F1: The Movie

F1 - (c) WARNER BROS– Release 25.06.2025 (world)

Als sich das amerikanische Militär dazu entschied, die Produktion von „Top Gun: Maverick“ mit Beratern und Material zu unterstützen, konnte man am Endprodukt sehr leicht erkennen, warum das Pentagon mit Freuden dem Projekt zugestimmt hatte. Ähnlich verhält es sich nun mit der FIA, die im Motorsport unter anderem auch für die Formel 1 Meisterschaften zuständig ist. „F1“ wurde an den originalen Rennstrecken gedreht, in den Phasen zwischen Qualifying und Rennen der wirklichen Wettbewerbe. Alle realen Rennställe beteiligten sich an der fiktiven Geschichte. Und Spitzenpilot und mehrfacher Weltmeister Lewis Hamilton fungiert sogar als Co-Produzent. Das alles, zusammen mit dem manipulativen Zauber des Filmemachens, gestaltet die kraftvollste und realistischste Renngeschichte des Kinos soweit. Und das kommt von jemanden, der für die Formel 1 tatsächlich sehr wenig Begeisterung aufbringt.

Und noch etwas gehört zum Zauber des Kinos – man muss nicht unbedingt Vorwissen haben. Lewis Hamilton kennt man aus der Tagespresse, da erklären sich die Zwischenschnitte seiner missmutigen Reaktionen auf den fiktiven Helden von selbst. Der Held ist Sonny Hayes, ein ausgebrannter Rennfahrer, der dreißig Jahre vorher wegen eines Unfalls aus der Formel 1 ausstieg. Seine bester Freund und ehemaliger Teamkollege Ruben, Besitzer des erfolglosen F1-Rennstalls APX GP, holt Sonny aus der Versenkung. Er soll mit dem aufstrebenden Joshua Pearce ein Team bilden, und Joshua nebenbei einiges über das Fahren beibringen. Mit dem jungen Joshua und dem alternden Sonny treffen zwei selbstüberschätzte Alphas aufeinander, die schon allein aus Überheblichkeit nicht wirklich zusammenarbeiten wollen. Aber man kennt solche Geschichten.

Als sich ein Projekt aus dem Team Brad Pitt, Produzent Jerry Bruckheimer, Regisseur Joseph Kosinski und Autor Ehren Kruger abzeichnete (außer Pitt, alle „Top Gun: Maverick“-Mitstreiter), gewann Apple den Bieterkrieg für seine Streaming Plattform. Als sich auf Wunsch von Brad Pitt ein Formel 1-Film daraus entwickelte, mit einem immensen, fast unbezahlbaren Produktionsaufwand, stand auch schnell eine Auswertung fürs Kino fest. Die bittere Ironie für den Streaming Service: „F1“ wird niemals im Heimkino funktionieren. Auch mit einem 75-Zoller nicht. Der Film ist nicht allein für Kino gemacht, aber seine unglaubliche filmtechnische und künstlerische Größe schränkt das ein. Anderes als Kino würde für ein wirkliches Erleben nicht ausreichen.

Ist „F1“ wirklich so gut? Nein, ist er nicht. In der Umsetzung des Narrativs ist er sogar eine Katastrophe. Man kennt die Geschichte – wie oben bereits erwähnt – aber man wird sich nicht erinnern können, wann diese Geschichte das letzte Mal so platt, so billig, so unsäglich vorhersehbar erzählt wurde. Wenn die überaus attraktive Kerry Condon als technische Direktorin von APX GP in Erscheinung tritt, weiß man um ihre zukünftige Beziehung. Wenn ein Investor dem kurz vor dem Bankrott stehenden Ruben Hoffnung und Zuversicht zuspricht, weiß man wer der Bösewicht in der Geschichte sein wird. Wenn eine Mechanikerin am Anfang etwas Dummes tut, weiß man, auf wenn am Ende wirklich Verlass ist. Wenn sich Joshua und Sonny ihre Abneigung ins Gesicht werfen, weiß man, was für ein Spitzenteam sie am Ende sein werden. Jedes kleinste Element in der Handlung ist vorhersehbar, dass geht hin bis zu den Dialogen, bei denen man aus dem Publikum schon ganze Sätze vorsprechen kann, bevor es die Protagonisten tun.

F1 c - (c) WARNER BROS

Die Handlung ist derart erschreckend einfallslos wie Mainstream-Kino nur sein kann. Die Frage ist, wieweit es dieser Action-Extravaganza schadet. Eigentlich gar nicht. Es entsteht ganz schnell der Eindruck, Regisseur Joseph Kosinski liebt und genießt es, mit diesen schlechten Klischees und abgedroschenen Phrasen zu spielen. Er will sehen, wie seine Akteure damit umgehen, und was sie daraus machen. Und man muss diesem Film zugestehen – den man einzig und allein wegen der spektakulären Rennen sehen will – das er dank der beeindruckend einnehmenden Schauspielerriege auch in den Spielszenen funktioniert. Zumindest, das man leicht darüber hinwegsehen kann.

