifel, und der Film will damit dem Zuschauer auch nichts vormachen. Die konzentrierte Geradlinigkeit von Sargents 74er Fassung offenbart nur, dass beide Filme trotz derselben Handlung vollkommen unterschiedlich zu betrachten sind. 

Robert Shaw war ein präziser, unbarmherziger Söldner. Nicht die Handlungen von Shaws Charakter vermitteln den eiskalten Verbrecher, dem man alles zutraut, sondern seine scharfen, bestimmten Anweisungen und Dialoge mit dem Leitstand. Wie ein Uhrwerk läuft seine Umsetzung ab, weil einzig das Lösegeld zählt und das Verbrechen einfach schmuckloses Beiwerk ist. John Travolta hingegen ist ein unberechenbarer Gangster, der mal besonnen, mal ausgeflippt alle Szenarien möglich macht. Für ihn ist die Ausführung des Verbrechens wesentlicher Bestandteil seines persönlichen Spaßes.

Travolta ist in diesem Vergleich zweifellos der bessere Darsteller. Doch muss man in Hinblick auf seine psychopathischen Anwandlungen in Zweifel ziehen, dass er im Stande wäre, diese Nummer vernünftig zu planen und auch umzusetzen. Robert Shaws Charakter-Zeichnung ist wiederum die, die am markantesten in Erinnerung bleibt. 

Für manche Menschen ist es einfach eine Unsitte, Filme miteinander zu vergleichen, zumal wenn es sich bei einem um ein Remake handelt. Es ist mühselig, führt meistens zu nichts und ist ohnehin absolut subjektiv beeinflusst. Dann gibt es aber auch Beispiele, wo dieser Vergleich doch angebracht ist, sich regelrecht aufdrängt. Es ist sehr interessant, die Grundstimmung, den Ton beider Filme gegenüberzustellen: 1974 schuf man das Porträt einer Stadt, mit ihrem Rhythmus, dem Leben und dem Umgang miteinander, was in einen hervorragenden Thriller verpackt wurde. 2009 gelang ebenfalls ein Porträt, allerdings über den aktuellen Zustand dieser Stadt. Wie haben sich dieses Gefühl und der Rhythmus bis in das Heute entwickelt?

Was 1974 einen herausragenden Gangsterfilm ausmachte, wurde konsequent weiterentwickelt. Damals entwickelte sich das Zusammenwirken zwischen Darstellung von Politik und den Ablauf der Geiselnahme zu einem makaberen Abbild der Realität. 35 Jahre nach Joseph Sargents Version und acht Jahre nach dem 11. September verschwimmt diese Realität zu einem fast alptraumhaften Zustand, in dem nichts sicher und nur wenig berechenbar bleibt. Das kommt in Scotts Version in einer zusätzlichen Handlungsebene hervorragend raus. 

Aber was nutzt ein anständiger Vergleich, wenn man sich nicht so richtig festlegen kann? DIE ENTFÜHRUNG DER U-BAHN PELHAM 123 von Tony Scott ist für einen einmaligen Besuch in einem voll ausgerüsteten Kino ein unterhaltsamer und wunderbar spannender Film, der an der einen oder anderen Stelle über die Stränge schlägt, aber bei Laune hält und nicht langweilt. Der nachhaltigere Film ist jedoch bei weitem STOPPT DIE TODESFAHRT DER U-BAHN 123 von Joseph Sargent, der so knackig und gut erzählt ist, dass es immer wieder Spaß macht, ihn zu sehen. Auch im Fernsehen. Die Optik von Scotts Film hingegen tut sich auf dem kleineren Medium wesentlich schwerer.



