Aus dem Archiv: THE LIMEY

Limey Archiv

– Bundesstart 06.01.2000  – Release 04.08.1999 (FR)

Terence Stamp - (c) Allan Warren - CC BY-SA 3.0

Am 17 August 2025 verstarb Terence Stamp. Privat als schwierig bekannt, war der Brite als Kollege allgemein geschätzt. Der 1938 geborene Schauspieler erwarb sich eine ganz eigene Reputation als ‚elegant, kultivierter Bösewicht‘. Der vielfach ausgezeichnete Charakter-Darsteller konnte aber in allen Rollen und Genres brillieren.

Steven Soderbergh war bereits seit 1989 mit seinem Debüt „Sex, Lügen und Videos“ der Filmwelt als Filmemacher bekannt. Aber für das große und damit allgemeine Publikum sorgte er erst 1998 mit der Krimi-Farce „Out of Sight“ für Furore. Dieses Sub-Genre will Soderbergh später mit „Ocean’s Eleven“ perfektionieren. Der direkte Nachfolger von „Out of Sight“ sollte aber erst einmal „The Limey“ sein. Ein geradliniger Rache-Thriller, den Soderbergh allerdings nicht geradlinig erzählt. Das Buch dazu hat Lem Dobbs geschrieben, der acht Jahre vorher schon mit Steven Soderbergh an „Kafka“ gearbeitet hat. Bekannt ist – nach eigenen Aussagen der Beteiligten – das die beiden während der Produktion immer wieder mit künstlerischen Differenzen zu kämpfen hatten. Davon ist allerdings in diesem ausdrucksstarken, und satirisch durchsetzten Thriller nichts zu merken. Und dieser handelt vom gealterten berufskriminellen Wilson, der in England gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde, und jetzt in Los Angeles Los Angeles angekommen ist. Seine von ihm entfremdete Tochter Jennifer ist ums Leben gekommen, und Wilson glaubt an Mord. Mit der Hilfe von Jennifers Freunden, Elaine und Eduardo, will er den Tod seiner Tochter rächen.

Dieser Wilson ist ein abgebrühter Charakter, den seine kriminelle Karriere und diverse Gefängnisaufenthalte geprägt haben. Steven Soderbergh nutzt die charismatische Energie von Terence Stamp immer wieder für lange Einstellungen in denen Wilson einfach sinniert. Dabei ist förmlich zu spüren, wie die Versäumnisse der Vergangenheit und eine Zukunft ohne Tochter an ihm zehren. Für Stamp ist es ein Leichtes, ebenso der harte Kerl zu sein, wie ein verzweifelter Vater auf der Suche nach Antworten. Diese Antworten führen zu dem gealterten Musikproduzenten Valentine, der von seinem Sicherheits- und Finanzberater Avery gedeckt wird. Valentines Vorliebe für weit jüngere Frauen, hatte wohl zu einer Beziehung zwischen ihm und Jennifer geführt.

Limey a - (c) ARTISAN ENTERTAINMENT

So zielgerichtet Dobbs die Geschichte verfasst hat, so expressionistisch hat der Regisseur den Film mit seiner Cutterin Sarah Flack den Film gestaltet. Erklärende Sequenzen, hauptsächlich Dialoge, werden mit Bildern und auch Geräuschen aus vorherigen oder erst nachfolgenden Szenen unterschnitten. Eine Technik, die Soderbergh in abgeschwächter Form bereits in „Out of Sight“ anwendete. Hier hat es die Anmutung von Wilsons Gedankenwelt, in der Dialogzeilen als Erinnerung dienen, oder Bilder als Vorahnung zu verstehen sind. Dialoge sind auch nicht unbedingt chronologisch zu hören, oder wiederholen sich. Als gedankliche Rückblenden nutzt Soderbergh Filmausschnitte aus Ken Loachs Debütfilm „Geküsst und geschlagen“ von 1967, in dem der junge Terence Stamp zu sehen ist. Für die konsequent einfache Geschichte schafft Soderbergh damit eine komplexe Fülle, und einen ganz eigenen, nachdrücklichen Erzählstil.

