CYRANO

Cyrano - Copyright METRO GOLDWYN MAYER– Bundesstart 03.03.2022

Es sind mindestens elf Verfilmungen allein unter dem Originaltitel und dem Namen der Hauptfigur CYRANO DE BERGERAC. Und gesicherte dreizehn Filme, die den Kern der Geschichte beibehalten, aber aktualisiert, modernisiert, oder die Geschlechterrollen vertauscht haben. Jetzt noch von den diversen Theateradaptionen seit der Veröffentlichung 1897 zu sprechen, würde den Rahmen sprengen. Aber es wird deutlich, Edmond Rostand hat seinerzeit für das romantisch, tragische Theater, ein zeitloses, allgemeingültiges Werk geschaffen. Die Geschichte vom heldenhaften Cyrano, der durch einen körperlichen Makel gestärkt und selbstsicher, und vor allem angesehen wurde. Dennoch kann er auch im erwachsenen Alter seiner Kindheitsfreundin Roxanne nicht seine Lieben gestehen. Jedenfalls nicht von Angesicht zu Angesicht.

Eine kraftvolle Liebe findet man auch in der Beziehung von Erica Schmidt und Peter Dinklage, die seit 2005 besteht. Schmidt hat ihrem verehrten Gatten 2018 eine Musical-Variante von ‚Cyrano‘ auf den Leib geschrieben, im wahrsten Sinne der Worte. Denn hier hat der tragische Held keine immens große Nase, die ihm immer wieder zur Zielscheibe von versuchtem Spott werden lässt. Erica Schmidt beschreibt ihren Cyrano als sehr kleinwüchsig. Eine Rolle die ihr Gatte Peter mit einer Größe von 1,32 Meter perfekt ausfüllt.

Im neuen Rekruten Christian de Neuvillette, glaubt Roxanne die Liebe ihres Lebens zu erkennen. Sie verliebt sich in seine Worte, in seine geschliffenen Gedanken, welche sie in Christians einfühlsamen und poetischen Briefe findet. Nur das Cyrano diese Briefe für den tölpelhaften, unsensiblen Soldaten verfasst hat. So kann der kleinwüchsige Mann wenigsten unter einem Deckmantel, seiner innige Liebe für Roxanne Ausdruck verleihen. Das Glück der Dame seines Herzens, steht über seiner eigenen unerwiderten Liebe.

Man kann Peter Dinklages Spiel durchaus auch fern vom Charakter Cyrano de Bergerac als mitreißend bezeichnen. Er legt seine Rolle, die im siebzehnten Jahrhundert angesiedelt ist, trotzdem auf zurückhaltende Weise modern an, doch nie anachronistisch. Aber beweisen muss sich der Darsteller schon lange nicht mehr, was dem vielschichtigen Cyrano sehr entgegen kommt. Trotz seiner vor Selbstsicherheit strotzenden Natur, lässt er seine sonst konzentrierten Blicke immer wieder unsicher wandern. In jeder Szene gilt seine gesamte Aufmerksamkeit Roxanne.

Dinklage will kein tragischer Held sein, sondern präsentiert sich als Herr seines Schicksals. Nur dem Zuschauer zeigt er verhohlen den peinigenden Preis seines falschen Selbstschutzes. Seinen Spöttern, die ihn wegen seiner Größe als minderwertig ansehen, begegnet er mit Eleganz und treffsicherer Rhetorik, welche sie bloßstellt. Was bei den niederträchtigen Kerlen durch Wut und Raserei getrieben, meist zu einem Säbelduell führt. Aber auch da zeigt sich Cyrano als der größere Mann.

Haley Bennett als angehimmeltes Objekt der Begierde setzt dagegen einen sinnlichen Kontrast, weil sie das Zusammenspiel stets als Zeichen ihrer platonischen Freundschaft versteht, damit aber gerne kokettiert. Sie missversteht ihre eigenen Gefühle von der vermeintlichen Liebe auf den ersten Blick, als ihr Christian de Neuvillette begegnet. Denn sie betrachtet Cyrano als selbstverständlichen Teil ihres Lebens. Sein demonstratives Selbstvertrauen, seine Verlässlichkeit, und sein Mut waren für Roxanne von klein Vorbild.