2009
Darsteller: Denzel Washington, John Travolta, John Turturro, Luis Guzman, James Gandolfini, Victor Gojcaj, Michael Rispoli, Ramon Rodriguez u.a.
Regie: Tony Scott – Drehbuch: Brian Helgeland nach dem Roman von John Godey – Kamera: Tobias Schliessler – Bildschnitt: Chris Lebenzon – Musik: Harry Gregson-Williams
USA – zirka 121 Minuten


1974
Darsteller: Walter Matthau, Robert Shaw, Martin Balsam, Hector Elizondo, James Broderick, Earl Hindman, Lee Wallace und Dick O’Neill u.a.
Regie: Joseph Sargent – Drehbuch: Peter Stone nach dem Roman von John Godey – Kamera: Owen Roizman – Bildschnitt: Gerald B. Greenberg, Robert Q. Lovett – Musik: David Shire
USA – zirka 104 Minuten

 


 

Einmal Himmel und zurück:

DOWN TO EARTH

Darsteller: Chris Rock, Regina King, Chazz Palminteri, Eugene Levy, Frankie Faison, Mark Addy u.a.

Regie:Chris Weitz; Drehbuch: Chris Rock, Lance Crouther, Ali Le Roi, Louis CK basierend auf dem Drehbuch Heaven can wait von Elaine May, Warren Beatty; Kamera: Richard Crudo; Filmschnitt: Priscilla Nedd Friendly; Musik: Jamshied Sharifi

USA / 2001; circa 87 Minuten

Auch Warren Beatty hat an seiner Kinofassung zu Heaven can wait am Drehbuch mitgeschrieben. Warum sollte es Chris Rock davon abhalten, dasselbe zu tun. Vielleicht etwas Sinn und Verstand, aber Rock hat es dennoch getan. Während Beatty Flair und gehobenen Anspruch auf die leinwand schrieb, meiselt sich Chris Rock ein Werk, das weder anspruchsvoll, noch witzig, noch interessant ist. Es ist eben ein Chris Rock Film.

Als was sonst, sollte der Hauptdarsteller im Film fungieren, wenn nicht als Stand-up Komödiant (um wenigstens ein bißchen Deutsch im Text zu haben). Doch daraus kann weder Drehbuch, noch Regie etwas daraus machen, genauso wenig wie aus dem Fakt, das er bei der Rückkehr zur Erde als alter Mann, noch dazu weiß, für alle anderen ausser dem Publikum als solcher zu sehen ist. Wo man noch ein bisschen Reiz heraus schlagen könnte, nämlich die Aktionen als schwarzer Komödiant im Körper eines greisen Weißen zu sehen, wird weitgehend ignoriert. Es ist eben ein Chris Rock Vehikel.

Selbst Freunde des Komikers dürften leidend eine Durststrecke erleben. Da wo es darauf ankommt, wenigstens die Auftritte auf einer Bühne mit wirklich unterhaltsamen Witzen zu spicken, versagt das seichte Filmchen total. Dem ist schon der deutsche Vorgänger Der Himmel kann warten erlegen, der mit der Geschichte nichts zu tun hatte, aber auch nicht in der Lage war das Thema der Possenreisser auf der Bühne authentisch rüber zu bringen. Das ist bei Down to Earth besonders bedenklich, zählt doch Rock zu den wirklich Besseren seiner Zunft.

Ansonsten tümpelt die Geschichte uninspiriert vor sich hin, gibt sich als Versuch einer schwarzen Komödie so weiß wie es geht. Was alles noch verschlimmert, sind die hartnäckigen Hinweise darauf, das es sich um ein Remake von Heaven can wait handelt, welcher ansich schon ein Remake gewesen war. Lediglich Chazz Palminteri, als rechte Hand Gottes, bringt Lichtblicke und etwas Würde in das lustlose Geplänkel um den richtigen Mann im falschen Körper. Und wenn Regina King zu dem alten Mann, den sie ja sieht, nur das Publikum muss Chris Rock ertragen, das dritte mal sagt 'da ist etwas in deinen Augen', dann hat man die Gewissheit, das Anspruch das letzte war, das die zig Autoren beim Drehbuch im Sinn hatten. Das der Himmel als riesiges Las-Vegas-Casino gezeigt wird, hat schon alleine viel Potential. Aber es ist eben schlichtweg ein Chris Rock Film.