Der Grundton in der Erzählung spiegelt die Neo-Noir Krimis der 60er bis 70er wieder. Was der Filmemacher mit seiner Besetzung entsprechend auffängt. „The Limey“ ist ein Film mit alten, oder politisch korrekt, in die Jahre gekommenen Männern. Selbst Lesley Ann Warren, als weibliche Hauptrolle Elaine, hat bereits die Fünfzig überschritten. Das ist natürlich erst einmal eine äußerst unverschämte Aussage. Aber für das Jugend-versessenen Hollywood sind Frauen über Vierzig auf beschämende Weise absolut ungewöhnlich. Damit setzt der Film eine eigene Marke. Denn Leute wie Warren, Fonda, Newman und Stamp geben dem Film echte Klasse und Stil.

Der ewige „Wild Angels“-Biker, Peter Fonda, ist als gefälliger Valentine ein Opfer seines nachlassenden Erfolges, und herrlich unbedarft anstatt gefährlich. Hingegen ist „Fluchtpunkt San Francisco“-Ikone Barry Newman als gerissener Assistent Avery ein Typ, der die eigene Abhängigkeit von seinem Arbeitgeber exakt abzuschätzen weiß. Beides sind Männer, die in der dauerhaften Sonne von Los Angeles vergessen haben, dass Kalifornien eigentlich kein Jungbrunnen ist. Das amerikanische Kino der Gegenkultur trifft auf britisches Arthouse, entsprechend ist Terence Stamp der radikale Kontrast. Kalt, wütend und unberechenbar. Aber wirklich böse – von Herzen schlecht – ist eigentlich keiner von ihnen. Sie sind Getriebene ihrer Vergangenheit. Nur das die einen glauben etwas verlieren zu können, während der andere nichts zu verlieren hat.

Limey b - (c) ARTISAN ENTERTAINMENT

Soderbergh geizt nicht mit roher Gewalt, die allerdings nie wirklich blutig ist. Und auch nicht so zynisch und explizit dargestellt wird, wie noch in „Out of Sight“. Besonders die Lagerhallen-Sequenz bleibt in Erinnerung, die ein brutales Highlight sein könnte. Doch Dobbs hat sich für einen genialeren Weg entschieden, mit dem Soderbergh einen wesentlich intensiveren Eindruck macht. Genau diese Sequenz sorgt auch für ein gutes Maß an Humor, mit dem der Film ebenfalls nicht sparsam umgeht. Nur das hier die platte Farce des Vorgängers, zum satirischen Ton wechselt. Darin glänzt besonders der immer gute Luis Guzmán als Helfer aus der Halbwelt des Milieus.

Guzmán ist als Ed derjenige, der dem Briten immer wieder amerikanischen Gepflogenheiten nahe bringen muss. So glaubt Wilson zum Beispiel, dass Valentines Haus von Bodyguards umgeben wäre, es sich aber nur um die Valets eines Parkdienstes handelt. Luis Guzmán ist auch jemand mit dem perfekten Timing, um die satirischen Einstreuer nicht erzwungen, oder flach wirken zu lassen. Er vollendet einen Zirkel von exquisiten Darstellern, die „The Limey“ zu einem starken Kleinod im Neo-Noir machen. Ein entspannter Thriller, der aber brennt wie die Sonne Kaliforniens.

Dieser Artikel erschien bereits in der Print-Ausgabe von ‚Abgeschminkt‘, Frühjahr 2000, und wurde überarbeitet.

Limey - (c) ARTISAN ENTERTAINMENTDarsteller: Terence Stamp, Luis Guzmán, Peter Fonda, Barry Newman, Lesley Ann Warren, Nicky Katt u.a.

Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Lem Dobbs
Kamera: Ed Lachman
Bildschnitt: Sarah Flack
Musik: Cliff Martinez
Produktionsdesign: Gary Frutkoff
USA / 1999
89 Minuten

Bildrechte: ARTISAN ENTERTAINMENT/ HIGHLIGHT FILM
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