ECHO VALLEY

Echo Valley - © Apple TV+– APPLE TV+
– ab 13.06.2025

Im Streaming dient die Mehrzahl von Miniserien zu nichts anderem als Inhalt zu kreieren. Interessante Geschichten, mit starken Darstellern, werden zu ermüdenden sechs bis acht Episoden mit vier bis acht Stunden Laufzeit aufgeblasen, obwohl ein Spielfilm mit 120 Minuten ein perfektes Konzept wäre. Aber nicht Qualität sondern Klickzahlen und Streaming-Minuten bestimmen das Geschäft. Bei Apple TVs 104 Minuten von „Echo Valley“ hingegen wird einem sehr schnell bewusst, dass für die Geschichte eine vierstündige Serie wesentlich zuträglicher gewesen wäre. Michael Pearce ist der Regisseur, dessen letzter Film „Encounter“ enttäuschte. Brad Inglesby ist der Drehbuchautor, der zuletzt mit „Mare of Easttown“ für Thriller-Serien, durchsetzt mit Charakterproblemen, neue Maßstäbe setzte. Somit wird auch sehr schnell klar, dass Ingelsby für das verantwortlich ist, was „Echo Valley“ in Ton und Geschichte so attraktiv macht – neben seinen exzellenten Darstellern.

Seit dem Tod ihrer Frau ist Kate in ein tiefes Loch gefallen. Ihre Pferdefarm kann sie nur mit finanzieller Unterstützung ihres vormaligen Gatten Richard halten. Ihre Tochter Claire ist drogenabhängig, und hat schon öfter eine Reha abgebrochen. Richard hat die Verbindung zu Claire gekappt, aber Kate ist in dieser Beziehung Mutter durch und durch. Immer wieder fällt sie auf Ausreden oder Lügen ihrer Tochter herein, in der Hoffnung am Ende doch etwas zu bewirken. Dabei kann sich Kate wenigstens immer noch auf ihre beste Freundin Leslie verlassen. Bis Claire eine ihrer größten Dummheiten begeht, und Kate in einen Strudel von düsteren Geheimnissen und größter Aufopferung reißt.

Es wäre gelogen zu behaupten, dass „Echo Valley“ nicht spannend sei. Dem Film fehlt nur leider eine klare Linie. Inglesby macht in seinem Buch unterschiedliche Narrative auf, die Pearce in der Inszenierung nicht stimmig ineinandergreifen lässt. Zuerst ist da Kates Trauma des Verlusts, dann wird es ein intensives Familiendrama, schließlich setzt ein leidlich spannender Krimi ein, um unvermittelt von einem nervenaufreibenden Thriller abgelöst zu werden. Bis der Film abrupt mit einer überraschenden letzten Einstellung endet, die auf unbefriedigende Weise zu viel Spielraum für Interpretationen lässt. Diese tonalen Übergänge sind weder fließend, noch bilden sie ein geschlossenes Gefüge.

„Echo Valley“ hat allerdings den Vorteil von einigen herausragenden Elementen, die trotz einer durchschnittlichen Inszenierung, einen sehenswerten Thriller machen. Dazu gehört allerdings nicht Domnhall Gleesons Antagonist Jackie, der anfangs noch ungewöhnlich angsteinflößend funktioniert. Doch der wandelt sich im letzten Akt zu einem extrem unoriginellen Standardbösewicht, der so gar nicht zu dem passt, was Gleeson vorher aufgebaut hat. Aber da ist Julianne Moore, die wieder zeigt warum sie zu den besten Darstellerinnen ihrer Generation zählt. Und da ist Sydney Sweeney, die erneut klarstellt zu den brillantesten Jungdarstellerinnen zu gehören. Oder auch Fiona Shaw, die wieder beweist eine der meist unterschätzten Schauspielerinnen zu sein. Eine Szene zwischen Kate und Claire eskaliert sogar derart, dass man in ihrer Aggressivität und Rohheit schon geneigt ist, vor Erschöpfung die Pausentaste zu drücken.

Echo Valley a - © Apple TV+

Moores selbstzerstörerische Hingabe, Sweeneys unberechenbare Verlogenheit, Shaws freigeistige Verbundenheit. Sie werden getragen von Jed Kurzels unheilvollen Klängen, die im positiven Sinne an Max Richter erinnern, und eindringlich die Atmosphäre von Ungewissheit und Anspannung reflektieren. Eher konventionell ist hingegen Benjamin Kracuns Bildgestaltung, die in den vielen Abend- und Nachtszenen die Stimmung zwar effektiv einfängt, sich dabei aber auffallend künstlicher Lichtquellen bedient. Die Kamerabilder lassen dadurch einen authentischen Touch vermissen, den der Film in seiner oft verstörenden Intensität gut vertragen hätte. Doch von dieser Intensität geht in dem durchschnittlich und absehbar inszenierten, und von Maya Maffioli miserabel, weil absichtlich irreführend montierten Showdown sehr viel verloren.

Ein eindringliches Drehbuch und das beängstigend mitreißende Ensemble können diesen Thriller nicht über das Mittelmaß heben. Ein Film der durchaus unterhält, und in Teilen mit Spannung überzeugt. Aber „Echo Valley“ liegt weit hinter seinen Möglichkeiten, und weit hinter dem, was die Voraussetzungen versprechen. Was hat es mit Ex Richard auf sich? Warum bleibt Claire dem dritten Akt fern? Woher rührt die starke Beziehung zwischen Kate und Leslie? Eigentlich wäre der Film viel mehr Charakter- und Milieustudie, und eine wahnsinnig packende dazu. Vieles führt er aber nicht zu Ende, was er anschneidet. Der Film ist eben als Thriller angelegt, und merklich war für mehr war dann auch nicht die Zeit. „Echo Valley“ ist ein guter Zeitvertreib der nicht wehtut – aber nur, weil er im Abonnement ohnehin schon bezahlt ist.

Echo Valley b - © Apple TV+


Darsteller: Julianne Moore, Sydney Sweeney, Domnhall Gleeson, Fiona Shaw, Kyle MacLachlan u.a.
Regie: Michael Pearce
Drehbuch: Brad Ingelsby
Kamera: Benjamin Kracun
Bildschnitt: Maya Maffioli
Musik: Jed Kurzel
Produktionsdesign: Keith P. Cunningham
USA / 2025
104 Minuten

Bildrechte: APPLE TV+
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Fernsehen gesehen abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar