P & Q

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Der Pakt der Wölfe Le Pacte des Loups
Pans Labyrinth El Laberinto del Fauno
Paranormal Activity
Passwort: Swordfish Swordfish
Der Patriot The Patriot
Pearl Harbor
Picking up the Pieces
Planet der Affen Planet of the Apes
Die purpurnen Flüsse Les Rivieres pourpes
The Queen

 

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Der Pakt der Wölfe:

LE PACTE DES LOUPS

Darsteller: Samuel Le Bihan, Mark Decascos, Vincent Cassel, Monica Bellucci, Emilie Dequenne, Jeremie Renier, Jean Yanne u.v.a.

Regie: Christophe Gans; Drehbuch: Stephan Cabel, Christophe Gans; Kamera: Dan Laustsen; Filmschnitt: David Wu; Musik: Joseph Lo Duca; Kampf-Choreograph: Philip Kwok

Frankreich / 2001 ; circa 144 Minuten

Eine gewisse Genialität kann man Filmemacher Christophe Gans ganz und gar nicht abstreiten. Sein Mut zum Stilbruch, welcher aus seiner Affinität zum Hongkong-Kino her rührt, macht seine Großproduktion des ‚Paktes der Wölfe’ zu einem besonderen Ereignis. Was allerdings nicht immer von Vorteil gereicht und nur selten überzeugt. Bereits nach 20 Minuten drängen sich Vergleiche zu der ‚Legende von Sleepy Hollow’, wobei die Legende der Bestie von Gevaudan tatsächlich einen historischen Hintergrund besitzt. So sagt es der Volksmund. Und wirklich lässt der Regisseur seinen Hauptdarsteller Samuel Le Bihan als Gregoire de Fronsac von der Großstadt in die Provinz einbrechen, wie eine gestählte Variante von Tim Burtons Charakterisierung Johnny Depps.

Und wirklich, Christophe Gans scheint genau zu wissen auf was er sich einließ und was er dem Publikum zumuten konnte. Zumindest in den ersten 120 Minuten, dann bricht der Regisseur im eigenen Drehbuch mit seinem Stilbruch, wischt jeden Mythos beiseite und haut dem Zuschauer das Politikum schamlos um die Ohren.

Frankreich steht noch ein paar Jahre vor der Revolution, aber der Unmut im Volke ist unübersehbar. Da kann der König mit einer Bestie in der Provinz Gevaudan wenig anfangen, wenn man ihm vorwirft, nicht einmal mit einem Wolf fertig zu werden, für den die Bestie anfänglich gehalten wird. Die Anfangssequenz nach dem Prolog macht sehr schnell klar, das zarte Gemüter sich den falschen Film ausgesucht haben und zeigt eine der graphisch brutalsten Szenen, welche das Kino der letzten Jahre gezeigt hat.

Wie es Majestäten an sich haben, senden sie ihre besten Männer. Hier ist es Wissenschaftler Gregoire de Fronsac, mit seinem treuen Begleiter Mani (Mark Decascos) an der Seite. Gans und Mitschreiber Stephane Gabel sind sich nicht zu schade Mani auch noch als den wirklich „letzten Mohikaner“ zu präsentieren. Das macht Spaß und bis dahin hat der Film soviel Energie entwickelt, um die abwechslungsreiche Geschichte wie einen Selbstläufer vor sich her zu treiben. Spitzfindige Dialoge und politischer Feinsinn wechselt mühelos mit brutalem Horror und Kampfkunst Action. Ein sehr moderner Genremix, eingehüllt in prächtigen Kulissen und Kostümen, und wie selbstverständlich, einer Landschaft wie sie sich nicht schöner darstellen könnte.

Welch Aufwand und cineastisches Gespür den Machern inne lag, zeigen produktionstechnische Glanzleistungen wie Sintflut artige Regenszenarien und im Schneegestöber verschwindende Landschaften. Nicht zu vergessen, das man auch den warmen Atem der Protagonisten in der kalten Landschaft sehen kann. Und wie es sich seit ‚Barry Lyndon’ für einen ernstzunehmenden Kostümfilm gehört, wurde auch weitgehend mit natürlichen Lichtquellen gedreht. So eine logistische Materialschlacht muss auch bezahlt werden, so schwanken die Angaben zwischen 40 und 60 Millionen Mark, wobei ‚der Pakt der Wölfe’ eher nach letzterer Summe aussieht.

Doch dann verzetteln sich Gabel und Gans mit ihrer Geschichte. Die Kampfszenen bleiben fulminant atemberaubend choreographiert, die düstere wirkungsvolle Stimmung erhalten, aber die Erzählung läuft aus dem Ruder und es erhebt sich der bittere Beigeschmack, das sich der Regisseur von einem wahrhaft unsinnigen Handlungsstrang einfach nicht trennen konnte, der dem Film nur um der Länge her taugt. Ein wichtiger Charakter muss sich viel zu früh dem Heldentod hingeben, um einem Anderen Platz für eine verquaste Abhandlung mystisch überzogener Auferstehungsphantastereien zu machen. Mit etwas mehr Vertrauen in die eigene Geschichte hätte diese Parabel auf die in Frankreich bevorstehenden politischen Ereignisse sehr gut funktioniert. Doch ausgerechnet in der Zielgeraden der letzten halben Stunde werden die Parallelen zu aufgesetzt, rauben viel Schwung und werden eher ungeschickt eingesetzt, anstatt der vorher eingeflochtene Subtilität zu folgen.

Schlimmer noch, das Buch verdrängt den letzten Funken der aufgebauten Grusel-Stimmung mit der unnötigen optischen Präsenz der ‚Bestie von Gevaudan’, welche sich als schlechte Computer-Animation ins Bild drängt und letztendlich auch noch als irdischer Ursprung entlarvt wird. Das kommt nicht nur einfach unerwartet, es macht vieles zunichte, was vorher so genial umgesetzt und aufgebaut worden war. In der Wirklichkeit, insofern es diese gegeben hat, wurden die Ereignisse in der Provinz nie aufgeklärt. Dies wäre eigentlich eine phantastische Gelegenheit gewesen, sich diese Basis für ein weitaus stimmungsvolleres Ende zunutze zu machen. Warum man sich für diesen Weg entschieden hat bleibt umso rätselhafter, da man zum Glück des Zuschauers, nicht einmal Erklärungsbedarf ansah, wie ein nordamerikanischer Ureinwohner und der französische Adel zu den hohen Weihen der asiatischen Kampfkunst kamen.

Mehr noch als der überzeugende, oftmals herrlich überhebliche Samuel Le Bihan, schafft es wieder einmal Vincent Cassel seiner Darstellungskunst ein weiteres Highlight hinzu zufügen. Als ausgemergelter, bleicher Adeliger zieht er mit seiner undurchsichtigen Art alle Register für einen Bösewicht, an dem man einfach Gefallen haben muss. Außer Frage bleibt allerdings, das der heimliche Star in Mark Decascos zu finden ist, der mit Aussehen genauso wie mit seinem körperlichen Einsatz alle schwelgenden Frauenherzen auf sich vereint und jedem neidischen männlichen Zuschauer Respekt abringt.

Natürlich muss im Gesamten ‚Der Pakt der Wölfe’ als gelungener Action-Horror-Kostüm-Film betrachtet werden, der mit sehr viel Mut den Regeln der einzelnen Genres mehr als gerecht wird und diese mit einzigartiger Eleganz ineinander zu verweben versteht. Und wenn auch das Ende zu seinen vorangegangenen 120 furiosen Minuten fast schon ins Enttäuschende absäuft, wird es nur wenige Zuschauer geben, die sich langweilen dürften.

 


 

Pans Labyrinth - El Laberinto del Fauno

Darsteller: Ivana Baquero, Sergi Lopez, Maribel Verdu, Alex Angulo, Doug Jones, Ariadne Gil u.a.

Regie & Drehbuch: Guillermo Del Toro: Kamera: Guillermo Navarro; Filmschnitt: Bernat Vilaplana; Musik: Javier Navarrete; Produktions Design: Eugenio Caballero

Mexiko/Spanien / 2006; circa 120 Minuten


Hauptmann Vidal (Lopez) befehligt in den Wäldern Nordspaniens einen Trupp im Kampf gegen Rebellen, die versuchen gegen das faschistische Franco Regime zu Felde zu ziehen. Vidal ist der geborene Soldat, der geborene Anführer, der geborene Faschist. In dieses kleine, fern der großen Städte gelegene Waldnest, gesellt sich die Familie, in die Vidal eingeheiratet hat. Die junge, Märchen verliebte Ofelia (Baquero) und ihre Mutter, die Vidals ungeborenen Sohn austrägt.

Während Vidal Rebellen jagt und grausam abschlachtet, erkundet Ofelia die umliegenden Wälder und findet ein Labyrinth, in der ihr ein Pan, halb Mensch, halb Ziege, offeriert, die lange verschollene Prinzessin eines unterirdischen Reiches zu sein. Als Ofelia bemerkt, das Vidal lediglich an seinem männlichen Nachkommen interessiert ist und keinerlei Zuneigung zu seiner frisch getrauten Frau und ihrer Mutter zeigt, versucht Ofelia dieser ihr unverständlichen Welt zu entfliehen und nimmt die drei Prüfungen an, die ihr eine Rückkehr in die vergessene unterirdische Welt ermöglicht.

Was zuerst an Guillermo Del Toros Film auffällt, der neben der Regie ebenso das Drehbuch geschrieben hat, sind die klaren Bilder von Guillermo Navarro. Wundervoll ausgeleuchtete Szenerien, in denen jedes Set auch seine eigene Farbgebung besitzt. Zudem verzichtet Navarro auf jede Art technischer Extravaganzen und überzeugt den Zuschauer mit lang stehenden Einstellungen, ruhigen Fahrten und den möglichsten Verzicht wackeliger Schulterkamera. Zudem entzieht sich Navarro jeder Versuchung von epischen Eskapaden, das Motiv der Geschichte über zu ordnen.

