FINAL DESTINATION: BLOODLINES
– Release 15.05.2025 (World)
Es ist eine berechtigte Frage und eine fundierte Feststellung – „fällt denen denn nichts Neues ein“, und „es ist immer wieder das Gleiche“. Doch jetzt kommt mit „Final Destination: Bloodlines“ ein Film, der alles Wehklagen und jede Wutrede lässig auf die Seite wischt. Das bewährte Regie-Duo Zach Lipovsky und Adam B. Stein haben nach 14 trockenen Jahren das Flussbett wieder gefüllt, um auf brillante Weise den Blutdurst eines begierigen Publikums zu stillen. Und das es auf so obszön befriedigende Art geschieht, ist in erster Linie „Abigail“- und „Castle Rock“-Autor Guy Busick zu verdanken. Zusammen mit Lori Evans Taylor hat Busick eine nicht nur beeindruckende Fortsetzung der Filmreihe, sondern auch exzellente Erweiterung für diesen bizarren Kosmos des Todes auf den Weg gebracht.
1968 besucht die junge Iris mit ihrem Freund die Eröffnung des Skyview Towers, ein perfektes und wahrscheinlich bewusst unangenehm angelegtes Abbild der Space Needle von Seattle. Es ist eine kleine Ein-Cent-Münze die eine Kettenreaktion mit katastrophalem Ausgang und unvorstellbar vielen bizarren Todesfällen auslöst. Ganz wie man es von den „Final Destination“s gewohnt ist. Nur das sich hier die Macher – ohne Übertreibung – wirklich selbst übertroffen haben, und sogar die Highway-Karambolage aus Teil Zwei in den Schatten stellen. Es ist ein visuelles Spektakel voll mitreißender Energie durch einen grandiosen Schnitt. Allein diese Eröffnung in dem 200 Meter hohen Turmrestaurant wäre schon ein eigenständiger Film. Vergleiche mit den in den Siebzigerjahren perfekt konstruierten Katastrophenfilmen sind keinesfalls übertrieben.
Nur das hier mit wunderbar blutigen und herrlich derben Todesarten geschockt wird. Besser noch, als man es von den „Final Destination“s bisher gewohnt war. Kenner ahnen es: die fürchterlichen Ereignisse im Turm waren nur eine Vorahnung von Iris, die mit dieser Warnung die Menschen im Turm retten kann. Wir wissen, dass der Tod es nicht mag, wenn man versucht ihn auszutricksen. Aber Iris hat es seinerzeit geschafft, und damit den Tod an ihre Enkelin Stefani vererbt. Denn nach dem Plan hätte es von Iris keine Nachfahren geben dürfen, und der Tod muss für Ausgleich sorgen. Anders als bei den Vorgängern, in der sich der Tod nach einer Vorahnung die Überlebenden sofort in der Reihenfolge ihres gedachten Ablebens holte, wirft „Bloodlines“ einen neuen, etwas komplexeren Blick auf die Arbeit und das Design von Gevatter Tod.
Es ist erfreulich und herrlich anzusehen, dass sich die Macher nicht auf dem Konzept der Reihe ausruhen, sondern den Geschichten immer noch neue Aspekte und kluge Erweiterungen hinzu zu fügen verstehen. Natürlich stehen die expliziten und sehr raffiniert ausgetüftelten Todesszenarien im Vordergrund. Hier kommt keiner wegen geschliffener Dialoge oder intellektuellen Handlungsstrukturen. Aber das Geheimnis des Erfolges liegt genau darin, dass innerhalb dieses Universums die Figuren und ihre Dialoge, sowie der Aufbau und Ablauf der Geschichte, absolut plausibel und natürlich sind. Es gibt vielleicht Stereotypen in den Opferrollen – grandiose Schadenfreude bei dem unartigen Jungen am Anfang – aber die Figuren selbst bleiben glaubwürdig.
Was die fünf Filme vorher und diesen Teil im Besonderen von dem schier unendlich scheinenden Fundus an individuellen Horror und auch Franchise-Slashern abhebt ist seine Technik. Das atemberaubende Zusammenspiel von Kamera, Schnitt und der beängstigenden Kreativität der Autoren, Menschen verbrennen, zerstückeln, explodieren oder zerquetschen zu lassen. Jeder Tod erzeugt beim Publikum wahrhaftig mitfühlenden Schrecken. Wobei sich nach dem furchtbaren Erschaudern, die Absurdität des Ablebens dann doch in befreiendem Kichern Bann bricht. Viel effektiver ist allerdings der Weg dorthin, der in minutenlangen Kettenreaktionen von einer kleinen Glasscherbe hin zu einem Amok laufenden Rasenmäher führt. Das ist alptraumhafte Hochspannung, in der diese Inkarnation – überhaupt im aktuellen Horror – neue Maßstäbe setzt.
Das Regie-Duo Zach Lipovsky und Adam B. Stein können zusammen mit den Autoren Guy Busick und Lori Evans Taylor – zumindest kurzfristig – den Glauben an kreative und reizvolle Horrorschocker wieder herstellen. Und nicht zu vergessen Christian Sebaldt an der Kamera und Sabrina Pitre in der Montage, die das perfide Vergnügen mit dem Einfallsreichtum des Todes erst richtig auf die Spitze treiben. Aber die Macher setzen noch einen gewaltigen emotionalen Schlag oben drauf, wenn sie einer außergewöhnlichen Ikone Tribut zollen, und jeden affektionierten Horrorfan zu ehrlichen Tränen rühren.
Es ist der letzte Auftritt von Tony Todd. Sichtlich gezeichnet von seiner Krebserkrankung, war es ihm selbst ein Anliegen, auf diese Weise seinen Hut zu nehmen. Tony Todds herzergreifende Szene ist beeindruckend doppeldeutig, in welcher er die hilfesuchenden Protagonisten über das Design von Gevatter Tod aufklärt, sich mit seinem Monolog aber gleichzeitig von den Fans verabschiedet. „Final Destination: Bloodlines“ ist wahrhaft ein Unikat im Genre an sich und im Franchise-Geschäft insbesondere. Er macht auf seine verdrehte Art alles richtig, denn er kann sich als absolut eigenständig behaupten. Es ist erfrischend zu erleben, dass es in einem aufgearbeiteten Genre noch furchtbar fruchtbare Ambitionen gibt. „Bloodlines“ ist neben seiner Eigenständigkeit aber gleichsam auch eine perfekte, und in der Reihe die beste Fortsetzung.
Darsteller: Kaitlyn Santa Juana, Teo Briones, Richard Harmon, Owen Patrick Joyner, Rya Kihlstedt, Gabrielle Rose, Brec Bassinger und Tony Todd u.a.
Regie: Zach Lipovsky, Adam B. Stein
Drehbuch: Guy Busick, Lori Evans Taylor
Kamera: Christian Sebaldt
Bildschnitt: Sabrina Pitre
Musik: Tim Wynn
Produktionsdesign: Rachel O’Toole
Kanada, USA / 2025
110 Minuten