Kerry Condon und Javier Bardem sind ohnehin Darsteller, denen man gefahrlos fast alle Rollen anvertrauen kann. Condon mit verfänglichem Charme, die technische Direktorin im spielerischen Selbstverständnis einer archaischen Männerdomäne. Bardem mit getriebener Lässigkeit unter der viel Verunsicherung zu spüren ist. Doch wirklich überraschend ist Damson Idris, der mit belebender Energie den ermüdenden Stereotyp des überheblichen Rüpels überzeugend macht. Idris‘ bringt seine arroganten Anmaßungen facettenreich genug, damit sein Joshua Pearce weder einen einfältigen noch berechnenden Eindruck macht. Er ist ein Mensch, der seinen Weg tatsächlich erst finden muss. Und dann ist da ja noch Brad Pitt… – über den wurde eigentlich schon alles gesagt.

Natürlich ist Brad Pitt der Film. Unabhängig davon wie bravourös die anderen Darsteller ihre Rollen meistern. Pitt hält die Sequenzen der einzelnen Rennen zusammen. Der Film ist auf Drängen des Schauspielers entstanden, und Joseph Kosinski weiß dessen unbeschreibliches Charisma auch zu nutzen und entsprechend darzustellen, welches seit „Thelma & Louise“ ungebrochen sogar die Männerwelt fasziniert. Und wenn jemand solche Rennen fahren kann, dann Brad Pitt. Daran hat das Publikum keinerlei Zweifel, weil Joseph Kosinski das auch so inszeniert. „Grand Prix“ 1966, „Indianapolis“ 1969, „Le Mans“ 1971, „Driven“ 2001 oder „Rush“ 2013. Von einem Rennfilme zum nächsten war sich ein begeistertes Publikum immer wieder sicher, dass zu diesem Zeitpunkt die Perfektion in der Darstellung des Sports ihren atemberaubenden Höhepunkt erreicht hatte. Dem war auch so. Und jetzt im Jahr 2025 ist es eben „F1“.

F1 a - (c) WARNER BROS

Man kann sehr viel an diesem Film kritisieren. Aber nichts gibt es an der wortwörtlich atemberaubenden Inszenierung der Rennen auszusetzten. Hier stimmt alles. Die oben genannte Perfektion ist hier durch das Zusammenspiel aller Gewerke auf die Spitze getrieben. Die Kamera zeigt uns alles. Subjektiven und Aufsichten, von Autos, Fahrern, von den Zuschauern, Überflüge, Parallelfahrten, das Team am Kommandostand. Der Schnitt ist unglaublich schnell, ohne die Orientierung verlieren zu lassen. Der Trick mit dem Streckenmoderator aus dem Off funktioniert auch hier, um zu erklären, was die Zuschauenden nicht sehen oder wahrnehmen können. Und was man ebenfalls wahrnimmt – ein wirkliches Phänomen – das die Aufnahmen zu 95% real sind.

Dazu puscht der wummernde Soundtrack von Hans Zimmer, der hier noch einmal lauter abgemischt ist, als bei „Interstellar“. Das Sound Design und die Effekte geben ein eindrucksvolles Gefühl für das Cockpit, und lassen den Kinosaal erbeben – ohne Übertreibung. Es ist schwindelerregend, ohrenbetäubend und verdammt aufwühlend. „F1“ könnte bei 155 Minuten durchaus kürzer sein, aber es sind die Rennsequenzen die es immer wieder schaffen einen zurückholen, reinziehen und den Atem anhalten lassen. Natürlich ist es schade wenn ein Film keine gleichwertige und sich ergänzende Größe und Perfektion auf allen Handlungsebenen erreicht. Aber was den Sinnen – Hören, Sehen, Fühlen – an Dynamik und Spannung in den bestimmenden Rennen geboten wird ist pure Kinokunst, und rechtfertigt das gesamte Paket wie es Joseph Kosinski darbietet. Das sagt jemand, der für Autorennen und Formel 1 wenig Verständnis aufbringt. Nur allzu schade, das „F1“ auf den heimischen Bildschirmen nicht so funktionieren kann.

F1 b - (c) WARNER BROS


Darsteller: Brad Pitt, Damson Idris, Kerry Condon, Javier Bardem, Tobias Menzies, Kim Bodnia, Sarah Niles u.a.

Regie: Joseph Kosinski
Drehbuch: Ehren Kruger, mit Joseph Kosinski
Kamera: Claudio Miranda
Bildschnitt: Stephen Mirrione
Musik: Hans Zimmer
Produktionsdesign: Ben Murro, Mark Tildesley
USA / 2025
155 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS
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