Wer gewillt ist, sich auf eine optische Traumreise im Sinne eines visuell anspruchsvollen Tim Burton einzulassen, kommt daher bei 'Pans Labyrinth' nicht wirklich auf seine Kosten. Benutzt Burton seine wunderbar überfrachteten Motive als Erzählstruktur zur emotionalen Bindung, lag es in Del Toros Absicht die Grenzen zwischen grausam, realistischem Terror und kindlicher Fantasiewelt vollkommen auf zu heben. Und das ist ihm durchaus gelungen.

Bis in die letzten 15 Minuten hinein, laufen die zwei Handlungsstränge scheinbar unabhängig voneinander parallel. Es erschließt sich kein Zusammenhang zwischen Ofelias Welt der Fantasie und Vidals grausamen Mordregime, welches in den abgeschiedenen Wäldern eine eher abstrakte Form annimmt, anstatt als ernstzunehmendes Abbild des diktatorischen Faschistentums Francos zu überzeugen. Warum Ofelia den Wunsch verspürt, in das ihr bestimmte unterirdische Reich zurückzukehren, warum sie letztlich diese Fantasiewelt annimmt und akzeptiert bleibt unklar, macht der Film doch Glauben, das sie ihre Mutter und den noch ungeborenen Bruder über alles liebt.

Das durchaus tragische Ende, verwebt unerwartet die beiden Geschichten und Ofelias Handeln beeinflusst Vidals Geschicke, wie umgekehrt. Dies geschieht aber auf eine sehr unbefriedigende Weise, da es Del Toro weder mit seinem Buch, noch mit der Regie geschafft hat, die beiden Welten vorher in Bedeutung und Wirken gegenüber zu stellen. Was bleibt, ist eine typisch schwarz/weiß gezeichnete Geschichte, die frei von jeder Interpretation bleibt und auf beiden Seiten ihr gewollt märchenhaftes Potential auslebt. Ein Märchen für Erwachsene, auf alle Fälle, denn in einigen Szenen ist 'Pans Labyrinth' derart übertrieben grausam, das er seinem Publikum sehr viel Toleranz abverlangt, denn gerade diese grafischen Grausamkeiten stehen nicht unbedingt im Zusammenhang mit den eigentlichen Taten des angeprangerten Regimes.

'Pans Labyrinth' ist ein eigentlich ansehnlicher Film, der sich aber in dem was er sagen und zeigen will zu sehr zurück nimmt. Und er ist nicht konsequent in seiner Absicht als Parabel funktionieren zu wollen. Erfreuen kann man sich dafür an erstklassig technischen Ausführungen, wie Kamera, Ton und visuellen Effekten, die sich einen schnörkellos, unaufdringlichen, aber sehr hohen Standart gönnen.

mainstream


Paranormal Activity

Der Film ist der Versuch einer Rekonstruktion von Ereignissen, die sich im Haus von Katie und Micah ereignet haben. Das Paar hatte beschlossen, stets eine laufende Videokamera mit sich zu führen, um eventuell eintretende paranormale Aktivitäten sofort festhalten zu können, von denen sie scheinbar schon im Vorfeld heimgesucht wurden. Die Kamera war über Nacht auch im Dauerbetrieb an den Computer angeschlossen, um im Nachtsichtmodus lückenlos das Schlafzimmer zu überwachen. Katie und Micah wollten dieses Material dann an den jeweils darauffolgenden Tagen auswerten. 

Der Produzent dieses fertigen Films bedankt sich bei den Familien von Katie Featherston und Micah Sloat für die Bereitstellung der Filmdokumente, die den Verlauf der paranormalen Aktivitäten in ihrem Haus dokumentieren.

Oren Peli hat diesen Film gemacht. Man könnte sagen im Alleingang. Natürlich entsteht ein Film nicht im Alleingang, doch er war es, der sich mit dämonischer Inbrunst diesem seinem Werk verschrieben hatte. In wochenlanger Arbeit brachte er sein Haus soweit auf Vordermann, so dass nur natürliche Lichtquellen beim Dreh gebraucht wurden. Zudem mussten die Darsteller so viel Bewegungsfreiheit haben, dass die von den Schauspielern selbst geführte Kamera bei jeder Einstellung möglichst viel vom Wohnraum einfängt. 

Der Dreh mit Katie Featherston und Micah Sloat fand über sieben Tage meist nachts statt. Herausgekommen sind dabei 70 Stunden Rohmaterial, das der Initiator Peli über ein komplettes Jahr hinweg bearbeitet hat. 2007 war das Werk vollendet. So glaubte zumindest Oren Peli. Der eigentliche Horror sollte für ihn erst kommen, und der nannte sich Hollywood.

Dass der Film 35.000 Dollar gekostet haben soll, beruht allenfalls auf einer Schätzung von Peli selbst, der über die zwei Jahre Produktionszeit so manche Zahl aus den Augen verloren hat. Sicher ist, dass DreamWorks für die Rechte 350.000 Dollar bezahlte. Paramount sollte aus PARANORMAL ACTIVITY sofort ein Remake machen, ohne eine vorherige Veröffentlichung des eigentlichen Films. Man hatte sogar schon beschlossen, dass das Original als Bonus auf die DVD des Remakes gepackt werden sollte. 

Auf dem American Film Market 2008 schließlich, wo sich sonst nur Verleiher und Kinobetreiber tummeln, steckte man zu den interessierten Käufern noch ein ausgewähltes Publikum von 300 Teenagern in PARANORMALs Vorführung. Paramount hatte keine Ahnung, wie man sonst mit dem Film für eine internationale Verwertung umgehen sollte. Der Aktionismus durch Ratlosigkeit ging auf, als sich der Film innerhalb von 48 Stunden in alle Welt verkaufte. Ein Novum.

Die große Stärke von Orin Pelis Film liegt zweifelsfrei bei den Darstellern. Die über ein gewöhnliches Casting angeheuerten Featherston und Sloat müssen sich, dank ihrer unglaublichen Natürlichkeit, immer wieder eine Beziehung auch im wirklichen Leben nachsagen lassen. Sie nur leicht übergewichtig, er manchmal ein ignoranter Trottel, geben das perfekte All-American-Couple. Sie sind miteinander vertraut und sie lachen viel, betrachten manchmal auch ihre gemeinsamen Erlebnisse mit einem hilflosen Schmunzeln. Und wenn dann unscheinbare Worte plötzlich einen heftigen Streit auslösen, dann besitzt das eine erschreckende Ehrlichkeit. Die Schauspieler lassen den Zuschauer die unglaubliche Anspannung, die tief in ihren Figuren brodelt, richtiggehend spüren. 

Das macht einen wirklich guten Film aus. Solche Darsteller. Und die Dunkelheit. Dunkelheit ist ein starker Verbündeter der Angst. Was Peli mit seinen Zuschauern macht, ist so simpel, dass sein Glaube an die Durchführbarkeit dieses Projekts schon an ein Wunder grenzt. Es ist die Dunkelheit, in der nicht nur die Protagonisten ihren Alptraum erleben. Es sind die Szenen, die das Publikum packen. Immer und immer wieder. Die Einstellungen mit der im Schlafzimmer fest installierten Kamera beschwören das Unheil herauf. Der Zuschauer darf sich erst bei den Tag-Szenen wieder von seiner Anspannung lösen. Es entsteht ein Rhythmus, der in der ersten halben Stunde sehr gemächlich wirkt.

Orin Peli erhöht erst unmerklich, dann mit sadistischer Freude immer expliziter die Taktzahl. Die Nacht ist sein Verbündeter. Ob männlich oder weiblich, ob jung oder alt, der Respekt vor der Dunkelheit ist bei jedem vorhanden. Dieses schutzlos schlafend im Bett liegen. Häuser und Wohnungen mit ihren eigenen spezifischen Geräuschen. Könnte es etwas Bedrohliches sein? Das nächtliche Knacken in den abkühlenden Heizungsrohren, sind das am Ende gar nicht die Heizungsrohre?

Das Massenerlebnis wird zur Massenhysterie. Seit langem wieder ein Film, der im Kino gesehen werden muss, nicht seiner Größe wegen, sondern wegen der kollektiven Angst. Kein wohliger, kein erwartungsvoller Schauer, der einen überkommt. Es ist entnervtes Stöhnen, wenn wieder eine Aufnahme im Nachtsichtmodus beginnt. Was jetzt schon wieder? Die Abstände von Tag- zu Nachtszenen werden immer kürzer. Und in jeder Nacht steigern sich die Geschehnisse. Reiner, unverfälschter Horror.

Ein Film wie dieser polarisiert natürlich. Wo dem einen schlaflose Nächte beschert werden, beschweren sich andere über den Mangel an Gehalt. Wie auch immer man diesen Gehalt definieren möchte. Und das ist auch in Ordnung, wer sollte sich darüber beschweren. Paramount am wenigsten, schließlich hatten die den Film ganz in die Hände der Fans gelegt. Und der Fan des gestandenen Horrors ist ja bekanntlich nicht leicht zufriedenzustellen. Aber es können sich noch so viele Freunde abgetrennter Körperteile den ausgebliebenen Blutfluss als langweilig bezeichnen, PARANORMAL ACTIVITY ist in seiner Eigenschaft als gemeinschaftliche Erfahrung effizient genug, um über allen gerecht- oder ungerechtfertigten Vorwürfen zu stehen. Und wer bereit ist, sich dieser Erfahrung zu stellen, dem Erlebnis offen gegenüber zu sitzen, der sollte gewarnt sein. 

Paramount hat seinen Weg gefunden, in dem mit PARANORMAL sehr tief gestapelt wurde. Dreizehn amerikanische Universitätsstädte, nur die Mitternachtsvorstellungen. Die nachttriebigen Studenten standen Schlange. Und die meisten wünschten, sie hätten das nicht getan. Die gewöhnliche Werbung blieb aus. Twitter, Facebook und Nachtsicht-Aufnahmen des reagierenden Publikums auf YouTube besorgten den Rest. Durch die Unbeholfenheit der Vermarktungskünstler generierte sich in kürzester Zeit ein Phänomen. Das Phänomen beschrieb sich nicht nur durch das Genre des Films, sondern hauptsächlich durch das Gemeinschaftserlebnis. Die Mitternachtsvorstellungen waren immer ausverkauft. Keiner der bestens bezahlten Analysten von Hollywood hätte gewagt, eine derart hohe Ausbeute trotz so weniger Standorte auch nur zu erträumen.

