– Bundesstart 11.09.2025
– Release 06.06.2025 (CAN)
Man darf sich nichts vormachen: „Dangerous Animals“ ist ein B-Movie. Aber – er ist ein Genrefilm, der seine B-Movie-Qualitäten stolz vor sich herträgt. Und das darf er sich auch erlauben. Es ist der dritte Spielfilm von Sean Byrne, und der erste Film, den er nicht selbst geschrieben hat. Das Drehbuch kommt vom Nick Lepard, der hiermit seine erste Berührung mit der Filmindustrie feiert, aber eigentlich Kunstmaler ist. Dennoch weiß der Kanadier Lepard genau was er will, setzt es um, und gestaltet mit dem Australier Byrne einen überzeugenden Genre-Mix. Es ist ja bereits seit geraumer üblich, genervt mit den Augen zu rollen, wenn wieder ein Film mit Hai-bezogenem Horror anläuft. Aber Lepard und Byrne vollbringen etwas Wundervolles, denn sie entlocken dem Tierhorror eine unerwartet neue Perspektive. Sie verweigern sich auch dem Trash, und sie verzichten auf die hohle Persiflage. „Dangerous Animals“ ist striktes Thriller-Kino.
Mit Tucker’s Experience können Touristen vor der Küste von Queensland in einem Käfig mit den Haien tauchen. Nur das der Ein-Mann-Unternehmer Tucker mit dem zu Anfang eingeführten Pärchen etwas anderes im Sinn hat. Schon die Einführung lässt keine Wünsche offen. Sean Byrne führt einen elegant an der Nase herum, und lässt sogar eine Art Natur-romantische Atmosphäre anklingen. Bis Byrne dann doch unvermittelt einen anderen Kurs einschlägt. Schnitt zu der jungen Einzelgängerin Zephyr, eine von den Wellen besessene Surferin, die eher widerwillig die Bekanntschaft des ebenso jungen, aber nicht minder attraktiven Moses macht. Als dann erneut Tucker auf der Bildfläche erscheint, glaubt man sich in obligatorischen Gewässern.
Aber der Regisseur erweckt dabei immer nur den Anschein, dem Gewöhnlichen zu folgen. Doch immer wieder schlägt der Verlauf überraschende Haken, sei es mit den Figuren, oder mit signifikanten Handlungselementen. Das es gelingt, einem Film mit Haien etwas Neues entlocken kann, ist dabei die interessanteste Innovation – mit der Frage: Wer ist das wirkliche Monster? Denn Tucker verehrt diese Fische göttergleich, was ihn zu einer besonderen Form der Anbetung dieser Gattung treibt. Wer aber glaubt, das Geschehen zu durchschauen, dem ist der Film immer eine Flosse voraus.
Tierhorror, Psychothriller, Krimi, und Slasher. Es ist erfreulich, wie harmonisch (im technischen Sinne) Sean Byrne vier Genres in fließender Dramaturgie zusammenbringt. Selbst etwas Romanze spielt mit hinein. Und das funktioniert erstaunlich gut, weil sich der Film zeitlich genau zwischen diesen Ausrichtungen zu bewegen versteht, die sie benötigen. Byrne strapaziert keine seiner Szenen. Es wäre aber falsch zu behaupten, es wäre alles nur auf das Notwendigste reduziert. Nick Lepard hat eine steile Vorlage geliefert und Sean Byrne weiß genau was er damit anfangen kann, weiß die Präsenz seiner Darsteller richtig einzuschätzen, und die Handlung effizient zu akzentuieren.
Fern seiner Komfortzone des harten und aufrechten Typs, beweist sich Jai Courtney mit seinem Tucker als furchteinflößend effektiver Antagonist. Beim kumpelhaften Tucker ist der krankhafte Wahn genauso zu spüren, wie bei seinem wütenden Psychopathen immer der freundliche Zeitgenosse durchschimmert. Tucker, und damit Jai Courtney, ist genau die Verkörperung des Bösen, der sich wohltuend [sic!] vom Einerlei der Horror-Antagonisten abhebt. Wohingegen sich „Yellowstone“s Hassie Harrison in ihrer ersten Hauptrolle etwas schwer tut, gegen den Standard des Final Girl anzukommen. Harrison spielt die Stärke und Verbissenheit ihrer Zephyr nicht nur, sie ist bleibt dabei auch überzeugend. Aber ausgerechnet für Zephyr fehlt dieses spezielle Momentum, um mit Tucker auf gleiche Höhe zu kommen.
Ungewöhnlich, aber ansprechend ist die durchweg natürliche, manchmal sogar strahlende Farbgebung, anstelle der in dem Genre gerne bemühten reduzierten Palette. Shelley Farthing-Dawe schafft mit ihren stimmungsvoll modellierten Bildern gleichermaßen trügerisches Urlaubsgefühl oder eben treffsichere Gruselatmosphäre. Technisch ist „Dangerous Animals“ makellos, was sich besonders auf die Spannungsmomente auswirkt. Kamera und Schnitt wissen ihre Szenen geschickt und mitreißend zu gestalten. Auf falsche Fährten oder irreführende Kameratricks wird verzichtet. Es ist nicht übertrieben zu sagen, Bryan hat kein Gramm Fett zu viel auf seinen Film geladen.
„Dangerous Animals“ mag weniger an blutigen Szenen haben, als Genrefreunde mittlerweile gewohnt sind. Aber die Terrorelemente und Splatter-Effekte lassen alleine durch tadellosen Aufbau und Umsetzung kaum Wünsche offen. Und es ist zugute zu halten, dass sich nicht an deftigen Blutszenen geweidet wird. Die Wirkung des Augenblicks ist bei Sean Bryan weit wichtiger als das Auskosten von expliziten Schauwerten. Der Regisseur hält ohnehin seinen Film unentwegt auf Spannung. Und er trägt zu Recht stolz vor sich her, bewusst einen B-Movie zu inszenieren – denn wer es schafft eine Hai-Sequenz zu inszenieren, die in ihrer atemberaubenden Intensität selbst dem Anfang von Spielbergs „Weißer Hai“ in nichts nachsteht, der weiß genau was er tut.
Darsteller: Hassie Harrison, Jai Courtney, Josh Heuston, Ella Newton, Liam Greinke u.a.
Regie: Sean Byrne
Drehbuch: Nick Lepard
Kamera: Shelley Farthing-Dawe
Bildschnitt: Kasra Rassoulzadegan
Musik: Michael Yezerski
Produktionsdesign: Pete Baxter
Kanada, Australien, USA / 2025
98 Minuten