Was ist Liebe wert – MATERIALISTS

Materialists c - (c) Courtesy A24MATERIALISTS
– Bundesstart 21.08.2025
– Release 12.06.2025 (AUS)

Preview, 20.8.25, Cineplex Fürth
Zwei Jahre hat man auf Celine Songs Nachfolger des ergreifenden „Past Lives“ warten müssen. Gefühlt eine lange Zeit. Umso enttäuschender ist das Ergebnis dieses Films, der sich nicht aus den Zwängen seines eigenen Narratives zu befreien versteht. Song hat einige raffinierte Ideen und Dialogsequenzen ersonnen, doch nicht clever genug, als das man bei der Geschichte nicht unwillkürlich an Nancy Meyers „Es ist kompliziert“ von 2009 denken müsste. Wobei der Meryl Streep-Starrer seinerzeit wirklich nichts anderes sein wollte, als eine sehr gut gespielte, wahnsinnig romantische Komödie. Sehr gut gespielt ist „Materialists“ auch, der sich in Deutsch die Frage stellt „Was ist Liebe wert“. Aber Celine Song geht mit ihrem Liebesreigen nicht radikal genug gegen die stereotypen Klischees der romantischen Komödie an. Und wenn sie es versucht, strauchelt sie an überlangen Dialogen und kuriosen Stimmungswechseln.

„Materialists“ ist aber keineswegs uninteressant. Da gibt es die ledige, überaus attraktive Partnervermittlerin Lucy. Sie ist die beste bei Adore Matchmaking, und kann schon neun Hochzeiten von vermittelten Paaren feiern. Für Lucy ist alles Mathematik, die besten und meisten Übereinstimmungen bei den angegebenen Ansprüchen und Wünschen, ergibt die wahrscheinlichste Chance für ein passendes Paar. Auf der Hochzeit eines Klientenpaares lernt sie den charmanten und eloquenten, noch dazu wohlhabenden Finanzier Harry kennen. Doch bei derselben Gelegenheit trifft Lucy auch auf ihren ehemaligen Freund John. Der auf der Hochzeit allerdings beim Catering arbeitet. Ein Job, der ihn nur leidlich über Wasser hält. Für die bekennende Materialistin Lucy seinerzeit der Auslöser sich von John zu trennen. Wenn Beziehung, dann schon reich.

Die Regisseurin, und gleichzeitig Autorin, hat selbst als Partnervermittlerin gearbeitet, was dem Film merklich zugutekommt. Das ist manchmal brüllend komisch, aber oft auch erschreckend abstoßend. Immer wieder unterbricht Song die Geschichte ihrer Heldin mit Interviews potentieller Kunden. Deren unreflektierten Ansprüche an das andere Geschlecht, die Idealisierung der eigenen Person, oder jene, die sich selbst herabwürdigen. Auf dieser Ebene wandelt sich „Materialists“ von einer Rom-Com zum Spiegel einer Kultur von gesellschaftlichem Narzissmus. Lucys Kunden möchten nicht mehr selber für die Optimierung des eigenen Lebensplans verantwortlich sein.

Materialists a - (c) SONY PICTURES - Adore Matchmaking LLC

Die Raffinesse bei Celine Songs Inszenierung ist Lucys Geschichte, die in voller Länge erzählt wird, während ihr zu vermittelndes Klientel parallel dazu ähnliche Kuriositäten von sich geben. Damit dies funktioniert, braucht es die Präsenz von Hauptdarstellerin Dakota Johnson. Sie ist als Lucy durchaus die charmant manipulative Vermittlerin, aber sie trägt in ihrer Präsenz auch diese Sehnsucht nach einem festen Punkt in ihrem Leben. Selbst wenn sie behauptet im selbst auferlegten Zölibat zu leben. Und immer wieder betont Lucy, dass sie ohnehin nur an einer Beziehung mit Vermögen interessiert ist. Lucy ist ein sehr komplexer Charakter. Doch mit Johnson wird diese sonderbare Ideologie von Materialismus für Zusehende zum herausfordernden Gedankenspiel. Niemand von den Protagonisten ist ein wirklich fragwürdiger Charakter. Ja zugegeben, sie sind alle attraktiv, sind alle liebenswürdig, und bewegen sich in einem luxuriösen Umfeld. Selbst der weniger privilegierte John hadert nicht mit seinem Status.

Allerdings sind Celine Songs Figuren gerade durch die herausragenden Darsteller schlichtweg real, glaubwürdig und oft vertraut. Das Handlungsgerüst auf dem sie sich bewegen ist es nicht. Es gibt viele Längen, auch wenn die Regisseurin ihren Protagonisten Zeit zur Entfaltung zugestehen möchte, gibt es Dialoge die wie ein Echo ihrer selbst wirken. Sehr oft weiß das Publikum schon, was Lucy, Harry oder John umtreibt, bevor diese es endlich aussprechen. Dann wirft Song zum Midpoint des zweiten Aktes ein dramatisches Element ein, das überhaupt nicht zur ersten Hälfte des Films passt. Es mag notwendig sein, ist aber extrem unglücklich umgesetzt.

Wegen des stark konstruierten Verlaufs, verliert der Film auch in der zweiten Hälfte nicht seine Berechenbarkeit. Selbst wenn die Handlung zwischen dem watteweichen Dilemma seiner Hauptpersonen und der bitteren, brisanten Nebenhandlung pendelt. Bei beiden Ebenen fehlen immer die notwendigen Momente der Überraschung und des Ungewöhnlichen. Dafür wären Johnson, Pascal und Evans bestens geeignet, aber Celine Songs Aufbau und Inszenierung der Erzählung verweigert es ihnen. Obwohl „Materialists“ unheimlich viel zu sagen hat. Und er sagt es auch, manchmal direkt, manchmal irgendwo zwischen den Zeilen. Aber vieles geht verloren, weil der Film ständig eine Atmosphäre von leichter Dramödie vor sich herträgt, die den Eindruck vermittelt, seiner eigentlichen, sehr tief gehenden Betrachtungen widersprechen zu wollen. Celine Song ist zweifelsfrei eine begnadete Filmemacherin mit dem Blick für Menschen und das Wesentliche. Hier hat sie eben nicht so genau hingesehen.

Materialists b - (c) SONY PICTURES / Adore Matchmaking LLC


Darsteller: Dakota Johnson, Chris Evans, Pedro Pascal, Zoe Winters, Marin Irland u.a.

Regie & Drehbuch: Celine Song
Kamera: Shabier Kirchner
Bildschnitt: Keith Fraase
Musik: Daniel Pemberton
Produktionsdesign: Anthony Gasparro
Finnland, USA / 2025
116 Minuten

Bildrechte: SONY PICTURES / A24 / Adore Matchmaking LLC
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