Nun hat der Amerikaner ein besonderes Händchen, Mundpropaganda zu betreiben. Der Amerikaner sagt: „You gotta see this. That shit scared the hell outta me”. Und das war es dann auch. So funktioniert schließlich auch ein Film, über den man am besten überhaupt nichts weiß und noch weniger vermutet. Der Deutsche verspürt ja eher den Drang zu sagen: „Hast du diesen Film gesehen, wo sie so tun, als wäre es eine Dokumentation?“ Bumm, der Saft ist raus. Ein nicht zu verharmlosendes Problem, das einem Film außerhalb Amerikas widerfahren könnte. Doch damit begeben sich die Feuilletons in eine missliche Lage. Das Ignorieren einer kulturellen Kuriosität wäre fast schon als fahrlässig zu bezeichnen, noch dazu, wenn man diese zu fördern gedenkt. Man sollte sich damit trösten, dass anderweitig schon zu Tode diskutiert wurde, was längst jede Unvoreingenommenheit im Keim erstickt hat.

BLAIR WITCH PROJECT war eines dieser Phänomene, das sich durch den Erfolg selbst demontiert hatte. Dadurch und durch das deutsche Unvermögen, Filme angemessen synchronisieren zu können. Beide Filme verbindet eine identische Geschichte. In erster Linie behandeln sie unsere Ur-Ängste. Sie sind mit unglaublich geringem Budget gedreht. Die Figuren tragen die realen Namen ihrer Darsteller. Das Internet hatte sich zum perfekten Werbeträger novelliert. Und beide sind zu ihrer Zeit die profitabelsten Filme der Geschichte geworden. Unumstößliches Vertrauen in das eigene Projekt macht sich manchmal eben doch im wortwörtlichen Sinne bezahlt.

Am Ende dieser Zeilen hat sich die Schlange natürlich selbst in den Schwanz gebissen. Doch es mag vielleicht auch sehr tröstlich sein, dadurch den einen oder die andere vom Besuch dieses Films abgebracht zu haben. Denn PARANORMAL ACTIVITY ist kein Film für Menschen, die bei Anbruch der Dunkelheit in jedem Zimmer, in das sie gehen, das Licht anmachen. Und keinesfalls ist er für Leute, die vor ihrer neuen Liebe nur den strammen Max rauskehren möchten, weil sie spätestens dann alles bitter bereuen werden, wenn sie alleine ins heimische Bett kriechen müssen. Ja, ja, es gibt die Zuschauer dort draußen, die vorgeben, gelangweilt gewesen zu sein. Oder solche, die einfach nur unbeeindruckt sein werden. Aber die meisten, das darf als später nicht nachprüfbares Versprechen gelten, die meisten werden sagen, was tausende andere schon meinten, „this shit scared the hell outta me“.

 


 

Passwort: Swordfish: - Swordfish

 

Darsteller: Hugh Jackman, John Travolta, Halle Berry, Don Cheadle, Vinnie Jones, Sam Shepard, Drea de Matteo u.a.

Regie: Dominic Sena; Drehbuch: Skip Woods; Kamera: Paul Cameron; Filmschnitt: Stephen Rifkin; Musik: Christopher Young

USA / 2001 ; circa 99 Minuten

Verlangsamte Kamera mit Highspeed Jump-Cuts scheinen so etwas wie ein Muss im heutigen Kino zu sein. Eine hoch stilisierte Technik welche auch ‚Swordfish’ zu einem rasanten, wenn auch nicht makellosen Augenschmaus werden lässt. Zudem ist es doch von Film zu Film interessanter, welche gnadenlose Frisur Travolta diesmal zu Schau tragen wird.

Wegen der „aktuellen politischen Situation“ war der Bundesstart von ‚Swordfish’ auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Zeit heilt alle Wunden und von Anteilnahme bis zum Geldverdienen ist es ja auch nicht weit. Nur eigenartig, das es keinen anderen Film im Moment mehr zustehen würde, aus Rücksicht und Anteilnahme zurück gestellt zu werden. Als High-Tech Terrorist Gabriel brilliert John Travolta mit einem ungemein bösartigem Zynismus, dass die aufkommende Schadenfreude darüber schon als gemeingefährlich bezeichnet werden darf. Dominic Sena hat letztes Jahr mit ‚Gone in 60 Seconds’ vollkommen daneben gelegen, hat weder Spannung, noch Action richtig aufbauen können und scheint daraufhin von Produzent Joel Silver einmal richtig an die Brust genommen worden zu sein. Da ist zum einen ‚Matrix’, mittlerweile Pflichtprogramm für Action-Regisseure, der mit Kameratricks und Farbgebung eindeutig Pate stand. Dann ist da noch ‚M:I-2’, der nicht gelungen, aber sehr erfolgreich war und mit überproportionierten Stunts wenigstens etwas für Laune sorgte. In diesem Sinne hat ‚Swordfish’ einen guten Stand, weil sehr gut kopiert.

Gabriel ist also der Terrorist, der den besten Hacker der Welt Stanley (Jackman) zu sich gerufen hat, um von einem geheimen Regierungs-Fond 9,5 Milliarden Dollar ab zu ziehen. Gabriels Freundin Ginger (Berry) gibt sich alle Mühe, mit ihren aufdringlichen Reizen, den unter Beobachtung des FBI stehenden Stanley zum Coup zu überreden. Das Stanley der herzensgute All-American Guy ist, der nichts sehnlicher wünscht, als wieder mit seiner Tochter zusammen sein zu dürfen, mindert dabei den Spannungsbogen leicht. Seine Handlungen und Hintergründe sind allzu leicht vorhersehbar. Doch Travolta sorgt für Ausgleich und zieht erst einmal konsequent alle Aufmerksamkeit auf sich. Sein Top-Terrorist, der Amerika von allem anderen radikalen Abschaum befreien möchte, ist zynischer und gewissenloser, als andere Psychopathen in ähnlichen Zelluloid-Knüllern. Da werden ganz einfach Dutzende von Geiseln genommen und zu lebenden Bomben ausstaffiert. Währenddessen kann sich der Strippenzieher Gabriel noch mit dem FBI auf eine Tasse Kaffee zusammen setzen. Letztendlich gipfelt der Showdown in einem fliegenden Bus zwischen den Wolkenkratzern von Los Angeles, ohne Rücksicht auf Menschenleben.

Dazwischen rutscht immer wieder mal Leerlauf, denn viel zu entwickeln gibt es nicht bei den Charakteren, die schon so vorbestimmt sind, das eigentlich ungetrübtes Action-Abenteuer angesagt sein müsste. Noch ein, oder zwei Filme mehr und Dominic Sena bekommt den richtige Rhythmus für das Genre in den Griff. Bei ‚Swordfish’ jedenfalls wartet der Zuschauer manchmal schon etwas zu lange auf den nächsten Knüller. Und Knüller gibt es reichlich, diese wiederum kann Sena sehr perfekt umsetzen. Da gibt es einen 360 Grad Kameraschwenk um einen explodierenden Straßenzug, oder eben jenen unter einem Hubschrauber hängenden Bus, der schnell einmal ein Bürogebäude um ein Stockwerk erleichtert. Das die Sequenzen teilweise so überzogen sind, outet ‚M:I-2’ umgehend als zweiten Paten von ‚Swordfish’, macht aber das Anliegen der Macher schnell klar, das es um Action der Action wegen geht und nicht der geringste Anspruch auf denselbigen geltend gemacht werden soll. Travolta hat sichtlichen Spaß, Jackman wirkt manchmal etwas langweilig und Berry darf endlich mal ihre nackte Oberweite in die Kamera wackeln. Die Kamera kommt selten zur Ruhe und die Special Effects Menschen hatten alle Hände voll zu tun, was sich in überzeugenden visuellen Tricks beweist. Der Zuschauer kommt dabei sehr gut weg und kann ohne weiteres behaupten, tatsächlich unterhalten worden zu sein. Das es wesentlich Besseres im großen Topf den Genres zu sehen gibt, sollte dabei keine allzu große Rolle spielen, denn es gibt auf der anderen Seite auch sehr viel schlechteres.

 

 

Der Patriot:

Darsteller: MEL GIBSON, HEATH LEDGER, JOELY RICHARDSON, JASON ISSACS, CHRIS COOPER, TCHEKY KARYO u.a.;

Regie: ROLAND EMMERICH; Drehbuch: ROBERT RODAT; Kamera: CALEB DESCHANEL; Musik: JOHN WILLIAMS; Set-Designers: RANDY WILKINS, CHAD S. FREY, GREG PAPALIA, NOELLE KING, SLOANE U'REN

USA 2000, circa 164 Minuten

Über so manchen Pathos kann man bei einem Science-Fiction-Getöse hinweg sehen. Die wissenschaftlichen Ungereimtheiten bei einem Monster-Spektakel tragen sogar mehr zum Unterhaltungswert bei. Ja der Roland macht schon so seine ganz eigenen Filme. Doch hätte jeder Produzent stutzig werden müssen, als sich der Hollywood-Schwabe an einen amerikanischen Historien-Stoff machte. Aber eine von den Geldgebern war, wie schon die gehaltlosen Filme vorher, Schwesterchen Ute. Die halbe Miete war drin. Und da Roland alles an Land ziehen kann, was in der Filmwelt einen grösseren Namen hat, holte er sich seine zweite Hälfte der Miete mit Mel Gibson auf die Leinwand.

