THE LEGEND OF OCHI
– Bundesstart 01.05.2025
– Release 27.02.2025 (UKR)
Die Produzenten versprechen: Kein CGI beim Aussehen oder den Bewegungen der Kreaturen. Richtig alte Schule der Puppenspielerei. Das macht Isaiah Saxons Spielfilmdebüt zum wohl berührendsten und charmantesten Beitrag jener eigenartigen Gattung Film, in der Kinder unwahrscheinliche Freundschaften mit wilden Geschöpfen eingehen. Aber Isaiah Saxons Film ist gleichzeitig auch einer der merkwürdigsten Beiträge beim aktuellen Familienfilm. Und das betrifft nicht nur allein die Geschichte. Paul Rogers Montage (Oscar für „Everything Everywhere All at Once“) wirkt an vielen Punkten unentschlossen und sprunghaft, wirklich flüssig sieht sich der Film nicht an. Und was das Produktionsdesign um Jason Kisvarday mit seiner tristen Ausstattung und oftmals deprimierenden Schauplätzen für eine Welt darstellen soll, bleibt ein eigenartig ungewisses Rätsel.
Es fängt damit an, dass die Geschichte auf eine Insel spielen soll, die Carpathia heißt. Gedreht wurde auch in Rumänien und in den Karpaten. Die Figuren haben alle slawische Namen, und jeder läuft in so überzogen angeranzten Klamotten herum, wie man es sich nur als überheblicher Westler von ärmlichen rumänischen Gegenden vorstellen kann. Und sie handeln auch so zurückgeblieben, wie man es unbedarft beschreiben würde, um das absolute Klischee zu bedienen. In dieser Welt von Carpathia werden Monster gejagt. Ein Trupp von acht Nachbarskinder wird vom alternden Maxim fanatisch angeführt, um nachts im Wald Ochis zu erschießen. Mörderische Kreaturen, die im Alter aussehen wie Orang Utans, und als Kind wie der Cousin von Gizmo, dem Mogwai.
Yuri ist die Tochter von Maxim, und es wird schnell deutlich warum sie den Namen eines Jungen hat. Es ist eine tragische Familiengeschichte, wie aus dem Lehrbuch für einen Spielberg-Film. Womit die Ähnlichkeit zum legendären Hollywood-Regisseur noch lange nicht endet. Denn Yuri hat kein Interesse an der Jagd, und Vater Maxim zeigt offen seine Enttäuschung, dass sie kein Junge ist. Sie findet im Wald ein verletztes Ochi-Kind und beschließt es zu seiner Mutter zurückzubringen. Wobei nicht ganz klar wird, ob Ochi nun der Name des Individuums oder der Spezies sein soll. Ob Yuri ihre selbstgestellte Mission erfüllen wird, steht dann wiederum außer Frage. Spielberg eben.
Isaiah Saxon setzt bei seiner Inszenierung auf einen radikalen Niedlichkeitseffekt. Und der funktioniert umwerfend gut, und zwar genau wegen der altbackenen Technik mit animatronischen Puppen. „The Legend of Ochi“ wird zu einem Abenteuer aus längst vergangenen Tagen, wo nicht die Perfektion der Effekte im Vordergrund steht, sondern die spürbare Liebe zum Kino und das Gefühl für etwas Wundersames. So wird man immerzu von den Ambitionen des Filmdebütanten hin und her gerissen, denn Saxon will nicht einfach kopieren. Und dann passiert, dass nicht nur Spielberg anwesend ist, sondern sein Film auch ständig von der Tristesse eines Aki Kaurismäki überfallen wird.
Das Carpathia ein armes Land sein soll, kann Sxon sehr schnell deutlich machen. Doch viele Szenen und Ausstattungsmerkmale lassen manche Settings in ihrer überzogenen Art dann schon wieder wie eine Parodie erscheinen. Wie der eigentlich knallbunte Supermarkt, bei dem die Farben sind so stark entsättigt sind, dass der Laden schon traurig erscheint, oder die nackte Glühbirne über dem Esstisch, und nicht zu vergessen Maxims römische Spielzeugrüstung aus Plastik. Das deprimierende Grundgerüst und die verbitterten Figuren konterkarieren die zuckersüße Unschuld des Ochi. Wenn einer der namhaften Darsteller auffällt ist es Willem Dafoe, der dann aber schon wieder bis hin zur Karikatur spielt. Helena Zengel, Emily Watson und Finn Wolfhard sind – Kanonenfutter gleich – nicht ausgelastet und absolut unterfordert. Dennoch sind die Konflikte in der Familie so stark von gegenseitigem Unverständnis geprägt, dass sich der Regisseur in der fast schon messianischen Auflösung völlig ins Unverständliche übernimmt.
Die Stimmung in vielen Sequenzen macht diesen Familienfilm für Kinder nicht wirklich geeignet. Der Film ist ein ständiges hin und her an Gefühlen, Einfällen und Aussagen. Isaiah Saxon gelingt kein einheitliches Bild seiner Welt, kein konsistenter Fluss in der Erzählung. Das gilt auch in Bezug auf David Longstreths überbordende Musik die unentwegt das Prelude von ‚Das Rheingold‘ zitiert, was stets viel mehr vorgibt, als Saxon in der Inszenierung liefern kann. „The Legend of Ochi“ wird immer dann am schönsten, wenn sich Szenen aus dem Narrativ nehmen und starken, oft künstlich übersteigerten Landschaftsaufnahmen frönen – und wenn berührend und charmant die wundervoll magische Kunst von lebendig gewordenen Puppen zelebriert wird.
Darsteller: Helena Zengel, Willem Dafoe, Emily Watson, Finn Wolfhard u.a.
Regie & Drehbuch: Isaiah Saxon
Kamera: Evan Prosofsky
Bildschnitt: Paul Rogers
Musik: David Longstreth
Animatronic Designer: Karl Gallivan, Adrian Parish, Adam Wright
Produktionsdesign: Jason Kisvarday
Großbritannien, Finnland, USA / 2025
96 Minuten