– Bundesstart 29.05.2025
– Release 21.05.2025 (GB)
Das Genexperiment 626 ist ein äußerst destruktives, extrem lernfähiges, und absolut unberechenbares Objekt. Deswegen beschließt die Rätin der Vereinigten Galaktischen Föderation, dass das Experiment 626 ins Exil verbannt wird. Das gerissene Objekt kann aber fliehen, und landet dabei aus Versehen auf der Erde. Genauer: auf einer der hawaiianischen Inseln. Es ist die Heimat der jungen Erwachsenen Nani, die nach dem Tod der Eltern damit beschäftigt ist, die Vormundschaft über ihre sechsjährige Schwester Lilo zu behalten. Was bei Lilos unkontrolliertem Verhalten nicht sehr einfach ist. Das Jugendamt steht schon in den Startlöchern, aber Sozialarbeiterin Kekoa gewährt Nani gütiger Weise einen Aufschub, um gewisse Dinge zu regeln und in die richtigen Bahnen zu lenken. Und das ausgerechnet in dem Moment, als Lilo und Experiment 626 aufeinandertreffen. Mehr muss man eigentlich nicht schreiben, der eine oder die andere wird die Geschichte wohl kennen. Besser: wer kennt sie nicht? Und rückblickend muss man sagen, dass von Disneys bislang umgesetzten Live-Action-Adaptionen, dieser Film einer der gelungensten ist.
Nach nur wenigen Tage waren die Kritikerstimmen in aller Ohren oder nachzulesen. Besonders einige jener namhaften Rezensenten, die es im Blut haben, an einem Remake nichts Gutes finden zu dürfen. Mit dem falschen Verständnis für den Begriff Cineast, darf man nur Originale gelten lassen. Dieser Cineast hier will das nicht, denn wegzaubern kann man so einen Film ohnehin nicht, aber grundsätzlich hat er auch seine Berechtigung, ob man will oder nicht. Und Disney wird mit den Live-Action-Adaptionen weitermachen, ob man will oder nicht. Das führt aber alles zu weit von dem weg was ist, und das ist ein Film der seiner Vorlage absolut gerecht wird. Ob man will oder nicht.
Regisseur Dean Fleischer Camp ist der Mann der „Marcel the Shell with Shoes on“ erfunden und gedreht hat. Dementsprechend kann man sich vorstellen, was für ein Gespür Camp für sensible, aber auch absurde Momente hat. Chris Kekaniokalani Bright und Mike Van Waes haben das Buch von Chris Sanders und Dean DeBlois angepasst und aufgehübscht. Nicht immer zum Vorteil. So geht die Live-Action-Version mit 108 Minuten über 20 Minuten länger als das Original. Meist um die Spannungsmomente überstrapazierend auszuweiten. Besonders beim Showdown hätte der Regisseur die Zügel bei den Schreibern merklich anziehen müssen. Auf der anderen Seite kommen nicht nur die Laufzeit, sondern auch die realen Darsteller den Figuren und ihren Beziehungen untereinander zugute. Gerade die gefühlvollen bis kitschigen Dialoge – und derer gibt es reichlich – werden durch reale Darsteller wesentlich zugänglicher, und verstärken die emotionale Bindung zwischen Zuschauerraum und Leinwand.
Und dann ist da Hawaii, und das ist eben Hawaii. Nigel Blucks Kamera fängt hier teilweise berauschende Bilder ein, die zum einen handgezeichnet kaum möglich sind, und dann auch noch die Wechselbäder der Gefühle zwischen anarchischem Tohuwabohu und zärtlicher Familienbande einfach genial einbetten. Aber – Hand aufs Herz – in erster Linie ist da dieses anarchistische Monster. Zu seinen fragwürdigen Wesenszügen, bekommt dieses Monster ein in seinem Rahmen realistisches und damit noch viel entzückenderes Aussehen. Unabhängig von der persönlichen Zugänglichkeit zu der Geschichte – bei Disney thematisch immer Toleranz und wahre Freundschaft – ist Stitch, das Experiment 626, sogar über den Film hinaus eine der beliebtesten Disney-Figuren.
Ein Mädchen im Autismus-Spektrum und eine entfesselte Killermaschine war seinerzeit für den Maus-Konzern eine überraschend neue Combo. Die Liste der ungewöhnlichen Freundschaften ist eine Liste auf der fast alle Animationsfilme von Disney stehen. Und gerade wegen seiner Figuren, die man früher eigentlich als problematisch bezeichnet hätte, ist „Lilo & Stitch“ selbst heute noch unheimlich reizvoll. Es gibt kaum Weiteres zu besprechen was nicht das Original von 2002 in gleicher Form umgesetzt hat.
Dean Fleischer Camp hat sich sehr genau an die Vorlage gehalten, manchmal sogar Sequenzen und Bilder exakt nachgestellt. Wie Stitchs Zerstörung von Cinderellas Schloss am Strand, oder seine Clint Eastwood nachempfundenen bebenden Lippen beim Soda-Duell. Mit einer starken Maia Kealoha in ihrem Schauspieldebüt und einem grandios animierten Stitch wird diese Live-Action-Version im Vergleich zu so etwas wie dem großen Bruder, selbst wenn er später geboren wurde. Beide Filme nehmen sich nichts, viel mehr bereichern sie gemeinsam ihr angestammtes und auch neues Publikum. Selbst wenn manch verbohrter Kritiker diesen großen Bruder gerne im Waisenhaus sähe. „‚Ohana‘ heißt ‚Familie‘, und Familie heißt, dass niemand zurückgelassen wird.“
Darsteller: Maia Kealoha, Sydney Elizebeth Agudong Tia Carrere und den Stimmen von Chris Sanders, Zach Galifianakis, Courteney B. Vance, Billy Magnussen u.a.
Regie: Dean Fleischer Camp
Drehbuch: Chris Kekaniokalani Bright, Mike Van Waes
Nach den Drehbuch von Chris Sanders & Dean DeBlois
Kamera: Nigel Bluck
Bildschnitt: Philip J. Bartell, Adam Gerstel
Musik: Dan Romer
Produktionsdesign: Todd Cherniawski
USA / 2025
108 Minuten