Das war es aber leider nicht ganz. Immer wieder beschwört Emmerich seine vielen Historiker herauf, die so pedantisch darauf achteten, das im Kampfgetümmel und Schlachtenzauber alles seine geschichtliche Richtigkeit hat. Das mag seine Berechtigung haben, dennoch bleiben die szenischen Darstellungen von den Auswirkungen fliegender Kanonenkugeln auf den menschlichen Körper die interessantesten Szenen, was an sich schon äusserst bedenklich ist. Den Namen seines Hauptcharakters hat Emmerich doch noch schnell geändert. Schienen die Historiker an der historischen Figur, und somit dem 'Guten' im Film, keinerlei Fehlinterpretation feststellen zu können. Am Ende entpuppte er sich schliesslich doch als begeisterter Schlächter von Ureinwohnern. Faux-Pas am Patrioten-Himmel.

Eigenartigerweise präsentierte schon der 'Gladiator' einen Held aus grauer Vorzeit, der durch den Verlust seiner Familie zum Schlächter wird. Ridley Scott zeigt einen ungeschöhnten Berserker, der die Lust am töten findet. Mel Gibson macht bei jedem Abschuß eines Briten ein Gesicht, das längst nichts mehr mit Schmerz, oder den Kampf mit den inneren Werten zu tun hat. Der 'Gute' ist so gut, das er das Publikum erheitert. Dafür wird dem bösen Jason Isaacs soviel Klischee aufgeladen, das er langweilt. Wie schon erwähnt, holt sich Emmerich immer die Besten, aber was er ihnen zu tun gibt, erstickt im Überfluss dessen, was man dem Zuschauer zumuten darf.

Eigentlich hätte Gibson schon beim lesen des Drehbuches wissen müssen, das er nichts anderes tun wird, als eine Neuauflage seines eigenen ‚Braveheart‘. Aber es bleibt sehr schwer zu erklären, was ‚Braveheart‘ um so einiges spannender machte. Der ‚Patriot‘ hingegen kämpft sich ungehindert zu jeder Lächerlichkeit durch. Robert Rodats Drehbuch von ‚Saving Privat Ryan‘ hatte gerade mal mit seiner Eingangs- und Schlußsequenz über die Stränge geschlagen, aber ansonsten einen wirklich knallharten und ungemein realistischen Kriegsfilm aufgezeigt. Da wirkt es um so verwunderlicher, das der selbe Mann im ‚Patriot‘ Sätze aufs Papier gebracht haben soll, die oft jeder Beschreibung spotten. „Meine Tochter hat gesprochen? Verdammt, und ich war nicht dabei,“ ist im Angesicht der dargestellten Zeit noch eines der harmlosesten Beispiele wie schamlos schnulzig und doch so modern Emmerich seinen Film gesehen hätte.

Wie technisch brillant der Film auch sein mag, seine grandiose Kamera, die hervorragenden Kostüme und der beispielhafte Schnitt können nicht über die qualvollen Klischees und hirnrissigen Handlungsabläufe hinweg täuschen. Wenn sich in der Dunkelheit bekämpfende Truppen wie gespenstische Schatten, nur durch Mündungsfeuer sichtbare Gestalten, der Martin Farm nähern, erreicht der Patriot kurzzeitig ein Level von dem, was er hätte werden können. Doch bleibt so ein Beispiel nichts weiter als eine Seifenblase.

‚Godzilla‘ hat in seiner Kälte und Gefühllosigkeit mehr Spass gemacht und ‚ID 4‘ ist mit seinem krankhaften Hurra-Patriotismus angenehm zu ertragen. ‚Der Patriot‘ ist weder sein Geld, noch die Zeit wert.

 

 

Pearl Harbor

Darsteller: Ben Affleck, Josh Hartnett, Kate Beckinsale, Alec Baldwin, Dan Aykroyd, William Lee Scott, Michael Shannon, Tom Sizemore, Jon Voight, Colm Fore, Mako u.v.a

Regie: Michael Bay; Drehbuch: Randall Wallace; Kamera: John Schwartzman; Filmschnitt: Chris Lebenzon, Steven Rosenblum, Mark Goldblatt, Roger Barton; Musik: u.a. Hans Zimmer; Visuelle Effekte und Animationen: Industrial Light & Magic

USA / 2001 ; circa 182 Minuten

1. Der Macher

Eine melodramatische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund eines weltgeschichtlichen Ereignisses. Ein Melodram, das Entsetzen, ein zeitgeschichtliches Dokument, die Tragödie, der totale Krieg. Und bei nichts von all dem trifft Regisseur Michael Bay wirklich den Nerv. Größe wollte er demonstrieren und weit in unsere Herzen vordringen. Was bei Top Gun funktioniert hatte, mußte doch wieder gelingen, was Titanic zur Macht verhalf, mußte doch zu wiederholen sein. 'Size does matter', tönte Emmerichs Godzilla und eben jene Größe die angeblich doch zählt hat ihn untergehen lassen. Michael Bay hat daraus nicht gelernt, sich nicht einmal im geringsten angesprochen gefühlt, nur weil er sich scheinbar weigerte die Kritiken zu seinem Armageddon zu lesen und sich nur auf die Einspielergebnisse verlassen hat. Michael Bay ist einer der trotz aller Diskussionen und Streikwarnungen auf den Besitztitel Ein Michael Bay Film besteht, und bei keinem anderen Film in den letzten Jahren ist dieser Titel zutreffender. Pearl Harbor ist sein Film und Kumpel Jerry Bruckheimer hat ihm geholfen, hat dafür gesorgt, das alles so bleibt, wie in allen Bruckheimer Produktionen. Laut, übertrieben, noch lauter und überstrapazierend geschnitten. Pearl Harbor wird sehr viel Geld einspielen und unglaublich viele Menschen in die Kinos locken, aber Pearl Harbor ist wie der historische Angriff eine Demütigung für Amerika darstellt, eine Schmach für all die großartigen Melodramen der Filmgeschichte. Das Scheitern der Amerikaner in Pearl Harbor war Kalkül, das Scheitern von Pearl Harbor als Film ist Überheblichkeit. Es ist mit Sicherheit ein Film von Michael Bay und Michael Bay hat an den wichtigsten Frontabschnitten versagt.

2. Das Geflecht

Was die Freunde Rafe McCawley (Affleck) und Danny Walker (Hartnett) als beste Freunde zusammen schweißt, erzählt ein zehn Minuten Prolog und damit war es zu weiteren Charakterisierungen zu Ende. Jahre später haben sie sich ihren Traum vom Fliegen erfüllt und ob, oder wie sie sich verändert haben bleibt unbeantwortet. Wer hat welche Schwächen, oder Stärken? Rafe und Danny könnten Zwillinge im Geiste sein, sind aber nur Stereotyp. Jetzt stehen sie im Dienste des Vaterlandes, um genau zu sein, ist es Frühjahr 1941 und Amerika sträubt sich immernoch beharrlich in den Krieg ein zu treten. Was der Film ebenfalls beharrlich verschweigt ist schon die erste historische Verdrehung, die Bruckheimer / Bay mit Randall Wallace Drehbuch noch ins Extreme verzerren werden. Denn gerade mal 3 Prozent der amerikanischen Bevölkerung hätten einen Kriegsbeitritt befürwortet. Der vernünftige, ehrliche Rest von 97 Prozent sah es als europäisches Problem an, was jenseits des Ozeanes passierte. Vielmehr stand die Meinung hoch im Kurs, den Engländern, genauso wie den Deutschen Waffen zu verkaufen um doppelt abschöpfen zu können und die Wirtschaft ohne Verluste Mit Krieg an zu kurbeln. Aber bei Sätzen wie "es ist nicht der Drang nach dem Tod, sondern nach der Tat", wäre die Wahrheit einfach viel zu schwierig verständlich zu machen. Für das politisch Korrekte und die geschichtliche Wahrheit ist immernoch Thirteen Days verantwortlich und das auf allen Ebenen mit weit höherem Niveau.

3. Das Schicksal

Ein paar Wochen vor Rafes Abberufung nach England lernt dieser die Krankenschwester Evely (Beckinsale), in einer unglaublichen Abfolge von knalligen Lachern, kennen und lieben. Dieses Kennenlernen als Rückblende erzählt, bleibt die einzige Sequenze, die ein wirkliches Eigenleben besitzt und im Erzählton, wie Inszenierung überzeugen kann. Zu allem Unglück wiederfährt auch Evelyn und ihrem Haufen von wuscheligen Krankenschwester-Freundinnen das Schicksal unausgereifter Tiefe. Kein Hintergrund, keine Motivation. Wo will sie hin, was hat sie vor. Ein Haufen Hühner, die nur von Männern und der schnellen Liebe gackern. Anders ergeht es Rafe und Danny auch nicht, die gerade soviel Charakter zugestanden bekamen, damit der Zuschauer nicht vergisst, das Beide leidenschaftliche Flieger sind. Rafe geht nach England, wird abgeschossen, in einer ersten, kurzen Sequenz die spektakulär verkündet, was noch kommen mag, und bleibt für tot erklärt der Heimat fern.

4. Der Hintergrund

Unterdessen unternimmt Bay immer wieder Abstecher nach Japan und ins Weiße Haus, versucht dabei soetwas wie eine faktische Sammlung auf zu bauen, ohne wirklich konkret zu werden, oder zu versuchen eine komplette Übersicht zu erzielen. Wahrscheinlich waren Autor wie Regisseur schlichtweg überfordert, aus dem politischen Hin und Her, den diplomatischen Verbindungen und hinterhältigen Machenschaften zusätzliche Spannungselemente ab zu gewinnen. Ein eigentlich wichtiger Punkt, der letztendlich darin gipfelte, das der Flottenstützpunkt im Pazifik angegriffen wurde. Unterschwellig verbreitet der Film selbstverständlich und selbstgefällig, wie das stolze, tapfere und ehrenhafte Volk der Patrioten von den kleinen fiesen Gelben auf infamste weise gedemütigt wurde. Hinterhältig und ohne Stolz.Wer im Kino kurz mal hustet, überhört, das es da ein Ölembargo der Amerikaner gegen Japan gab. Wer nicht geschichtlich belesen ist, wird kaum erahnen, das die Regierung nur auf einen Vorfall wie im Südpazifik gewartet hat, damit die Forderung von 97 Prozent des Volkes nach einer Neutralität im Krieg aufgehoben werden konnte. Die im Film von Captain Thurman (Aykroyd) dargebrachten Warnungen, werden als reine Spekulation eines übereifrigen Paranoikers abgetan. Der Film lügt nicht, aber er macht nicht im geringsten deutlich, das Thurman einfach nur ruhig gestellt werden muß, damit der erhoffte Grund für einen Kriegsbeitritt gewährleistet wird. Michael Bay hält dabei die amerikanische Flagge höher als dereinst in Armageddon. Was dabei an Gesten, Inszenierungen und Dialogen heraus kommt, wirkt auf jeden Europäer nur peinlich, oder mit höchstem Spaßfaktor. Als Propaganda-Werk hätte es in den vierziger, oder fünfziger Jahren noch einigermaßen Erfolg gehabt.