 


 

Erin Brockovich:

Darsteller: JULIA ROBERTS, ALBERT FINNEY, AARON ECKHART, MARG HELGENBERGER, CHERRY COX u.v.a.; Drehbuch: SUSANNAH GRANT; Regie STEVEN SODERBERGH; 131 Minuten

Im ersten Absatz wird die Auflösung des Filmes angedeutet!

Erin ist laut. Erin ist direkt. Erin ist eine echte Plage. Und Erin hat nicht einmal für das Kino erfunden werden müssen. Und weil Erin zu den typischen Verlierer Frauen gehören, die die Klappe weit aufreißen, das Herz aber am rechten Fleck haben, tut sie natürlich das, wozu einer, dem es immer recht gut ging, nie auf die Idee kommen würde. Sie setzt sich für ein kleines Kaff ein, irgendwo am Rande der Wüste, und kämpft mit denen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln des eher naiven 'es-muß-doch-zu-machen-sein' gegen einen der größten Energiekonzerne der Vereinigten Staaten. Heraus gekommen ist die größte Strafsumme, die ein U.S. Konzern jemals an wehrhafte Bürger zahlen mußte, 333 Millionen Dollar. Und weil die ewige Verliererin Erin ihren Rechtsanwalt-Chef soviel Arbeit abgenommen hat und den Feldzug fast schon im Alleingang bewältigte, steht ihr auch der prozentuale Anteil der Gewinnsumme zu. Die Verliererin wird zur Millionärin.

Noch nie hat Julia Roberts besser ausgesehen und man kann unumwunden zugeben, das sie noch nie besser ihre Leinwandqualitäten einzusetzen wußte. Mit jeder Faser ihres Körpers scheint sie die alleinerziehende Mutter dreier Kinder, mit drastischen Geldsorgen, in sich auf zu nehmen. Einer der seltenen Fälle im Film, das ein Darsteller/in einfach nur ist, anstatt zu spielen. Und Albert Finney kommt endlich nach einer garstig, langen Durststrecke aus seinem Loch der Versenkung und zeigt, was ihn damals an die Spitze der Schauspielliga katapultierte. Als lethargischer Rechtsanwalt wirft er sich mit Roberts nur so die Bälle zu. Teilweise wartet das Drehbuch von Susannah Grant mit brüllend komischen Wortgeplänkel auf, vergißt dabei aber niemals das dramatische Element dieser wahren Geschichte. Es scheint schon als wäre 'Erin Brockovich' der fünfhundertste Film der letzten sechs Monate, der auf tatsächlichen Begebenheiten beruht. Umso entspannender wirkt Regisseur Soderberghs Anliegen, die humorvollen Aspekte des 'Trampels' mit viel zu tiefen Ausschnitt, ihr loses Mundwerk und ihre Wirkung auf die biederen Kolleginnen , sowie dem knautschigen Chef in den Vordergrund zu stellen. Und von dieser Seite aus gesehen, ist 'Erin Brockovich' ein perfekt gelungenes Hollywood Abbild der Realität. Kurzweilig und in höchstem Maße unterhaltsam. Da stimmen die knalligen Cinemascope-Bilder, das schauspielerische Timing und die flotte Inszenierung.

Aber das Spektakel der kleinen Frau gegen den Rest der Welt, läßt tatsächlich etwas gravierendes vermissen: Was die selbst bis zum Hals in Schwierigkeiten steckende Erin dazu bewog, sich dermaßen penetrant für die Belange anderer Leute ein zu setzen, bleibt dem Publikum schlichtweg verschlossen. Zwar setzt der Regisseur wunderbar die Erfolge ihres Kampfes immer genau gegen ihr eigenes häusliches Schicksal, doch die eigentliche Motivation bleibt außen vor. Anders als in Zillians 'Zivilprozess', einer scheinbar identischen Geschichte nach einer ebenso wahren Begebenheit, wo sich der Handlungsablauf eben aus dem persönlichen Ehrgeiz und den unlauteren Beweggründen des Helden heraus kristallisiert.

