SKETCH

Sketch - (c) KINOSTAR Filmverleih– Bundesstart 21.08.2025
– Release 06.08.2025 (US)

Nach 13 Kurzfilmen und einer TV-Episode hat Seth Worley mit „Sketch“ seinen ersten und gleichzeitig selbst verfassten Spielfilm inszeniert. Und „Sketch“ ist das Beste was in den letzten Jahren an Kinderfilm in die Kinos kam. „Sketch“ ist auch das Beste was an in den letzten Jahren als Fantasyfilm für ein junges Publikum in die Kinos gekommen ist (um nicht das Genre Horror bemühen zu müssen). Worleys Film hat etwas zu sagen. Er ist intelligent, nicht nur weil er sein Zielpublikum versteht und ernst nimmt, sondern weil er deren Sprache spricht – nicht nur im Dialog, auch bildlich. Das macht „Sketch“ auch zum perfekten Familienfilm, denn er hat auch für Erwachsene sehr viel zu sagen. Seine Themen sind Familie, Tod, Trauer, Angst und das kindliche Selbstverständnis, dass einem die Fantasie auch durch das Leben hilft. Und so geht jeder in der Wyatt-Familie anders mit dem Tod von Ehefrau und Mutter um. Besonders Tochter Amber, die ihren Schmerz mit gruseligen Zeichnungen von Monstern kanalisiert.

Jetzt ist es erzählerisch tatsächlich nichts Neues, Kindern ihr Verlusttrauma durch Fantasieabenteuer behandeln zu lassen. Und Worley folgt dabei dem direktesten Weg, schnörkellos und ohne Abweichung. Nur tut der er das mit einem ungewöhnlichen Gespür für das Drama, wie auch für die fantastischen Zutaten. Ambers älterer Bruder, der zwölfjährige Jack, findet in den Wäldern hinter dem Haus einen kleinen See, in dem sein kaputtes Smartphone und eine klaffende Wunde an der Hand überraschend heilen. Mit der Urne der Mutter scheint der nächste Schritt nur logisch, doch Amber will Jack davon abbringen. In der Auseinandersetzung fällt Ambers immer mitgeführtes, mit Monstern vollgemaltes Zeichenheft in den See. Mit absehbaren Folgen.

Sketch a - (c) KINOSTAR Filmverleih

Mehrere ungewöhnliche Elemente kommen bei diesem Film zusammen. Zum einen sind das die bewundernswert natürlichen Darsteller, vornehmlich Bianca Belle und Kue Lawrence. Zum anderen klingen die Dialoge der Kinder nie nach einem erwachsenen Verfasser. Und dann ist da noch die Originalität und Umsetzung der von Amber gemalten Ungeheuer. Dreidimensionale 2-D-Zeichnungen (jawohl) aus Kreide, Wasserfarben, Buntstiften oder Tinte. Die Leute von OD Studios haben viele kleine Wunder vollbracht, womit sie etwas Großes geschaffen haben. Die Kreaturen fügen sich ausnahmslos makellos in die realen Landschaften. Und wenn die Kinder zurückschlagen, dann schmilzt die Wachsmalkreide, verschwimmen die Wasserfarben, pulverisiert die Kreide. Auf seine abstrakte Weise, ist das alles äußerst realistisch visualisiert.

Zu den zitierten, ungewöhnlichen Elementen zählt natürlich auch Seth Worley akribische Inszenierung. Nicht verbissen und konstruiert, sondern unbeschwert, und befreit von inszenatorischem Ballast. Die Kinder reden wie Kinder eben reden, wenn das Übernatürliche noch als irritierende Realität wahrgenommen wird. Und der Regisseur gibt ihnen den nötigen Freiraum, so wie er die Erwachsenen nicht einer dramaturgischen Struktur anpasst, sondern diese tatsächlich auch reale Erwachsene sein können. Dem verwitweten Vater hätte mit der ständig anwesenden Maklerin eine angehende Freundin implementiert werden können, ein Versatzstück das sich Worley aber verkneift. D’Arcy Carden und Tony Hale sind glaubhafte Geschwister, und Hale ein überzeugender Vater und Witwer. Weil den beiden Darstellern vom Regisseur auch die Chance gegeben wurde, diese Rollen zu den besten ihrer bisherigen Karriere zu machen.

Sketch b - (c) KINOSTAR Filmverleih

Hier wird alles ein wenig zurückgefahren, wo anderorts der Thrill überhöht, oder die Konfrontation überdramatisiert werden würde. Der Film verzichtet aber nicht auf die kleinen, liebgegewonnenen Versatzstücke. Wie der fantastische Tony Hale als überforderter Vater Taylor ständig ungewollt die Hausvermittlungen stört, oder das mit Tinte gezeichneten und nicht zu zerstörende Monster als Endgegner. Es ist allerdings die ganz hohe Erzählkunst, wie Seth Worley mit all den gewöhnlichen Strukturen und Elementen umgeht, und sie ehrlich und glaubwürdig macht – egal wie fantastisch das Szenario sein mag. Wird „Sketch“ dann überhaupt noch seiner Prämisse gerecht? Und wie. Alle Grenzen, in alle Richtungen, sind genau ausgelotet. Das ist durchweg spannend, sehr gruselig, unglaublich witzig und immer wieder berührend – mit Gefühlen die nicht aufgezwungen werden, sondern die Darsteller einbringen.

Nicht viele Familienfilme – eigentlich die wenigsten – können von sich behaupten, die Kinder nicht zu überfordern, und die Erwachsenen niemals zu unterfordern. Dabei gibt es aber keine künstliche Balance, also keine getrennten Anteile für die Jungen und die Älteren. Die gesamte Erzählung ist gleichermaßen für alle Altersgruppen gleichwertig unterhaltsam. Mit ordentlichem Gruselfaktor und treffsicherem Humor, und unglaublich starken Figuren, in denen sich bei der einen oder dem anderen, alle im Zuschauerraum wiedererkennen werden. Seth Worley versteht nicht nur perfekt zu unterhalten, sondern hat auch viel zu sagen – von jeder Altersgruppe, an jede Altersgruppe. Sein zugrunde liegender Kurzfilm „Darker Colors“ ist bei YouTube verfügbar, der aber noch nicht diese intellektuell anspruchsvollen Leitmotive aufweist. Es geht eben nicht nur um den Kummer im Leben und dem Grauen mit innovativen Monstern. Bei Seth Worleys mitreißenden „Sketch“ geht es ebenso um Zusammenhalt und Vertrauen. Und mit „Sketch“ hat er sich das Vertrauen beim Publikum absolut gesichert.

Sketch c - (c) KINOSTAR Filmverleih


Darsteller: Bianca Bell, Kue Lawrence, Kalon Cox, Tony Hale, D’Arcy Carden u.a.

Regie, Drehbuch, Bildschnitt: Seth Worley
Kamera: Megan Stacey
Musik: Cody Fry
Produktionsdesign: Madison Braun
USA / 2024
93 Minuten

Bildrechte: KINOSTAR Filmverleih
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