5. melodramatisch

Während Evelyn sich im Herzschmerz windet, den angeblichen Toten betrauert, findet Danny im sonnigen Pazifik langsam einen Weg zu ihrem Herzen. Welch ein melodramatisches Glück, das ihre Krankenschwester-Schwadron ebenso wie Dannys Staffel gleichzeitig nach Pearl Harbor verlegt wurden. Und auch hier geht jede Art des subtilen Erzählens an der eigenen Größe zugrunde. Die Herzen der Zuschauer dürfen nicht eingenommen, sondern müßen überrannt werden. Der Regisseur würde mit seinem Unvermögen langweilen, wäre da nicht der Grund für die hohen Produktionskosten und den überragenden Zuschaueranteil. Mit einem verklärenden Blick zur aufgehenden Sonne und in stilistischen Zeitlupenaufnahmen, starten die Japaner zu ihrem Überraschungsangriff. Hier entfaltet sich der ästhetische Rausch von Michael Bay zu voller Größe. Bilder stürzen auf den Zuschauer ein, für die Leni Riefenstahl heute noch verteufelt wird. Im Bodenflug durch die majästetischen Hügel Hawaiis, über eine Baseball spielende Gruppe Kinder, über eine Wäsche aufhängende Hausfrau. Es ist Sonntag Morgen, um 7.45 Uhr beginnt der Angriff. Während sich also in der wirklichen Welt das Volk darauf vorbereitet in die Kirche zu gehen, wurde im Film schon eine Trog Wäsche gewaschen und ein Baseballspiel begonnen. Die Wirklichkeit wird einfach für schöne Bilder ersetzt.

6. Da ist das Geld

Hat man noch mit Entsetzen den patriotischen Schmachtfetzen gelauscht, sich an die Stärke, und Überlegenheit der Amerikaner geklammert, donnert einen Hans Zimmers bombastische Musik auf die Seite der Japaner, mit solcher überwältigendem Deja-Vu, das man erwartet Russell Crowe müßte gleich als Gladiator ein Kriegsschiff mit blossen Händen ins Meer drücken. Pearl Harbor kommt zu dem Punkt, wo er hält, was er in teuerster Manier versprochen hat. Die Kamera ist immer dabei, folgt den Torpedos, fliegt vor den Flugzeugen, zwischen den explodierenden Schlachtschiffen. Die Kamera ist unter Wasser, oder stürzt sich von den Wolken hinunter auf das chaotische Inferno. Soldaten werden von flammensäulen verschluckt, oder von Bomben zerrissen. Aber niemals Blut, man braucht das Publikum ab 13 Jahren. 80 Minuten hat sich der Film mit einer uninspirierten Liebesgeschichte aufgehalten. Zwei Stunden lang haben die Japaner Pearl Harbor bombadiert. Michael Bay entschädigt uns mit 40 Minuten Krawall und Getöse, mit explodierenden Leibern und Flugzeugen. Aus der Vogelperspektive stürzen sich immer wieder die japanischen Zeros, oder donnern nur einen Meter über das Wasser, zwischen flammenden und, oder sinkenden Schiffen. Menschen werden erschlagen, sie ertrinken, werden von Maschinengewehrsalven zerfetzt. Nicht einmal lassen sich die digitalen Effekte aufspühren. Flugzeuge stürzen in Gefechtsstände, oder rasieren die Brücke eines Schiffes. Von kenternten Schiffen stürzen Soldaten metertief mit ekelerregenden Soundeffekten auf die Schiffsschraube. Zwischendrin füllt sich sich das Hospital, die Krankenschwestern kommen zu ihren ersten, sie überfordernden einsätzen. Besonders Evelyn macht mit einfallsreichen Gimmicks auf sich aufmerksam, schreibt mit Lippenstift, bindet mit ihren Nylonstrümpfen Wunden ab, füllt gespendetes Blut in Colaflaschen und schreit einen Arzt in heroischer Überlegenheit an, was er zu tun hätte. Verwundete Soldaten werden noch vor dem Eingang des überfüllten Hospitals aussortiert. Wer Leben darf und wer nicht, bestimmt ein einziger Blick. Wer im qualvollen Schmerz stirbt, rettet ein anderes Leben. Und der Zuschauer schreit nach mehr, er wurde hineingerissen in die Übermacht der Effekte, in die suggestive Orgie von Vernichtung. Das in diesen vierzig Minuten gnadenlosen Bombardements alle Sympathien ausgeschaltet wurden, wird erst hinterher bewußt. Wenn fliehende Soldaten zu Dutzenden auf den Rollfelder ihrer Flugplätze von Kugel der feindlichen Maschinen dahin gerafft werden, schafft Bay keinerlei Dramatik, sondern eine spektakuläre Ästhetik des Sterbens. Und wenn die Kamera nach oben wegfährt, das Gesamtbild der Zerstörung mit all seinen im Wasser schwimmenden Toten offenbart, sieht man überhaupt nichts schreckliches am Krieg ansich, es sieht einfach nur gut aus.

7. Sehen wir richtig?

Die durch die beiderseitige Liebe zur selben Frau getrennten Freunde, finden in ihrer schwersten Stunde natürlich wieder zusammen. Nur unbestätigten Berichten zur Folge soll es einigen Piloten gelungen sein, mit unbeschädigten Maschinen einen aussichtslosen Kampf aufgenommen zu haben, wenigsten ein paar Japaner vom Himmel zu holen. Man konnte es sich nicht verkneifen, diese unbestätigte Tatsache auf die Helden Rafe und Danny zu beschränken. Da unternimmt der Film einen zum scheitern verurteilen Versuch, die 27 zerstörten Flugzeuge der Japaner, von insgesamt 350, auch noch als Triumph der Amerikaner hin zu stellen. Wie es üblich scheint, in dem in den letzten Jahren aufgekommen Schnitt-Stil, verliert auch Pearl Harbor jeden logistischen Standpunkt. Es werden keine Hinweise geliefert, was, wo und wieviel eigentlich zerstört wurde. Das Stakkato des Schnittes ist bestimmend. Anstatt sich der Macht der Bilder zu ergeben und zum Beispiel die Pracht des nahenden Flugzeuggeschwaders in längeren Einstellungen auf den Zuschauer wirken zu lassen, wird schnell von Szene zu Szene geschnitten. Es macht den Eindruck, als würden die Produzenten ihren eigenen Bildern nicht vertrauen. In den ohrenbetäubenden 40 Minuten der japanischen Attacke, macht sich große Orientierungslosigkeit breit. Man ergötzt sich an Torpedos, die durch schwimmende Soldaten rauschen, oder immer wieder der selben Einstellung, wenn die Kamera im Höllentempo den Fliegern hinterher jagt, aber es wird kein Versuch unternommen, dem Zuschauer eine Übersicht der Ereignisse zu vermitteln. Nach 20 Minuten ist endgültig die Luft raus und man betrachtet das Geschehen auf der Leinwand eher mit Routine, als mit den überraschten Augen eines Kindes.

8. Helden wie wir

Bis dahin wäre dem Publikum ein amüsanter, zuweilen unfreiwillig komischer Film präsentiert worden. Annehmbar spektakulär und verzeilich in die Länge gezogen. Anschauen, Spaß haben und vergessen. Länge und Langweile kann man in Kauf nehmen, ein dilletanter Anfang für ein furioses Ende. Aber Michael Bay stolpert über seine eigene Geschichte und verzettelt sich noch weit mehr als schon vorher, in einer dringend notwendigen Auflösung der untragbaren Dreiecksbeziehung. Die Schrecken des Schreckens sind schnell vergessen, weil man in einem richtigen Krieg auch einen richtigen Vergeltungschlag braucht. Die tapferen Top-Gun Piloten Danny und Rafe sind auserkoren den legendären Angriff auf Tokio mit zu fliegen. Danny rettet Rafe das Leben, dann umgekehrt, dann wieder andersherum und soweit hin und her, bis sich im Eifer der Schlacht geklärt hat, wer denn nun das Mädchen bekommt. Alles im allen ist die letzte Stunde gelinde gesagt vollkommen überflüssig, unspektakulär, absehbar, spekulativ und uninteressant. Zusätzlicher Ballast für ein bis dahin geduldsames Publikum.

