DER HOCHSTABLER – ROOFMAN

Roofman 1 - (c) LEONINE DISTRIBUTION– Bundesstart 28.11.2025
– Release 10.10.2025 (US)

Dies ist eine wahre Geschichte. Wer seinerzeit die Geschichte von Jeffrey Manchester verfolgt hat, wird erstaunt sein, wie nahe die Adaption der Realität kommt. Bei Adaptionen von wahren Geschichten werden bestimmt Aspekte und Fakten gebogen und verändert, um einer filmischen Dramaturgie gerecht zu werden. „Roofman“ hätte einige dieser Beugungen und Veränderungen sehr gut vertragen. Derek Cianfrance hat sich als Regisseur einen Namen mit unversöhnlichen Dramen wie „Blue Valentine“ und „The Place beyond the Pines“ gemacht, die tief in seelische Abgründe seiner Figuren blicken. „Roofman“ würde anhand seiner tragischen Figur sehr gut in diese Reihe von realistischen Dramen passen. Aber „Roofman“ ist anhand seiner absurden Geschichte auch perfektes Komödienmaterial. Filmemacher Derek Cianfrance kann aber nicht wirklich Komödie. Und dieser Film kann nicht wirklich Drama. Genau dazwischen ist „Roofman“ gefangen.

Jeffrey Manchester ist Veteran, kann aber im zivilen Leben keinen Job wirklich gut. Was er kann, ist sehr gut beobachten. Um seine Tochter und Frau zu versorgen, die von ihm getrennt leben, steigt er Nachts über das Dach in McDonalds Filialen ein, wartet bis zum Morgen auf die Belegschaft, und lässt sich dann das Geld aus dem Safe geben – mit vorgehaltener Waffe, aber auf sehr höfliche Weise. 45-mal macht Jeffrey das, bis er gestellt wird. Doch er kann gut beobachten, sieht daher eine Fluchtmöglichkeit, bricht aus dem Gefängnis aus, und versteckt sich in einem Toys „R“ Us Laden.

Bis dahin hat „Roofman“ eine leichte Qualität, wie etwa Roberts Redfords Schelmenstück „Ein Gauner & Gentleman“ – ebenfalls nach einer wahren Geschichte. Der liebenswerte Gauner, der gar kein böser Mensch ist, aber durch äußere Umstände zu strafbaren Delikten getrieben wird. Und wenn es keine wahre Geschichte wäre, müsste sie für keinen anderen als Channing Tatum erfunden werden. Der beherrscht mit seinem ewig jugendlichen Charme nicht nur alle Publikumsschichten, sondern alle nicht sonderlich ernsten Figuren. Er ist der zauberhafte Verlierer, genauso wie der unwiderstehliche Kindskopf. Nicht zu vergessen, der einfühlsame Herzensbrecher.

Channing Tatum könnte auch den fiesen Wüterich, aber den will niemand. Erst Recht nicht Derek Cianfrance in „Roofman“. Es ist ein Film den Cianfrance mit seinem Co-Autor Kirt Gunn auf diese unfehlbare Vitalität von Tatum zugeschnitten hat. Und das funktioniert erwartungsgemäß sehr gut – bis zu einem gewissen Grad. Jeffrey Manchester ist höflich und zuvorkommend, er ist um Menschen in seinem Umfeld besorgt, und er wird dieses Kind im Mann, wenn er in einem gigantischen Spielzeugladen wie Toys „R“ Us untertauchen muss. Er richtet sich in einem Hohlraum zwischen den Regalen ein, nutzt Baby-Phones um die Mitarbeiter zu überwachen, ernährt sich von Süßigkeiten und Babynahrung, und in der Nacht treibt er Unfug mit Spielsachen.

Roofman 2 - (c) LEONINE DISTRIBUTION

Was nach guten Möglichkeiten für einen großen Spaß klingt, macht der Regisseur mit seiner Unentschlossenheit zunichte. Cianfrance weiß nicht ob er Drama oder Komödie will, und probiert es mit beidem. Und das macht „Roofman“ zu einem gefälligen Film, der unentwegt an wirklich guten Chancen vorbei inszeniert ist. Er findet keinen Ansatz im Zwiespalt zwischen dem, wie Jeffrey ist und wie er sein will. Jeffrey findet einen Weg den Laden zu verlassen und nach Ladenschluss zurückzukehren. Bei seinen Ausflügen lernt der Leigh kennen, eine Mitarbeiterin die er über Baby-Phone beobachtet, und ihren Kirchenkreis. Leigh und Jeffrey lernen sich lieben. Er wird guter Freund in der Gemeinde. Das Leben könnte so schön sein, wäre Jeffrey nicht so unvorsichtig.

Da gibt es Kirsten Dunst als alleinerziehende Mutter Leigh. Ben Mendelsohn ist als überdrehter Pastor dabei. Als Filialleiter ist Peter Dinklage herrlich abscheulich. Aber mit keinem dieser Figuren kann der Film etwas anfangen. Sie bekommen keine Tiefe, keinen Hintergrund, nichts zu tun. Alle Möglichkeiten in den Wind geschossen. Kirsten Dunst erweckt in den meisten Szenen sogar den Eindruck, als wüsste sie überhaupt nicht was sie hier soll. Einzig LaKeith Stanfield schafft es, als Jeffreys krimineller Kumpel Steve mit wenigen Szenen einen bemerkenswerten Eindruck zu hinterlassen.

Dazu kommt aber eben auch das Problem, dass die witzig gemeinten Szenen gar nicht so lustig sind, und die dramatischen Momente nicht ihre tatsächliche Tragik ausspielen. Cianfrance wägt stets das eine gegen das andere ab, will keinem der beiden Richtungen einen Vorteil geben. Das hätte er aber bis zur Überzeichnung tun können, denn dies ist eine wahre Geschichte, die in all ihren Punkten tatsächlich so passiert ist. Und dahinter steckt eine wirklich aberwitzige Farce in Form der Raubzüge und dem Versteckspiel, genau wie eine unglaublich tragische Person in Gestalt von Jeffrey Manchester. Ein Mann, der immer nur das Beste auch für andere wollte, aber an sich selbst scheiterte. Durch Derek Cianfrance wird dies zu einer weichgespülten Nacherzählung ohne Ecken und Kanten, ohne Höhen und Tiefen, ohne echten Witz oder wirkliche Tränen. Aber Channing Tatum macht das Beste daraus, und ist einfach klasse.

Roofman 3 - (c) LEONINE DISTRIBUTION


Darsteller: Channing Tatum, Kirsten Dunst, Ben Mendelsohn, LaKeith Stanfield, Juno Temple, Uzo Aduba, Peter Dinklage, Lily Collias, Kennedy Moyer u.a.

Regie: Derek Cianfrance
Drehbuch: Derek Cianfrance, Kirt Gunn
Kamera: Andrij Parekh
Bildschnitt: Jim Helton, Ron Patane
Musik: Christopher Bear
Produktionsdesign: Inbal Weinberg
USA / 2025
126 Minuten

Bildrechte: LEONINE Distribution
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