Trotz seiner 131 Minuten bleibt das Werk schnell und interessant, amüsant und technisch perfekt in Szenen gesetzt. Was dem Film an innerer Motivation seiner Heldin abgeht, versteht er mit origineller Umsetzung typischer Gewinner-Geschichten wett zu machen. Er bliebt ein Plus für seine Hauptdarstellerin und gelungene Unterhaltung auch für ein verwöhntes Kinopublikum.

 

 


 

 

Evolution:

Darsteller: David Duchovny, Orlando Jones, Seann William Scott, Julianne Morre, Ted Levine, Ethan Suplee, Katharine Towne and Dan Aykroyd u.v.a

Regie: Ivan Reitman; Drehbuch: David Diamond, David Weissman, Don Jakoby; Kamera: Michael Chapman; Filmschnitt: Sheldon Kahn, Wendy Greene Bricmont; Musik: John Powell

USA / 2001 ; circa 102 Minuten

Ein Meteor, der in der Wüste Arizonas einschlägt. Drei mehr oder weniger exzentrische Lokalhelden. Und das Ende der Menschheit, wie wir es kennen. Was braucht ein Mann wie Ivan Reitmann mehr, um zu dem zurück zufinden, was ihm den größten Erfolg einbrachte. Und in vielen offensichtlichen und versteckten Details könnte Evolution durchaus als legitimer Nachfolger der Ghostbuster durchgehen. Was dem Ganzen wirklich als selbsttreibendes i-Tüpfelchen fehlt, ist Bill Murrays improvisierter Anarcho-Humor. David Duchovny hat in vielen Szenen kleine Ausrutscher perfiden Humors, ist dabei aber noch längst nicht auf so sicheren Beinen wie Murray. Aber man muß Evolution durchaus zugute halten, das die Hälfte des Erfolges dem fantastisch aufgelegten vierer Gespann zu verdanken ist, die sich scheinbar mit einem Dauergrinsen im Hinterkopf in Szene setzen liessen. Da kann es sogar einmal passieren, das es mit der Kontinuität der Hauptcharakteren hin und wieder hapert, doch zeichnet gerade soetwas den besonderen und funktionierenden Charme des Filmes.

Eine Mikrobe die innerhalb von 24 Stunden die Evolutionsphase von 2 Milliarden Jahren durchläuft, bietet eine reichhaltige Facette von Möglichkeiten Seitens Action-Sequenzen, Spannungs-Momenten und genialer Effekte Zauberei. Zwei verschrobene College Lehrer des Wüsten Kaffes Glen Canyon, machen diese Entdeckung, nur um wenige Stunden später vom Militär abgelöst und von dem Projekt ausgesperrt zu werden. Aber da wird keine Versatzstück ausgelassen, kein Klischee verschohnt. Reitmann inszeniert, was der zuschauer erwartet, und das tut er mit verschmitzten Enthusiamus. So läuft die Annähurung von Lehrer Duchovny an eine abtrünnige Regierungswissensschaftlerin (Moore) auf genau dem Wege, den sich die Zuschauer für diese alte Leier wirklich wünschen, ohne Gefassel, versteckte Blicke, oder aufgesetzte Heldentaten.

In der Bekämpfung der ausserirdischen Lebensformen die in immer bizarreren Gestalten ihrer Evolution fröhnen, liegt natürlich das Militär vollkommen falsch. Denn der Angriff mit Napalm, zur Ausrottung der Bedrohung hätte die gegenteilige Wirkung des erhofften Erfolges. Wir leben schliesslich im 21 Jahrhundert, während in den Horror-Klassikern der 50er und 60er Jahre die Verhinderung des eigentlichen Höhepunktes das Ziel gewesen wäre, wird dank der Erfindung des Computers das Szenario voll ausgespielt. Die Helden stehen am Ende vor einem ausserirdischen Etwas, das die Ausmaße eine Großstadt besitzt und keinen Zweifel daran lässt, Amerika schnellstmöglich einer Vielzahl neuer Spezies Platz zu machen.