9. Titanic

Wenn immer das Gespräch auf Titanic kam, jenen Film der allen das Fürchten lehrte, lenkte Jerry Bruckheimer sofort in eine andere Richtung. Michael Bay soll sogar etwas zickig reagiert haben, wennimmer der Titel von James Camerons Film in irgendeinem Zusammenhang gefallen war. Direkt auf Titanic, oder einen Vergleich angesprochen, wiesen die zwei Krawallbrüder alles als Quatsch, Unsinn und Gerücht von sich. Bisweilen fiel sogar ein arrogantes "Titanic ist eine moderne Geschichte, wir erzählen eher ein altmodisches Liebesdrama'. Damit ist wohl alles gesagt. Das der entscheidente Teil von Pearl Harbor doch im selben Wassertank in Mexico wie Titanic gedreht wurde, macht die Sache kompliziert. Natürlich müssen sich alle die Vergleiche gefallen lassen und je hartnäckiger alles verneint und abgestritten wird, desto intensiver gestalten sich diese Vorwürfe. Michael Bay hat auch allengrund hartnäckig zu bleiben. Bay muß mit allen Mitteln versuchen diese Vergleiche los zu werden, denn er muß sehr bald erkannt haben, das James Camerons Epos funktionierte, während seine Figuren die Ausstrahlung Bomben-Blindgängern haben, groß aber ohne Zündung. Cameron gab seinem Päärchen diese kleinen Momente, diese intensiven Augenblicke, still und nur mit der Kamera eingefangen, unaufdringlich und ehrlich. Wie die Szene wenn Leonardo DiCaprio Kate Winslet nur mit dem Amulett bekleidet zeichnet. Michael Bay gibt seinen Turteltäubchen gar nichts, ausser Geschwafel und viel Geschwätz. Wo verstohlene Blicke ehrlicher wären, werden die Schauspielern mit Dialogen zugekleistert, die jeder Beschreibung spotten. Altmodisch wollten sich Michael und Kumpel Jerry geben, darin sind sie gnadenlos gescheitert. Cameron mußte keine Lügen erzählen, Cameron mußte nichts verdrehen, Cameron wußte worauf es ankam. James Cameron hat das Wesentliche wieder entdeckt und wirklich altmodisch umgesetzt und damit einen der modernsten Filme unserer Zeit geschaffen. Da spielt es keine Rolle, ob einem Titanic gefällt, oder nicht. Danny Walker, Rafe McCawley und die süße Evelyn haben keinen Hintergrund, keine Träume und noch viel weniger Ausstrahlung. Mitunter ist Beckinsale schlichtweg zum anbeissen, aber was sie charakterlich liebenswert macht, weis das Drehbuch und die Regie gut zu verstecken. Dafür gibt es viel mehr Nebel und weit lautere Musik. Affleck und Hartnett können kleine Mädchen zum Schwärmen bringen, aber den draufgängerischen Piloten kauft man beiden genauso wenig ab, wie den schmachtenden Liebhaber. Das liegt keineswegs nur an den Leistungen der Darsteller. Bay wußte eben einfach nichts mit ihnen anzufangen. 135 Millionen Dollar mußte er rechtfertigen und irgendwie mußte er die Geschichte nach Pearl Harbor leiten. Niemand wollte glauben, wie genial Cameron seine Protagonisten vor dem Hintergrund des sinkenden Schiffes einbauen konnte. Was Titanic zu recht zum bis heute teuersten Film macht, ist der frenetische Wahnsinn, mit dem Cameron die Wahrheit zeigen wollte, alles akkurat und geschichtlich korrekt anlaufen zu lassen und er konnte auch den zeitlichen Ablauf der Tragödie für den Zuschauer auf die Leinwand übertragen. Cameron ist ein Visionär für das Epos ansich. Bay möchte auch einer sein, visualisiert aber nur den Moment und fügt alles lose zusammen, da bleiben am Ende nur Zugeständnisse an den Export-Markt und das verschweigen entscheidenter Tatsachen. Im Gedächtnis bleibt die Bombe, wie sie ausdruckstark durch das Deck eines Schiffes schlägt, dafür zündet das so hoch gepriesene Drama zwischen seinen Figur überhaupt nicht. Titanic hat uns in die Geschichte hineingezogen, Pearl Harbor lässt uns einfach nur zusehen. Michael Bay muss sich den Vergleich gefallen lassen, denn die Absicht ist trotz aller Beteuerungen, nicht von der Hand zu weisen.

10. Versatzstücke

Fred Zinneman hat ein einzigartiges menschliches Melodram geschaffen, mit Irrungen und Wirrungen des Herzens und der Seele. Da hatten die Figuren Charakter und eine wirkliche Geschichte. Fred Zinnemann liess sie leben, weinen und leiden, und er liess Deborah Kerr am Strand von Pearl Harbor über Burt Lancaster herfallen. Zinneman verlieh ihnen allen soviel Tiefe das sogar ein Frank Sinatra einen Oscar bekam. Zum Höhepunkt verquickt Zinneman die Auflösung der Geschichten mit dem Angriff auf Pearl Harbor. Verdammt in alle Ewigkeit war ebenfalls ehrlich und es war tatsächlich melodramatisch. Es gibt also schon das Drama zum Film, warum also, klaut einer nicht schon richtig, wenn er sowieso nicht ohne Versatzstücke auskommt. Es ist nur zu erklären, das Bay einfach unabhängig und frei von all den andern sein wollte, denen er niemals das Wasser reichen könnte. Aber dann wieder versucht er anstatt bescheiden zu sein, der Welt ein Vorbild zu sein. Um der Sache gerecht zu werden, lässt er sogar einen Amerikaner mit afrikanischer Abstammung, als einen Schwarzen, für wenige Minuten immer wieder auftauchen, der dann über sich hinauswächst und einen angreifenden Flieger mit dem MG vom Himmel holt, obwohl er nur der Koch ist. Da wird einem das tolerante Herz schwer und damit die Botschaft der Brüderlichkeit auch wirklich ankommt, lässt man diese Figur von Cuba Gooding Jr. spielen, der sein Herzblut auspielt und doch nur Kopfschütteln erntet, weil er gleich soviel vom untergebenen, aber absolut loyalen Neger gibt, das es schnell peinlich wird. Und man sollte gar nicht näher darauf eingehen, das während des zweiten Weltkrieges den höchsten Tabakkonsum nicht nur in den Vereinigten Staaten gab, den die Zigarettenindustrie je gesehen hat. Geschichtliche Genauigkeit sollte nicht wegen aktuellen Trends dran glauben müßen.

11. Abspann

Eine melodramatische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund eines weltgeschichtlichen Ereignisses. Ein Melodram, das Entsetzen, ein zeitgeschichtliches Dokument, die Tragödie, der totale Krieg. Hätten die Herren Bruckheimer und Bay nicht soviel Aufheben um ihr Budget und ihre feinen Absichten gemacht, müßte sich Pearl Harbor nicht um die Ohren schlagen lassen, was ihm tatsächlich Recht geschieht, nämlich in aller Selbstherrlichkeit das Gespür für Geschichte und Charakteren vollkommen verloren zu haben. Ein visuelles Kraftpaket mit allen Raffinessen der modernen Technik bleibt der Angriff als Kernstück allemal. Aufsehenerregend, monumental und überwältigend, wenn auch ohne Sinn für den Zuschauer inszeniert. Das ist es was die Menschen sehen wollen, der Rest ist unangenehmes Beiwerk. Da Erfolge heute an den Einnahmen gemessen werden, wird Michael Bay sehr schnell wieder einen sehr teueren und sehr aufwendigen Film machen und er wird sich einen Teufel darum scheren, was entsetzte Kritiker, oder das gelangweilte Publikum zu sagen hatten. Am Ende wird sehr viel Berichterstattung und sehr viel Werbung wieder sehr viele Menschen in die Kinos locken. Bis heute ist Bay uns die Antwort schuldig geblieben, warum zwei für die Handlung wichtige Raketen aus The Rock mit einemal aus der Geschichte und somit aus dem Film verschwunden sind. Das Publikum verzeiht schnell und vergisst noch schneller.

 

 

Picking up the Pieces:

Darsteller: Woody Allen, David Schwimmer, Maria Gracia, Cucinotta, Chech marin, Kiefer Sutherland, Alfonso Arau, Lou Diamond Philips, Sharon Stone u.v.a.

Regie: Alfonso Arau; Drehbuch: Bill Wilson; Kamera: Vittorio Storaro; Musik: Ruy Folguera

USA / 2000, circa 120 Minuten

Man tut sich schon schwer genug in den wahnwitzige Mix verschiedenster Humor-Stufen hinein zu finden, aber man tut sich mit Sicherheit noch schwerer, bis zum Ende durch zu halten.

Der Jude in Texas ansich hat ja schon genug Potential und Tex Cowley (Allen) aus New York geflohen, sitzt in Texas fest, hat seine Ehefrau versehentlich ermordet und will ihre sieben Leichenteile, schliesslich ist Tex Metzger, irgendwo in der Prärie verscharren.

Das könnte alles ganz witzig sein, ist aber nicht die Geschichte, sondern genau da steigt der Film ein. Das Beste ergibt sich also aus der Hintergrundinformation. Tex rutschen erst die Leichteile vom Pick-Up, sammelt sie wieder auf und vergisst irgndwie im Wüstenstaub eine Hand. Über jene Hand stolpert eine alte, blinde Mexikanerin, welche daraufhin wieder sehen kann. Das ergibt alles Erinnerungen an Milagro Beanfield War, aber weit gefehlt. Es fehlt die Mystik, es fehlt die Atmosphäre, nur nicht an Klischees in El Nino, dem vertrockneten Städchen, deren bewohner die Hand zum Wunder erklären.

Eine abgetrennte Hand, die den berüchtigten Mittelfinger zeigt, sollte wesentlich mehr aus einem Film werden lassen. Nein, der Dorf-Pfaffe hat ein Verhältnis mit der schönsten Hure weit und breit, das ist selbst von Satire meilenweit entfernt. Die Hand, nun in der Kirche aufgebahrt, vollbringt weiter Wunder. Der Dorf-Zwerg wünscht sich den größten Pimmel, der Beinamputierte bekommt neue Beine. Bald strömen die Touristen ein, retten die Kirche, die die von den Wundern profitierten, sahnen im besten Sinne mit geschmacklosen Souveniers ab.

Wirklich heiter wird die Szenerie nur, wenn Woody Allen alleine die Szenerie beherrschen darf. Da scheint er in bester Tradition seine Dialoge selbst geschrieben zu haben, den diese passen nicht im geringsten zu dem Rest, der zugemutet wird. Was muss sich Kiefer Sutherland gedacht haben, diese Rolle als bösartiger U.S. Marshall angenommen zu haben. Platt, witzlos und ohne jede Wirkung liefert er einen Charakter, dem man nur pausenlos in s gesicht schlagen möchte, nicht weil er so gut spielt, sondern einfach nur nervt.

Die Stingefinger-Hand verschwindet, die Wunder werden Rückgängig gemacht. Rat- und Rastlosigkeit. Auch hier muss der geprügelte Tex herhalten, aber schliesslich bringt er alles ins Lot. Da wird sogar von einer Mordanklage abgesehen, denn was ist schon eine zerstückelte Leiche, wenn die Überbleibsel wunder vollbringen.

