JANE AUSTEN und das Chaos in meinem Leben

Jane Austen WML - © Splendid FilmJANE AUSTEN A GÂCHÉ MA VIE
– Bundesstart 16.10.2025
– Release 22.01.2025 (FR)

Übersetzt heißt der französische Originaltitel „Jane Austen hat mein Leben zerstört“. Dahinter vermutet jemand vielleicht Satire, oder Antithese zur Person im Titel. Was sich Laura Piani also bei ihrem Titel gedacht hat, bleibt rätselhaft, denn Piani geht volle Fahrt voraus Jane Austen. Mit all den Elementen von Selbstzweifel, Selbstfindung, Selbstbestimmung, und der wahren Liebe. Es ist Laura Pianis erste Spielfilmregie und erstes alleine verfasstes Drehbuch. Darin erkennt man durchaus Schwächen in der Inszenierung und leichte Diskrepanzen in der inhaltlichen Struktur. Aber vieles wird nebensächlich, in der radikalen Konsequenz mit der Piani ihre Geschichte der Mittzwanzigerin Agathe erzählt, die in Frankreich in einer Buchhandlung für englische Literatur arbeitet, selbst schriftstellerische Ambitionen hat, und große Verehrerin der Schriftstellerin Jane Austen ist. Für unentschiedene Kunden hat Agathe immer eine Austen-Empfehlung, oder eine Weisheit aus ihren Büchern.

Agathes bester Freund ist Kollege Félix, mit dem sie eine derart vertraute Beziehung führt, dass umgehend und zwangsläufig die Frage aufkommt, warum beide noch nicht einmal miteinander geschlafen haben. Das ist natürlich aller Plan des großen Ganzen, in das uns die Filmemacherin einwickelt. Ist Félix am Ende doch die große, aber verkannte Liebe? Antwort bringt natürlich Agathes Weg heraus aus ihrer Komfortzone. Ohne ihr Wissen hat Félix das erste Kapitel von Agathes unfertigen Romans eingesandt, und ihr damit eine Woche in der exklusiven ‚Jane Austen Writers Residency‘ beschert.

Es ist eine gehobene Schreibwerkstatt in England, die seine Auserwählten zum Schreiben inspirieren soll, und Agathe die Möglichkeit bietet ihren Roman fertig zu stellen. Wir als Zuschauer werden natürlich nie erfahren, worum es in ihrem Roman geht, denn nicht das Schreiben, sondern Agathe selbst ist die Geschichte. Und diese Geschichte könnte nicht offensichtlicher werden, als der arrogante und herablassende Oliver in ihr Leben tritt. Sohn der Eigentümer der ‚Jane Austen Writers Residency‘, und ein Mann der Jane Austen für überbewertet hält. Traumhafte Aussichten für das Publikum.

Traumhafte Aussichten auch für Agathe, deren Gefühlswelt vollkommen Amok läuft. Sie erlebt ihre ganz persönliche Jane-Austen-Geschichte, zumindest hätte diese ihre helle Freude daran gehabt. Ist es Félix, der sie kurz vor der Abreise unerwartet und leidenschaftlich küsste? Ist es Oliver, der ihr trotz seines offenen Desinteresses ständig an den unmöglichsten Orten über den Weg läuft? Camille Rutherford ist umwerfend in ihrer Unsicherheit, in ihrer innengerichtete Melancholie, in ihrer stets spürbaren Sehnsucht und Hoffnung. Aber Rutherford ist keine der typisch selbstsicheren Frauengestalten aus einem Austen-Roman. Und das wird letztendlich schon vermisst.

Jane Austen WML a - © Splendid Film

Dafür hat die bezaubernde Camille Rutherford in Charlie Anson und Pablo Pauly für ihren unentschlossenen Charakter zwei perfekt gegensätzliche Partner. So wunderbar sich Anson und Pablo auch in die Erzählung einfügen mögen, Piani räumt ihnen keinen persönlichen Raum ein. Oliver und Félix erwecken selbst in ihrer einnehmenden Weise mehr den Eindruck von unterstützenden Statisten als eigenständige Charaktere. Es ist ein grundsätzliches Problem in der Umsetzung, dass eigentlich interessante Figuren wie Agathes Neffe, der kauzige aber demente Todd, oder die depressive Olympia lediglich zu Stichwortgebern ohne eigenen Hintergrund werden.

Der Film mit dem sperrigen Titel ist eine Romanze im klassischen Stil. Laura Piani hatte ein merkliches Ziel vor Augen, welches sie auch mit viel verhaltenem Witz, sehr feinfühlig und ansprechend erreicht hat. Die chaotische Mischung und abrupt wechselnden Einsätze verschiedener Musikstücke führt immer wieder an der gedachten Wirkung vorbei. Scheinbar war die Filmemacherin mehr an der Atmosphäre augenblicklicher Momente interessiert, statt eine ganzheitliche Stimmung zu schaffen.

Das fällt umso mehr ins Gewicht, weil zudem Pierre Mazoyers Kameraführung die Erzählung eher begleitet und klassisch führt, anstatt in der Bildgestaltung dramaturgische Akzente zu setzen. Für eine Romanze die sich wahrhaftig in zwei unterschiedlichen Zeiten bewegt, wäre dies ein verdientes Sahnehäubchen für die Zuschauenden gewesen. Das macht diese moderne Jane Austen-Variante zu keinem schlechteren Film, der dank seiner belebenden Camille Rutherford und der grandiosen Nähe zu den Roman-Vorbildern sehr ansprechend romantisch funktioniert. Aber eine konzentriertere Bearbeitung des Buchs und sensiblere Struktur in der Inszenierung hätten sehr gut getan. Dafür gibt es für alle Freunde der englischen Literatin ausreichend Gelegenheit Verbindungen und Querverweise von Pianis Film zu Austens Romanen zu enträtseln.

Jane Austen WML c - © Splendid Film


Darsteller: Camille Rutherford, Charlie Anson, Pablo Pauly, Liz Crowther, Alan Fairbairn, Annabelle Lengronne u.a.

Regie & Drehbuch: Laura Piani
Kamera: Pierre Mazoyer
Bildschnitt: Floriane Allier
Musik: Peter Von Poehl
Produktionsdesign: Agnès Sery
Frankreich / 2024
98 Minuten

Bildrechte: SPLENDID FILM
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