 


 

The Exorcist:

THE VERSION YOU'VE NEVER SEEN

Darsteller: Ellen Burstyn, Linda Blair, Jason Miller, Max von Sydow, Lee J. Cobb, Kitty Winn u.a.

Regie: William Friedkin; Drehbuch: William Peter Blatty nach seinem Roman

USA - 1973 / 2000 ; Laufzeit der neu geschnittenen Fassung 132 Minuten.

Das Erste was einem nach dem Besuch der neuen Version des Exorzisten auffällt, ist seine Veränderung hinsichtlich des Stilbruches mit aktuellen Trends. So wie er vor 27 Jahren das Genre des Horrorfilmes, oder auch Schockers mit radikaler Umkehr der bisherigen Mittel neu deffinierte, wendet sich Friedkins überarbeitete Fassung ebenso bewußt gegen die aktuellen Stimmungen in diesem Terrain. Wo es selbst nach dem Exorzisten 1973 lange dauerte, dem Horrorfilm mit pessimistischen Grundstimmungen enden zu lassen, wendet er sich heute mit einem wesentlich versöhnlicherem Ende gegen den Trend. Nach wie vor, der Exorzist funktioniert. Er funktioniert noch immer hervorragend.

Die Version die Du noch nie gesehen hast, ist nicht einfach als sogenannter Directors Cut an zu sehen. Obwohl er in diesem Sinne einer der ehrlichsten und besten seiner neuartiigen Gattung wäre. Friedkin erzählt mit 11 Minuten neuem Material die Geschichte mit interessanten und überraschenden Einblicken, die man im '73 Original nicht vermisst hatte, aber nun das Bekannte mit anderen Augen sehen lässt. An manchen Stellen kann das geübte Dolby-Ohr den Unterschied zwischen alter und neu integrierter Tonspur hören, wird aber nur ein Kriterium für fanatische Freaks von Bedeutung bleiben.

Die auffälligsten Änderungen erfährt der Film im Aufbrechen der Intimität der häuslichen Enge und seiner Atmosphäre. In einer eigenwilligen Montage nimmt gleich zu Beginn die Handlung den zentralen Rahmen vorweg und leitet über in eine Vorgeschichte im Norden Iraks, welche das Verhältniss von Max von Sydows Pater Merrin zu seiner späteren Berufung im Film viel klarer auflöst. Diese Vorgeschichte wiederrum bildet gleichzeitig einen kurzen Epilog zu dem schon seit Jahren geplanten Prequel The Exorcist: Dominion, das jetzt von Warner grünes Licht bekam.

Die nun längere Fassung macht aus der kurz angerissenen Sequenz der Krankenhaus-Untersuchungen von Regan (Linda Blair) eine intensivere und weit verzweifelndere Tour de Force nach dem Unerklärlichen. Gekrönt wird die Szene mit der noch nicht gesehenen Erklärung des Doktors gegenüber der verzweifelten Mutter Chris ( Ellen Burstyn), Regan hätte zu ihm gesagt, "seine beschissenen Finger von ihr verdammten Fotze zu nehmen". Es ist eine kleine, dennoch schockierende Einstimmung für das, was noch von der erst 11 jährigen Linda Blair kommen soll. Ob die derben Beschimpfungen gegenüber den Priestern, oder die blutige Masturbation mit den Kruzifix, der Schock hat nichts von seiner Wirkung verloren und man wird sich noch lange fragen, wie man derartige Szenen mit einem derart jungen Mädchen überhaupt fertig stellen konnte.

Anstatt den Zuschauer ungewiss aus dem Dunkel des Theaters zu entlassen, nimmt der Regisseur mit einer erweiteten Sequenze für Lee J. Cobb dem Zuschauer die Last des atemberaubenden Finales und dessen unbestimmten Endes. Das mag auf der einen Seite ein cleverer Zug gegenüber den billigen Nachahmern der Neuzeit sein, bleibt aber auf unsicheren Beinen hinsichtlich seiner Wirkung gegenüber der verstörenden Endes der ersten Fassung.