Wie das überhaupt alles zusammen hängt, Wunder und die Hand, da sieht sich niemand genötigt auch nur annähernd eine Erklärung zu geben. nicht einmal andeutungen. Es ist einfach so, Punkt. Das macht dann schon wieder den Eindruck, als könnte man eine bitterböse Satire, oder rabenschwarze Komödie erwarten. lustig soll es schon sein, aber nichts von dem voherig genannten. Alles wird probiert, nicht zündet wirklich, von Kalauer zu Slapstick, wenig Hintersinn und viel Unsinn.

Und warum einer der besten Kameramänner der Welt ständig einen grünen Scheinwerfer irgendwelche Kanten ausleuchten lässt, bleibt schlichtweg unerklärlich. Ein Wunder, wer das alles versteht.

 

 

Planet der Affen - Planet of the Apes

PLANET OF THE APES

Darsteller: Helena Bonham-Carter, Tim Roth, Mark Wahlberg, Michael Clarke Duncan,, Paul Giamatti, Estella Warren, David Warner, Kris Kristofferson u.v.A.m.

Regie: Tim Burton; Drehbuch: William Broyles Jr., Lawrence Konner, Mark Rosenthal; Kamera: Philippe Rousselot; Filmschnitt: Chris Lebenzon; Musik: Danny Elfman; Maske: Rick Baker

USA / 2001 ; circa 120 Minuten

Es muß ein Riesenspaß für Tim burton gewesen sein, so unverfroren in die Kommerzkiste greifen zu können, losgelöst von allen Zwängen der sich selbst auferlegten Kunst. Nichts anderes befriedigen zu müssen, als den blanken Voyeurismus unruhiger, schriller Jugendlicher. Eine Orgie der Effekte zu feiern und einfach mal 'machen'. Es muß ein wahrer Spaß für ihn gewesen sein.

Aber so leicht darf man es einem Tim Burton nicht machen. Schliesslich hat er eine Figur wie Michael Keaton zum glaubwürdigsten und besten aller Batmans stilisiert. Er hätte sogar Nicholas Cage für 'Superman Lives' Wirklichkeit werden lassen. Tim Burton war der Mann, der die Studiokulisse wieder Hof-fähig machte, der Opulenz und das Epos aus der Künstlichkeit zauberte. Vor Burton waren Aussenaufnahmen im Studio lächerlich, alle die ihm nach eiferten waren peinlich. Und kein Initiator seiner Größe nahm die eigenen Projekte weniger ernst. Und daraus enstand immer wieder die filmische Umsetzung der wahren Liebe zum Kino. Wie bei den Coen Brüdern. Und wenn die Coen Brüder eine Folge vom 'Traumschiff' in der jetzigen Form inszeniert hätten, bekommt man eine Vorstellung wie schlecht der 'Planet der Affen' geworden ist.

Was war schief gelaufen? Wenn man Regisseur und das Ensemble der Schauspieler ansieht, hätte nichts schief gehen dürfen. Vielleicht schlechte Effekte, oder miese Masken, aber eine leblose Hülle der jede Art innovativer Elemente abgeht, das ist nicht einfach nur enttäuschend, sondern unbegreiflich. Es munkeln die Menschen, Burton wäre einfach zu spät zum Film hinzu gekommen, wäre in einen versauten Tümpel von unreifen Ideen gestürzt, von dem sich Oliver Stone ebenso abgewandt hatte wie James Cameron.

Schon die 15 Minuten dauernden Eröffnungssequenz auf einer Raumstation steckt voller inhaltlicher Fehler, welche die Logik der gesamten Geschichte auf den Kopf stellen. Auf einer Raumstation werden Affen für gefährliche Raumflüge trainiert. Als Captain Davidsons (Wahlberg) Lieblingsaffe bei der Untersuchung eines elektromagnetischen Sturmes im All verloren geht, hastet der Captain mit dem unbeweglichsten Gesicht des Universums hinterher, wird in die Zukunft geschleudert und findet sich auf einem fremden Planeten wieder, wo die hierachigen Strukturen augenblicklich geklärt werden. Ohne Spannungsaufbau, ohne Überraschungen. Affen sind die dominante Spezies und Menschen werden als Sklaven gehalten. Das in dieser Treibjagd dem Erdenabkömmling eine verführerisch gemeinte Blonde (Warren) in die Hände fällt, bei der die abgerissene Kleidung wie zufällig Dekoltee und Beine bestens zur Schau stellt, sei nur nebenbei erwähnt. Angekommen in der absolut uninspiriert erdachten Stadt der Affen, wird mit Ari (Bonham Carter) sofort ein den Menschen gut gesonnenes Affen Weibchen vorgestellt. Und spätestens wenn Aris Satz "Wie wir mit Menschen umgehen ist eine Schande" keinerlei Wirkung beim Publikum erzielt, steht zumindest für die Freunde Tim Burtons fest, das etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist.

Erst wenn der unerkenntliche Tim Roth als Schimpanse Thade, General der Affen-Armeen, die Szenerie betritt kommt Farbe in die lahme, orinetierungslose Geschichte.Von da an besteht der Film nur noch aus seiner Wechselwirkung zwischen Ari und Thade, oder vielmehr dem atemberaubenden Spiel Helena Bonham Carters und Tim Roth'. Alles andere wandert in den Schatten des Vorhersahbaren und des Uninteressanten. Mark Wahlberg, der schon mit sovielen kraftvollen Auftritten überzeugen konnte, macht während des gesamten Filmes schlicht und ergreifend gar nichts. Das ist leider nicht nur ein Spruch. Wer mehr als zwei Gesichtsausdrücke in seinem Gesicht während der 120 Minuten entdecken kann, muß einen anderen Film gesehen haben. Zwangsläufig wäre das Estella Warren als Menschnenfrau für den Charakter des Captain Davidson wie geschaffen. Ihre Deana ist so reiz- und darstellungslos gespielt und inszeniert, das ihr Charakter in dem Film nur ein großes Fragezeichen zur Folge hat.

Letztendlich treibt es die Menschen mit ein Paar abtrünnigen Affen in die verbotene Zone, dorthin, wo die wahre Geschichte und Herkunft der Affen-Dominanz verborgen liegt. Was sich in der finalen halben Stunde abspielt ist nur die Abfolge dessen, was für den Zuschauer, soweit er denn noch zugesehen hat, längst zwangsläufig war. Der Freund des Popcorn-Kinos hat sich dann bereits auf eine spektakuläre End-Schlacht eingestellt und hofft wenigstens zum Ende hin optisch und geschichtlich entschädigt zu werden. Die Höfflichkeit eines jeden besprechenden Kritikers verlangt es, die Auflösung eines Filmes möglichst unberührt zu lassen. Laut Produktionsnotizen waren es acht Varianten eines möglichen Schlusses, die zur Auswahl standen. Was man dem Zuschauer bei diesem Ende auftischt entbehrt nicht einfach nur jeder Logik. Es ist das absonderlichste und wirklich schlimmste das man einem Publikum antun kann, das solange durchgehalten hat.

Wer den kiffenden Affen sieht, oder die Szene in der Ari einen Brief schreibt, der kann den Geist früherer Burton Filme regelrecht spüren. Ansonsten herrscht gähnende Leere. In Charakter wie im Drehbuch, soweit eines vorhanden war, denn Bonham Carter und Roth agieren so genial und weit entfernt vom Rest des gesamten Filmes, das man annehmen muß, sie hätten verschwöhrerisch verselbstständigt. Seltsam das die unter einem Berg von Maske entstellten Schauspieler in einer einzigen vielmehr Ausdruck vermitteln, als die 'Menschen' in der gesamten Laufzeit. Die Vermengung menschlicher Charakterzüge mit dem für Primaten typischen Verhaltensweisen ist bei den beiden Hauptdarstellern ein Fest für Auge und Gemüt. Rick Baker verwandelte die Akteure in die perfekte Gestalt des evolutionären Fortschritt eines Affen. Offenbar war es dem Affenfreak nicht genug die vollendeten Künste nach 'King Kong', oder 'Gorillas im Nebel' zu benutzen. Der Maskenbildner orientierte sich offensichtlich an Darwin und kreierte überwältigende Beispiele, wie sich Primaten in dieser verdrehten Wirklichkeit entwicken müßten.

Pierre Boulle hat den 'Planet der Affen' in den Sechzigern als Parabel auf das aufgewühlte Weltgeschehen geschrieben. Im Umbruch des neuen Jahrtausends erscheint es als idealer Leinwandstoff einen verdreht Blick auf das Ende des kalten Krieges, die Gen-Debatten, den ökologischen Umwälzungen, oder den Technik-Wahn zu erkunden, oder vielleicht zu karigieren. Sätze wie "eine Gleichstellung des Menschen zum Affen wäre möglich" kommen zwangsläufig, beinhalten keine Überraschungen und noch weniger Originalität. Geschweige denn, das solche immer wiederkehrenden Dialoge als geschliffene Zivilisationskritik funktionieren kann. Und solange die Menschen Filme wie diesen machen, sollten die Affen ihre aufkeimende Toleranz noch einmal überdenken. Es gibt eine ergreifende Sequenze in der die Affen Frau Ari beinahe ihre Liebe zu dem Menschen Davidson gesteht. Das hätte Substanz gehabt, das wäre der Stoff gewesen, aber zu diesem Zeitpunkt ist alles längst zu spät und die Szene verflüchtigt sich ins Lächerliche. In einer anderen Szene packt General Thade den Menschen Davidson, reisst ihm den Kiefer auseinander und sieht hinein mit den Worten "ist da irgendwo eine Seele drin?". Vielleicht war dies eine selbstkritische Inspriation des Regisseurs, als er merkte das er den Planet der Affen nicht berherrschte.

 

Die purpurnen Flüsse:

LES RIVIÈRES POURPRES

Darsteller: Jean Reno, Vincent Cassel, Nadia Farès, Dominique Sanda, Karim Belkhadra, Jean-Pierre Cassel, Didier Flamand, Francois Levantal u.a.