Cyrano 1 - Copyright METRO GOLDWYN MAYER

Jetzt ist das Musical ein Genre, dass einen eher geringeren Zuschauerkreis anspricht. Man muss aber Joe Wrights Inszenierung nicht fürchten. CYRANO macht immer den Eindruck, als hätte Schmidt in ihrer Bühnenvorlage und Wright bei der Umsetzung genau verstanden, was gewisse Zuschauer an gesungenem Theater nicht mögen, aber auch, was der Musical-Fan für Erwartungen stellt. Das macht diesen Film zu einem weit ansprechenderen Vertreter seines Genres, als beispielsweise die überstrapazierten Musical der vergangenen Kinojahre.

Die Lieder sind relativ knapp angelegt, ohne sich in epische Längen zu steigern. Und vor allem haben die Gesangseinlagen viel mehr den Charakter von herkömmlichen Liedern, und verzichten weitgehend auf den typischen, aus dem Versmaß ausbrechenden Sprechgesang. Die Belgierin Sidi Larbi Cherkaoui hat auch die Choreografien sehr dezent angelegt, und verzichtet auf überbordende Tanzeinlagen. Mit ebenso kurzen Arrangements unterstreicht sie sehr homogen einzelne Textpassagen.

Einen fast radikalen Umschnitt macht CYRANO im letzen Akt. War die Atmosphäre in den ersten zwei Dritteln noch unbeschwert, manchmal sogar verwegen zuckersüß, könnte man das Finale fast schon als zu düster bezeichnen. Cyrano und Christian werden vom niederträchtigen Herzog De Guiche an die Front geschickt, um für ihn den Weg zu Roxanne frei zu machen, die er zwangsehelichen möchte. Die Sequenz an der Front ist dann auch der längste, aber auch einnehmendste Handlungsteil des Films, trotz, oder gerade wegen seiner finsteren Atmosphäre.

„Wir dürfen nicht über ihr Schicksal entscheiden. Sie muss die Wahl haben“ -Christian-
Das Lied ‚Wherever I Fall‘ ist eine mitreißende Hymne an die Liebe zu Frau, Kind und Vater, gesungen von drei Soldaten, die ihre Abschiedsbriefe schreiben. Cyrano und Christian müssen ihr Schicksal erkennen und akzeptieren, dass sich beide wie Betrüger vor Roxanne verhalten haben. Die Melodie von ‚Wherever I Fall‘ halt immer wieder Zeit nach. Die Soldaten wiederholen im Chor immer wieder den Refrain, die mit der Dramatik in der Szene ebenfalls ansteigen.

Hier verlässt der Film den gewöhnlichen Musical-Aufbau. Das unterstützende Arrangement des Liedes trägt die gesamte Sequenz bis zum bitteren Ende der Schlacht, welche selbst nur angedeutet ist, aber in sehr beeindruckenden Bildern. Immer getragen von ‚Wherever I Fall‘. Joe Wright ist in diesem Teil ein kraftvolles Stück Film gelungen, dass CYRANO am Ende dann auch prägt, und dem Zuschauer noch lange in Erinnerung bleibt. Jetzt wird auch dieses Musical ganz gewisse nicht das Genre verändern. Aber zumindest für diese hier gebotenen zwei Stunden wird der kritische Zuschauer seinen Frieden damit schließen. Erica Schmidt hat nicht nur ihrem Gatten ein bemerkenswertes Geschenk gemacht.

Cyrano 2 - Copyright METRO GOLDWYN MAYER

 

Darsteller: Peter Dinklage, Haley Bennett, Kelvin Harrison Jr., Ben Mendelsohn, Monica Dolan, Bashir Salahuddin u.a.
Regie: Joe Wright
Drehbuch: Erica Schmidt
nach dem Stück von Edmond Rostand
Kamera: Seamus McGarvey
Bildschnitt: Valerio Bonelli
Musik: Aaron Dessner, Bryce Dessner
Produktionsdesign: Sarah Greenwood
Großbritannien – Kanada – USA / 2021
123 Minuten

Bildrechte: METRO GOLDWYN MAYER
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