Nach 27 Jahren ist es dank dieser Version ein schauriges Juwel, Chris Newmans damals Oscar prämiertes Sounddesign in einem Tonformat zu hören, welches ein damals die Zuschauer aus den Kino gejagt hätte. Sicherlich ist die Atmosphäre des Filmes dem perfekten Zusammenspiel von Ton, Kamera und vor allem den visuellen, dabei auch graphischen Effekten zu verdanken. In erster Linie aber ist es die bis dahin unbekannte und an die Grenzen gehende Mischung ungewöhnlicher und markerschütternder Töne und Toneffekte. Das sie in all den Jahren nichts an Wirkung eingebüßt und auch keineswegs verstaubt wirken, verdeutlicht wie weit schon 1973 der Exorzist seiner Zeit im Grunde voraus war.

Das wir dem Dämonen Pazuzu in nicht all zu langer Zeit wiederbegegnen werden, hat bestimmt nicht mit den zwei unwürdig, unsäglichen Fortsetzungen von Blattys und Friedkins Original zu tun. Es ist ein Verdienst des nahezu ungebrochenen Erfolges von Exorzist und der Version, die Du noch nie gesehen hast zusammen genommen. Der Exorzist funktioniert eben noch genauso, wie vor 27 Jahren. Aber damals war es eine unerschütterliche Vision von vereinten Kräften des Schreibers und Regisseur. Wäre es das heute auch noch?

 

 


 

Der Exorzismus der Emily Rose

The Exorcism of Emily Rose

Darsteller: Laura Linney, Tom Wilkinson, Campbell Scott, Colm Feore und Jennifer Carpenter als Emily
Regie: Scott Derrickson; Drehbuch: Paul Harris Boardman, Scott Derrickson; Kamera: Tom Stern; Bildschnitt: Jeff Betancourt; Musik: Christopher Young
USA ; circa 118 Minuten


Kann man den Glauben beweisen? Oder kann es bewiesen werden, dass man nicht glaubt? An Gott, oder an Dämonen?

Die aus dem Unterfränkischen stammende Anneliese Michel hatte einen Glauben, und dieser war derart gefestigt, dass sie selbst einen Exorzismus an sich erwünschte, als sie von Dämonen besessen zu sein glaubte. Allerdings ist die eigentliche Geschichte der Anneliese Michel weit in den Hintergrund gerückt und Scott Derrickson hat dabei eine Genremischung für sich entdeckt, die einmalig sein dürfte und sehr viel Mut erforderte. ‚Emily Rose’ ist weder Gerichtsdrama, noch Horrorfilm, trotzdem ist er beides par excellence. Bei diesem fast schon aberwitzigen Spagat gelingt dem Film noch ein Unikat in der heutigen Filmlandschaft, er schafft Schock begierige Jugendliche gleichermaßen anzusprechen, wie deren Drama orientierte Eltern.

Sehr schnell kommt die Erzählung mit der Karriere besessenen Erin Brunner (Linney) in die Gänge. Um in ihrer Anwaltskanzlei Seniorpartnerin zu werden, soll sie im Namen der Erzdiözese Pfarrer Richard Moore (Wilkinson) verteidigen, in dessen Obhut nach einem Exorzismus die neunzehnjährige Emily Rose (Carpenter) verstarb. So wie sich die Erzdiözese aus strategischen Gründen eine Agnostikerin zur Verteidigung aussuchte, wird die anklagende Staatsanwaltschaft von einem streng gläubigen Kirchgänger (Scott) vertreten. Die neunzehnjährige Emily Rose wird immer öfter von verstörenden Visionen und alptraumhaftigen Szenarien heimgesucht. Das lebenshungrige, aufgeweckte Landei, welches ein Stipendium in der großen, weiten Welt erhalten hat, verkümmert mehr und mehr zum seelisch, paranoiden Krüppel. Das katholisch erzogene Mädchen bittet mit Hilfe ihrer Familie, Pfarrer Richard Moore um Beistand. Moore kommt schnell zu der Erkenntnis, dass ein Dämon Besitz von Emily ergriffen haben muss. Nach Konsolidierung mit Moores Vorgesetzten, bewilligt die Kirche einen Exorzismus. Und auch Emily erklärt sich zu dem Exorzismus bereit.

