DRACHENZÄHMEN LEICHT GEMACHT

How Train Dragon - (c) UNIVERSAL STUDIOSHOW TO TRAIN YOUR DRAGON
– Bundesstart 12.06.2025
– Release 09.06.2025 (GB)

Preview 9.6.25, Cineplex, Fürth
Kann sich noch jemand an „Psycho“ erinnern? Nicht Hitchcocks „Psycho“, sondern das Bild-für-Bild-Remake von Gus Van Sant? Nun so etwas Ähnliches hat Dean DeBlois mit seinem eigenen Riesenerfolg „Drachenzähmen“ gemacht. Die einzige Veränderung die Van Sant machte, war „Psycho“ in Farbe anstatt in Schwarzweiß zu drehen. Nun, Dean DeBlois hat seinen großartigen Animationsfilm in sogenanntem Live-Action neu verfilmt – eigentlich Disneys Abzockmasche. Und Disney lässt auch viel mehr Zeit zwischen Original und Remake. Vierzehn Jahre sind gerade einmal vergangen, seit „Drachenzähmen leicht gemacht“ sein Publikum begeisterte. Laut GEO-Magazin macht das gerade einmal eine halbe Generation. Dieser Umstand, und der grundsätzliche Trend von vermarkteter Einfallslosigkeit, wirft immer wieder – und hier erneut – die Frage auf, ob das überhaupt sein muss. In diesem Fall: Ja.

Wer er sie noch nicht kennt, es ist die Geschichte von Hicks, dem unliebsamen Sohn des Wikingerhäuptlings Haudrauf. Denn im Wikingerdorf Berk leben nur Drachentöter, und Hicks kann und will keine Drachen erlegen. Dennoch unterwirft er sich dem Ritual von Lehrstunden zum Drachentöten, um endlich in der Gemeinschaft und vor allem von seinem Vater akzeptiert zu werden. Hicks hat aber noch ein kleines Geheimnis, und das heißt Ohnezahn, ein Nachtschatten. Nachtschatten sind die gefürchtetsten Drachen, aber dieser ist mit Hicks befreundet. Viel lustiger als eine Inhaltsangabe sind allerdings die Namen, die man überraschend exakt aus dem Amerikanischen übersetzt hat. Da gibt es noch Grobian, Rotzbakke oder Fischbein, da beginnt man sich zu wundern, warum ausgerechnet die junge Heldin mit Astrid so einen normalen Namen hat.

Nun, man kennt die Geschichte. Man kennt bestimmt das Original. Und nichts hat sich geändert. Oder zumindest sehr wenig. Das macht die Live-Action-Fassung so ausgezeichnet, weil sie beibehalten hat, was den Charme und die Popularität des Originals ausmacht. Und es macht die Live-Action-Fassung so schlecht, weil die Macher keine Chance wahrnehmen um der Geschichte einen aktuelleren Anstrich zu geben, oder gar eventuelle Makel auszumerzen. Allein in den letzten dreißig Minuten, im Showdown und Epilog, ist die ausufernd gefühlsduselige Melodramatik schwer zu ertragen.

Von den ursprünglichen 98 Minuten hat Dean DeBlois auf 125 Minuten aufgestockt. Während sich der Horrorfilm momentan zum Glück wieder bei unter 100 Minuten eingependelt hat, liegt der Trend bei Animations-, sprich Live-Action-Filmen über der zwei Stundenmarke. Dem Film selbst merkt man das kaum an, es kommt sogar den Charakterszenen zugute. Nur bei den 50% unter Zwölfjährigen im Premierenpublikum, wird dann gerade in den ruhigen Szenen eine gewisse Unruhe auffällig. Dennoch hat der Film von seiner grundsätzlichen Anziehungskraft auch hier nichts verloren.

How Train Dragon a - © Universal Studios

Mit Newcomer und Durchstarter Mason Thames hat man auch einen richtige guten Hicks gefunden, der nicht nur physisch eine frappierende Ähnlichkeit zu seinem Computer-Alter-Ego aufweist. Thames hat ein tolles Gespür für Timing und findet feine Facetten zwischen Komik und Drama. Und seine Interaktionen mit einem in Wirklichkeit nicht vorhandenen Drachen sind einfach tadellos. Ähnliches kann man über Neueinsteigerin Nico Parkers Auftritt als Astrid sagen, die aber nicht ganz so nuanciert im Spiel ist. Doch in ihrer erst siebten Rolle zeigt das Herz von „Suncoast“ erneut, dass mit ihrer starken Präsenz vor der Kamera, in Zukunft noch einiges mehr zu erwarten ist. Ihr kauft man einfach ab, dass sie eines Tages Häuptlich der Wikinger von Berk sein wird.

In dieser Neufassung hätte man durchaus auf ein paar – zumindest in der deutschen Synchronisation – absolut unpassende, verkrampfte, und nicht annähernd originelle Einzeiler verzichten können. Dafür entschädigen die imposanten Bilder, besonders viele der Flugaufnahmen mit Hicks und Ohnezahn sind wirklich atemberaubend. Eigentlich alle mit CGI eingefügten Drachen überzeugen in ihrem Fotorealismus. Die Kompositionen von Visuellen Effekten und Realaufnahmen sind makellos, und beide Ebenen scheinen tatsächlich aus derselben Welt, am selben Ort. Selbst der eigentliche Hauptdarsteller Nachschatten Ohnezahn, im Trailer noch wenig überzeugend, gewinnt in Textur und Bewegung – und an Niedlichkeitsfaktor – eine unerwartet realistische Präsenz.

Die mit Ja beantwortete Frage, ob denn diese Art von Neuverfilmungen wirklich sein müssen, oder ob es sie braucht, ist der visuellen Umsetzung zu verdanken. Es hat nichts mit der Geschichte zu tun, nichts mit den Aussagen über Loyalität, Integrität oder Familie. Hier hat sich „Drachenzähmen“ kein bisschen neu ausgerichtet, modernisiert oder gar erweitert. Aber reale Bilder sind grundsätzlich ansprechender, umso mehr, wenn eine Fantasy-Welt visuell erfahrbare Wirklichkeit wird. Und lebensecht monumental sind sie auch, die Bilder des Wikingerdorfs Berk, oder die große Halle des Rates. Beeindruckend die Felsenlandschaften und Wälder. Bevölkert von echten Menschen unterschiedlichen Schlags, und realistischen Drachen. Es ist eine greifbare und lebendige Welt, mystisch und zugleich einladend. Über die Notwendigkeit von Neuverfilmungen kann man sicherlich gut streiten. Aber der neue „Drachenzähmen“ rechtfertigt sich selbst. Auch wenn es Dean DeBlois versäumt, irgendwo und irgendwie neue Ansätze zu finden.

How Train Dragon b - © Universal Studios


Darsteller: Mason Thames, Nico Parker, Gerard Butler, Nick Frost, Gabriel Howell, Julian Dennison, Bronwyn James u.a.

Regie: Dean DeBlois
Drehbuch: Dean DeBlois
Nach dem Drehbuch von Dean De Blois, William Davies, Chris Sanders
Kamera: Bill Pope
Bildschnitt: Wyatt Smith
Musik: John Powell
Produktionsdesign: Dominic Watkins
Großbritannien, USA / 2025
125 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL STUDIOS
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