Regie: Mathieu Kassovitz; Drehbuch: Jean-Christophe Grange, Mathieu Kassovitz; Musik: Bruno Coulais; Kamera: Thierry Arbogast; Filmschnitt: Maryline Monthieux

Frankreich / 2000 , circa 106 Minuten

All zu leicht, ist man versucht neue Meisterwerke aus zu rufen. Die Flüsse sollten nicht als solches gelten, vollbringen aber etwas, das grundsätzlich als meisterlich ein zu schätzen ist. Die Kunst der amerikanischen Film-Flut Paroli zu bieten liegt nicht darin, die Studio-Industrie zu kopieren, sondern dieser etwas Neues entgegen zu setzen. Und jetzt kommt Autor und Regisseur Mathieu Kassovitz und denkt überhaupt nicht daran, irgendwelchen Leitfäden Genüge zu tun. Kassovitz' Absichten sind ganz klar, sein Bestreben liegt auf der Hand und das er sich nicht davon abbringen lässt, demonstriert er mit unbändigem Geschick. Er wollte einen Film machen, wie ihn die Amerikaner immer und immer wieder auf den Markt bringen. Kassovitz wollte den Serienkiller nach Europa holen. Aber Kassovitz mußte erkannt haben, das er das Genre nicht neu erfinden kann. Das versuchen die Kollegen aus dem Rest Europas, und immer wieder die Vorreiter aus Amerika. Kassovitz will nichts neu erfinden und so tut er das, was am nächsten liegt, er macht es besser.

Mit einem der denkwürdigsten und garantiert stimmungsvollsten Eröffnungstitel unserer Zeit, stürzen sich die purpurnen Flüsse mit dem Erscheinen von Commissaire Pierre Niemans (Reno) über eine Elite-Schule tief in den französischen Alpen. Niemans versucht Licht in das Mysterium eines Mordes an einem Lehrer zu bringen, der bestialisch gefoltert und am Ende in einer unzugänglichen Steilwand eines Berges wortwörtlich hinterlegt wurde.

Ohne die sonst üblichen Parallelmontagen blendet der Film über zu Lieutenant Max Kerkerian (Cassel), der in seinem Arbeitsbereich, nur 200 Kilometer von der bewußten Elite-Uni, gleich zwei Fälle auf einmal bearbeiten darf. Grabschändung und Einbruch in einer Grundschule. Kerkerian ist als eingesessener Großstadt-Polizist begeistert, weil sichtlich unterfordert von der provinziellen Atmosphäre in die er versetzt wurde.

Erst 40 Minuten in den Film hinein treffen sich die zwei scheinbar gegensätzlichen Polizisten und deren scheinbar unterschiedlichen Fälle im perfiden Panorama der Berge. Nicht nur, das Grabschändung, wie der Einbruch zu der Universität führt, der Mörder hat dort ein zweites Opfer auserkoren und die hinterlassenen Spuren deuten darauf hin, das auf zugegeben unappetitlichen Wegen, explizite Andeutungen auf einen anderen, noch unklaren Fall hinweisen. Und die nervenaufreibende Auflösung der mörderischen Hetzjagd birgt nocheinmal soviel Überraschendes, wie es vielen anderen Filmen nicht ins Drehbuch gekommen wäre.

Am auffälligsten ist und bleibt Thierry Arbogasts Kamera. Arbogast versteht mit grandiosen Cinemascope - Bildern die bedrückende Atmosphäre nicht nur einzufangen, sondern auch unterbewußt zu verstärken. Dazu trägt selbstverständlich auch die überraschende Trostlosigkeit der Drehorte bei, welche man nicht vor einem überwältigenden Naturpanorama vermuten möchte. Aber die purpurnen Flüsse bilden eine in sich geschlossene Einheit, ob mit den Bildern, der Charakterisierung der Protagonisten, der Handlung und sogar dem durchlagenden groben Humor.Kassovitz setzt seine Akzente schon in den ersten Einstellungen und das so heftig, das sie den Rest des Filmes das Publikum auf alle möglichen Eventualitäten warten lassen. Das gibt Raum und Zeit für einen scheinbar spielerischen Umgang mit den sonst festen Regeln des Genres, ohne das der Film auch nur für einen Moment seine fesselnde und beängstigende Atmosphäre verliert. Und was der Regisseur mit Maryline Monthieux's Filmschnitt exzellent umsetzt, ist der manipulative Umgang mit dem Schein und Sein, dem was man sich einbildet gesehen zu haben und was die Kamera wirklich offenbart.

Das es nicht der ultimative Trip in die menschlichen Abgründe wird, scheint sich dabei wie selbst zu erklären. Denn es gibt Genre-Grenzen und Publikums-Akzeptanz. Und wer sich innerhalb dieser vom Genre, wie vom Publikum selbst auferlegten Beschränkungen aufhält, weiß zumindest, das der Film funktionieren wird. Kassovitz dagegen versteht die Voraussetzungen so gut, das er damit überragend den Nerv treffen kann. Natürlich hätte er einige Schritte weiter gehen können, aber dann wäre vielleicht ein typischer französischer Film daraus geworden. Doberman und Mann beisst Hund haben sich auf der einen Seite einen sicheren Cineasten-Platz gesichert, aber dafür die Akzeptanz des druchschnittlichen und damit auch geldträchtigen Publikums weit überschritten. Kassovitz ist dabei viel geschickter umgegangen. Die Affinität des amerikanischen Studiosystems, erfolgreiche europäische, und dabei handelt sich hauptsächlich um fränzösische Filme, als Remake neu zu verfilmen, wird bei Die purpurnen Flüsse gnadenlos scheitern.

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The Queen

Darsteller: Helen Mirren, Michael Sheen, James Cromwell, Helen McCroy, Alex Jennings, Roger Allam, Sylvia Syms, Mark Bazeley, Earl Cameron, Tim McMullan u.a.

Reguie: Stephen Frears; Drehbuch: Peter Morgan; Kamera: Affonso Beato; Musik: Alexandre Desplat; Bildschnitt: Lucia Zucchetti

England / 2006 ; circa 101 Minuten

„Sie haben ihr Leben ruiniert, hoffentlich ruinieren sie nicht auch noch ihren Tod.“ Solche Sätze sind symptomatisch für Stephen Frears Komödie, oder Drama, oder wie immer man es nennen möchte. Peter Morgans phänomenales Drehbuch will und darf sich gar nicht entscheiden, ob es hier um Tränen, oder Lacher geht. Und Stephen Frears macht daraus einen absonderlichen Zwitter, der besser gar nicht inszeniert sein könnte.

Waren Biografien früher eine Abhandlung des gesamten Lebens einer Person, greifen die Dramatiker heute lieber bestimmte, weil bedeutende Zeitabschnitt aus dem Lebenslauf heraus. ‚Die Queen’ komprimiert im wesentlichen das Wirken von Elizabeth II auf eine Woche, auf eine entscheidende Woche. Im Sommer 1997 verunglückt Lady Diana in Paris tödlich und damit beginnt für die Königsfamilie in nur sechs Tagen ein emotionaler Spießroutenlauf zwischen Tradition und Moderne, zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit, zwischen Reglements und Liberalismus. Diana, nach ihrer Scheidung von Prinz Charles kein Mitglied der königlichen Familie mehr, darf kein königliches Begräbnis erhalten. Doch das sonst untertänige Volk begehrt das erste mal gegen seine sonst so geliebte Königin auf. Ausgerechnet der Sprecher des frisch gewählten Tony Blair ernennt Diana öffentlich zur Prinzessin des Volkes und wiegelt damit unbewusst die Massen erst recht gegen den Buckingham Palast auf.

Diese wahren Ereignisse funktionieren wie ein allseits bekanntes Muster für herzerwärmende Dramen, doch Schreiber und Regisseur machen daraus viel mehr. Natürlich kann niemand sagen, was wirklich hinter den Palastmauern getan und gesprochen wurde und so begeben sich die Filmemacher auf das sonst sehr glatte Eis der Improvisation. Aber sie tun das so bravourös, das man tatsächlich jedes Wort für bare Münze nehmen muss. Das liegt aber auch in erster Linie an den erstklassigen Darsteller, angeführt von Helen Mirren, die sich optisch und in Körpersprache an die wirklichen Personen anlehnen, diese aber nicht wirklich nachahmen. Sie entwickeln ihren eigenen Rhythmus im Umgang untereinander, sie verhalten sich eher ihrer eigenen Persönlichkeit nach. Das macht den ganzen Film sehr viel ehrlicher, glaubwürdiger und nebenher auch richtig spannend. Lediglich Alex Jennings als Prinz Charles möchte zu sehr dem wirklichen Charles ähneln und verliert dadurch an Profil. 

Phantastisch eingebettet in diese Woche, erfährt der Zuschauer auch viel über die junge Queen Elizabeth II, über ihren Werdegang und über ihre enge Beziehung zu einem Volk, das eigentlich keine Monarchie mehr braucht. Und man erfährt auch sehr viel über einen Premierminister, der beim ersten persönlichen Treffen mit der Königin einen kindlich, unsicheren Eindruck macht. Dieser Premierminister erfährt eine charakterliche Stärke durch die Vorbildfunktion der Königin und rettet ironischerweise damit das Könighaus vom möglichen Aus der Monarchie.

Als die Familie von Elizabeth II vom tödlichen Unfall informiert werden soll, von dem der Zuschauer bereits weiß, poltert Prinz Philip auf Lady Diana bezogen „was hat sie den jetzt schon wieder angestellt.“ Das ist natürlich bitterer Humor, aber konsequent und teilweise so subtil eingesetzt, das der gesamte Film in seiner perfekten Mischung von Melodram und eben typisch britischen Humor, eine wahre Freude zum anschauen ist. Stephen Frears hat mit ‚The Queen’ einen sehr bewegenden und in allen Bereichen stimmigen Film gemacht, der in der Kategorie von Biografien nicht nur eine strukturelle Ausnahme ist, sondern auch schwer überboten werden kann. 

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