Als ewige Zweitbesetzung hat Laura Linney hier die Möglichkeit, trotz der Komplexität der Handlungsabläufe, einen Film ganz alleine zu tragen. Ihre Verkörperung von der von sich überzeugten Anwältin und ihrer Wandlung zur von Zweifeln an der eigenen Einstellung gepeinigten Seele ist äußerst nuanciert. Sie kann nicht beweisen, das Pfarrer Moore nicht doch eine Mitschuld am Tod der am Ende gerade mal auf 31 Kilo abgemagerten Emily hatte, aber ihre eigenen Erfahrungen im Laufe des Prozesses, lassen sie zu dem Schluss kommen, dass ihre Verteidigungsstrategie in Bahnen gelenkt werden muss, welche sie bisher in ihrem Leben ignoriert hat. Linney braucht keine Schockmomente und sie benötigt auch keine abgedroschenen Phrasen, um den Einfluss deutlich zu machen, den die von ihr zu verteidigenden Geschichte auf sie ausübt.

Der Film funktioniert fantastisch. Scott Derrickson zeigt ein fabelhaftes Gespür für das richtige Timing und den damit verbundenen Wechsel zwischen den zwei parallel erzählten Handlungssträngen. Aber Derrickson zeigt auch ein sehr gutes Gefühl für seine Darsteller, die sich wie selbstverständlich in dieser Welt bewegen und ein klein bisschen Abseits von gewöhnlichen Inszenierungen agieren können. Leider vertraut der Regisseur zu wenig auf die Kraft seiner Bilder, die durchaus allein schon die unheimlichste aller Atmosphären im aktuellen Horrorkino aufweist, und glaubt unbedingt mit zu vielen unnötigen Toneffekten immer noch eins drauf setzen zu müssen.

Die Bildgestaltung von Tom Stern hat auf der einen Seite auch sehr viel Atmosphäre, allerdings sind alle Innenaufnahmen, ausschließlich der Gerichtsszenen, so dargestellt als würden sie bei Nacht spielen. Dies verwirrt mitunter und verwehrt dem Zuschauer jede Orientierung der zeitlichen Abläufe.

Kann man also den Glauben in Frage stellen? Kann man diesen wirklich beweisen, oder muss er sowieso für eine objektive gerichtliche Auseinandersetzung außer Acht gelassen werden? Es gibt Dämonen, beschwört Pfarrer Moore in einer Szene, ob Sie daran glauben, oder nicht. Die Wechselwirkung dieser offenen Fragen, zwischen Glauben und Ignoranz, ob es Dämonen wirklich gibt, oder diese Teil eines irregeführten Glaubens sind, das sind die großen Stärken dieses Filmes. Denn diese Auseinandersetzungen übertragen sich auf den Zuschauer, der sich noch lange nach dem Kinovergnügen, mit diesen Fragen konfrontiert sieht. Mit den wahren, zwanzig Jahren zurück liegenden Ereignissen um Anneliese Michel hat der Film sehr wenig zu tun, aber darauf ist er zum Glück nicht angewiesen. Im großen Mainstream-Pool der Filmwirtschaft ist intelligentes, aber auch sehr mutiges Kino selten genug. ‚Der Exorzismus der Emily Rose’ steht mit aller Kraft, überzeugend für sich selbst. Ob sie es glauben, oder nicht.

Bandit


 

Das Experiment:

Darsteller: Moritz Bleibtreu, Christian Berkel, Nicki von Tempelhof, Oliver Stokowski, Justus von Dohnanyi, Andrea Sawatzki, Edgar Selge u.v.a.

