AFTER THE HUNT

After The Hunt - © 2025 SONY PICTURES– Bundesstart 16.10.2025
– Release 09.10.2025 (MEX)

Julia Roberts ist Alma Imhoff, Professorin im Philosophie-Bereich der Universität. Alma steht kurz vor einer Festanstellung, und ist eine komplexe Person, die Zuspruch von anderen braucht, um sich selbst in ihrer Unabhängigkeit zu bestätigen. Ihr Mann, Frederik Mendelsohn, ist ein angesehener Psychiater, und wird von Michael Stuhlbarg gespielt. Im gesellschaftlichen Umfeld der Universität ist Frederik als Freiberufler der Außenseiter, aber einzig wahre Stütze seiner Frau Alma, die er mit jeder Faser seines Körper und Geistes liebt. Andrew Garfield ist als Hank Gibson wegen seiner extrovertierten Art und witzigen Vorlesungen der beliebteste Professor auf dem Campus. Maggie Resnick wird von Ayo Edebiri gespielt. Maggie ist die beste Studentin bei Alma Imhoff, und Ziehtochter des großzügigsten Spenders der Universität. Regisseur Guadagnino macht mit diesem Geflecht an starken Darstellern und komplexen Figuren, eine weniger starke und kaum komplexe Geschichte. Entgegen der Erwartungen an den Filmemacher.

Zuletzt „Queer“, oder davor „Challengers“, nicht zu vergessen „Call me by your Name“, zeichnen sich dadurch aus, dass sich Luca Guadagnino für die Ergründung seiner Figuren, und die geschlossene Gesellschaft in der sie sich bewegen, viel Zeit nimmt. Zeit, die sich in diesem Film oftmals ziemlich weit zu dehnen versteht. Seine Schauspieler/innen sind so ausdrucksstark, dass sich die Komplexität ihrer Figuren rasch erklärt. Und die Grundlage der Erzählung ist weit weniger rätselhaft, der Aufbau der Geschichte schneller durchschaut, als die Drehbuchdebütantin Nora Garrett vielleicht angenommen hat. Das macht im Grunde Frederik zu der interessantesten Person im Film, weil sich Michael Stuhlbarg außerhalb dieser akademischen Zirkels der Universität bewegen darf. Ständig ist er – auch ohne einen Kommentar – das Wesen der Vernunft.

Zuerst ist es eine normale Party – mit philosophischem Kräftemessen und mit provokanten Überheblichkeiten. Am folgenden Tag wird der freigeistige Hank von Maggie der Vergewaltigung beschuldigt. Maggie sucht Schutz und Rat bei ihrer Professorin Alma, die allerdings im moralischen Dilemma steckt, weil Hank ihr bester Freund ist. Folgerichtig bewegt sich die schockierende Geschichte bis zur Universitätsleitung. Das zieht nicht nur mögliche Entlassungen nach sich, sondern fördert auch andere Anschuldigungen zu Tage, und bringt letztendlich einen gern vergessenen Skandal zurück.

After The Hunt 2 - © 2025 Amazon Content Services LLC

Es ist viel, was sich Nora Garrett vorgenommen und in ihr Drehbuch gepackt hat. #MeToo, Wokeness und Cancel Culture, dass sind Begriffe, die mittlerweile nur noch schwer voneinander zu trennen sind, und meistens eine kausale Verbindung haben. Garrett gibt mit ihrem Buch bereits geschliffene, bisweilen beißende und auch zwiespältige Dialoge vor. Während Guadagnino leider dahingehend bemüht ist, bereits Offensichtliches noch tiefer auszuschöpfen. Wie das vermeintliche Geheimnis einer Figur, welches schnell keines mehr ist, aber erst später als Spannungseffekt genutzt wird. Luca Guadagnino verliert sich, ein passendes Tempo für seine Erzählung zu finden.

Es bleibt außer Frage, wie ausgezeichnet jeder im Ensemble seinen Charakter nutzt. Ganz vorne – fast schon selbstverständlich – die irgendwie unfehlbar wirkende Julia Roberts, die mit Alma drei nuanciert differenzierte Wesenszüge als Professorin, Freundin und Ehefrau in sich vereint. Wie bereits erwähnt: Dicht gefolgt von Michael Stuhlbarg, als unberechenbarer Geist an Zuneigung und Verehrung. Guadagnino ist zweifelsfrei ein begnadeter Schauspielregisseur der seinen Protagonisten den wirkungsvollsten Freiraum lässt. Und das ist letztendlich auch der Grund, der – trotz markanter Widrigkeiten – „After the Hunt“ zu einer Art kinematographischer Pflicht macht. Woran der Film krankt, ist die Oberflächlichkeit, mit der die zentralen Themen behandelt werden. Weder Buch noch Regie finden tiefer gehende Aspekte oder vielleicht sogar kontrovers zu diskutierende Ansätze zwischen #MeToo, Wokeness und Cancel Culture.

Trent Raznor und Atticus Ross haben einen für ihre Verhältnisse eigenwillig unmusikalischen Soundtrack geschrieben, der mit seinen dissonanten Tönen unablässig eine unruhige und aufpeitschende Atmosphäre schafft. Allzu offensichtlich wird deutlich, dass Guadagnino damit sein Publikum auf einer permanenten Hab-acht-Stellung halten will, was aber für sehr viele Sequenzen widersprüchlich wirkt. Ständig unmotivierte Zwischenschnitte auf die Hände der Protagonisten werfen Fragen auf, was aber eine schnitttechnische Entscheidung ist. Überraschend sind hingegen Malik Hassan Sayeeds stimmungsvolle 35mm-Aufnahmen. Es sind Sayeeds weiche, im Farbumfang reduzierten Bilder und erkundende Einstellungen, die „After the Hunt“ den Look einer unbestimmten Zeit geben – aber stark ans intellektuelle Kino der 1970er erinnern.

After The Hunt 1 - © 2025 Amazon Content Services LLC


Darsteller: Julia Roberts, Andrew Garfield, Ayo Edebiri, Cloë Sevigny, Michael Stuhlbarg u.a.

Regie: Luca Guadagnino
Drehbuch: Nora Garrett
Kamera: Malik Hassan Sayeed
Bildschnitt: Marco Costa
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Produktionsdesign: Stefano Baisi
Italien, USA / 2025
139 Minuten

Bildrechte: SONY PICTURES / AMAZON CONTENT SERVICES
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