BALLERINA
– Release 05.06.2025 (world)
Wie viele Filme gibt es in denen junge Mädchen, der Ermordung ihrer Eltern / Vaters beiwohnen müssen, und dann als knallharte Amazone blutige und bleigefüllte Rache nehmen? Es wird schwierig, weil es derer zu viele gibt. Nicht zu vergessen die prothetisch aufgepeppten oder genmanipulierten Kampfmaschinen. Und diese Kategorie Film schlägt jetzt ausgerechnet auch noch in die Welt des John Wick. Der lange geplante und direkt nach „John Wick 3: Parabellum“ angesiedelte Ableger. War das notwendig? Für Freunde ausufernder, raffiniert choreografierter Action sicherlich. Für die Welt des John Wick ist „Ballerina“ kontraproduktiv. Wir haben diesen Film nicht nur schon so oft gesehen, wir haben ihn auch in jedem John Wick-Teil gesehen. Nicht das Ana de Armas keine ansehnliche, akrobatische und noch dazu glaubwürdige Killerin mit übernatürlich scheinenden Fähigkeiten wäre. Aber es sind Attribute, die man eigentlich mit dem Baba Jaga verbindet, und dieser eigentlich längst mit Keanu Reeves eine nicht zu trennende Verbindung eingegangen ist.
Die junge Eve Maccaro muss mit ansehen, wie ihr Vater von den Schergen des ‚Kanzler’s ermordet wird. Der ‚Kanzler‘ ist der Anführer einer Kult-Gemeinde, aus der Eves Mutter stammte. Das Waisenkind Eve wird vom Continental-Manager Winston aufgenommen und der ‚Direktorin‘ vorgestellt, die das Kind zur Killerin ausbilden lässt. Jahre vergehen und Eve kommt bei ihrem ersten Job an Informationen, wer ihren Vater getötet hat und wo diese Leute zu finden sind. Den Rest kann man sich selbst zusammenreimen. Auch wenn „Ballerina“ hier und da ein paar handlungstechnische Ecken und Kanten eingebaut hat, besonders raffiniert ist die Geschichte nicht. Erwartet auch keiner.
Das Problem ist, dass man alles schon gesehen hat, und das auch noch viel besser. Soll nicht heißen das die Action und der Body Count unbefriedigend wären, ganz im Gegenteil. Len Wisemans Film wird Freunde des aufgeblasenen Krawallkinos mächtig viel Vergnügen bereiten. Aber den Ansprüchen eines ‚John Wick‘ wird es nicht gerecht, schon allein, weil der Film eine exakte Kopie der ursprünglichen Serie sein will. Kann sich noch jemand daran erinnern, dass es ein dreiteiliges Epos mit dem Titel „The Continental“ gegeben hat? Ja genau, „aus der Welt des John Wick“. Ein bombastischer Spaß, richtig gut gemacht, clever durchdacht, mit allem wie man es gewohnt war. Aber dies war man mit John Wick gewohnt, und nicht mit x-beliebigen Figuren aus dessen Welt. So viel Vergnügen „Ballerina“ auch bereiten mag, er bringt nichts Neues und nichts Originelles. Das für den großen Showdown dann auch tatsächlich noch Keanu Reeves in seiner Paraderollen erscheinen muss, spricht für die Unsicherheit der Macher.
Vielleicht wurde Reeves nachträglich involviert? Genaueres wird man sicherlich erst in ferner Zukunft erfahren. Über die massiven Nachdrehs gibt es ebenso massive unterschiedliche Informationen. Es heißt Chad Stahelski, Regisseur der vier „John Wick“-Filme, hätte mit Len Wiseman zusammen für zwei Wochen an Überarbeitungen gearbeitet. Aber es heißt auch, Stahelski hätte drei Monate alleine fast den ganzen Film neu gedreht. Letztendlich steht Wisemans Name im Abspann, was dann aber auch wieder irrelevant ist. So oder so fehlt dem Film einfach eine stilistische Klasse. Das Dorf Hallstadt [sic!], in dem der ‚Kanzler‘ mit seiner Kult-Gemeinschaft residiert, schreit förmlich nach Computer generierten Bildern. Hallstadt ist kein lebendiges Dorf, es ist eine schlechte Grafik. Was sich nach der stark herausgearbeiteten Ästhetik von Paris in „John Wick 4“ einfach lächerlich ausnimmt. Und Feuer ist von Visuellen Effekten noch immer nicht realistisch nachzustellen, wofür „Ballerina“ ein brennender Beweis ist. Es sind also nicht nur konzeptionelle Entscheidungen, die dem Film zu schaffen machen.
Mit Ian McShane, Anjelica Huston, Keanu Reeves und Lance Reddick (leider seine letzte Rolle – ihm ist der Film gewidmet) hat man so viele Brücken wie möglich eingebaut. Hat die Legende um die Ruska Roma vertieft. Das Hotel Continental kommt wieder zu seinen unergründlichen Ehren. Doch welchen Status will man dem Baba Jaga noch zugestehen? Dieses mystische Wesen, das als grausam und unbezwingbar gilt. Und dessen Namen sich John Wick als Spitzname mehr als verdient hat. Welchen Status hat er noch, wenn man auf Gedeih und Verderb die Ballerina Eve auf dieselbe Stufe stellen will?
Darsteller: Ana de Armas, Ian McShane, Gabriel Byrne, Anjelica Huston, Norman Reedus, Keanu Reeves und Lance Reddick u.a.
Regie: Len Wiseman
Drehbuch: Shay Hatten
nach Charakteren von Derek Kolstad
Kamera: Romain Laccourbas
Bildschnitt: Jason Ballatine, Julian Clarke, Nicholas Lundgren
Musik: Tyler Bates, Joel J. Richard
Produktionsdesign: Philip Ivey
Ungarn, USA / 2025
124 Minuten