Regie: Oliver Hirschbiegel; Drehbuch: Don Bohlinger, Mario Giordano, Christoph Darnstadt; Kamera: Rainer Klausmann; Musik: Alexander van Bubenheim; Filmschnitt: Hans Funck

Deutschland / 2001 ; circa 120 Minuten

Zu erst muss man einiges kalr stellen. Auch wenn der Film vorgibt, auf Tatsachen zu beruhen, zeigt er keineswegs die wirklichen Ereignisse während des sogenannten 'Stanford-Prison-Experiments'. Vielmehr nutzt das Drehbuch die Grundlage des fragwürdigen und heiß diskurtierten Experimentes für eine perfekt angekurbelte Thriller-Maschine. Und Regisseur Oliver Hirschbiegel widerrum nutzt das Geflecht mutierender Barbarisierung und Darwinscher Auswüchse für eine aufpeitschenden Film der sich selbst immer spannender vorantreibt.

Eigentlich gibt die Handlung ansich nicht viel her. 20 Männer werden für eine Gefängnis-Simulation gesucht und in Wärter und Gefangene unterteilt. Und alles hört sich nach einem Spiel an. Einfach nur in der Zelle sitzen, für die Einen. Einfach nur aufpassen, denken die anderen. Die Kanditaten werden mit Videos von den ausführenden Professoren überwacht und studiert. Begeistert ist der das Oberhaupt Edgar Selge nach zwei Tagen, "die ersten Übergriffe in nur 48 Stunden, werhätte das gedacht." Und da macht das Drehbuch schon die ersten Zugeständnisse an die Verständlichkeit und Aufnahmefähigkeit des Publikums. Im 'echten' Experiment gabe es schon in der ersten Nacht eine Revolte. Natürlich eskaliert die Situation mehr und mehr. War es in Amerika ein radikaler Studentenfüherer, der das Experiment als Wahnsinn des Staates entarnen wollte, gibt sich in der deutschen Fassung Moritz Bleibtreu als ehemaliger Journalist die Ehre, in dem Glauben eine großartige Story an Land zu ziehen. Beiderseits führt und führte das Verhalten dieser Leute zu noch intensiveren Auseinandersetzungen. Es beginnt der Aufbruch in den Rückschritt. Losgelöst nicht nur von der Aussenwelt, sondern auch von allen moralischen Prinzipien muß der Film in seiner Thriller-Funktion in einem Höhepunkt des Blutrausches enden. Die Wirklichkeit ist bei weitem entsetzlicher gewesen. Die Gefangenen ergaben sich einem Schicksal und fügten sich einer Ordnung, die eigentlich nie Bestand hatte.

Aber Oliver Hirschbiegel weiß, das es in Deutschland genug Filme über moralischer Bewältigung gibt, genug des bitteren Gedankengutes. Er liefert stattdessen einen beängstigenden, immer tiefergehenden Diskurs ins menschliche Geflecht von Machtstreben und gekonnt inszeniertem Thriller. Bis auf eine haarsträubend überflüssige Nebenhandlung, die oftmals das Gefüge der Beklemmung und des psychologischen Terrors innerhalb der Mauern der Simulation auseinander reist, kann Das Experiment als ein wirklich geglücktes Beispiel von Film gelten, der auch weltweit mühelos sein Publikum finden kann. Und dies kann man sicherlich von den allerwenigsten deutschen Filmen behaupten.

Ein sauberes Drehbuch, eine stimmige Regie und ein durchweg überzeugendes Darsteller-Ensemble machen Das Experiment zu einem jener Thriller, und auch ein bisschen Action-Film, den man gesehen haben sollte. Und wer sich nicht an dem 'Tatsachen'-Titel stört, wird sicherlich aufgrund dieses Filmes einiges zu diskutieren haben. Und das ist wieder das schöne am deutschen Film, ein bisschen Nachdenken ist immer dabei.

 

 

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