LITTLE WOMEN

Little Women 1, Copyright SONY PICTURES RELEASINGLITTLE WOMEN – 30.01.2020

Eine Engländerin, eine Amerikanerin irischer Abstammung, ein Engländerin in Frankreich geboren, und eine Australierin. In der Reihenfolge sind das Amy, Jo, Beth und Amy, die amerikanischsten aller Frauenfiguren und bekanntesten Geschwister der Literatur. Neben den Brontës. Als bei Robert Brothers durch den Herausgeber Thomas Niles der Roman ‚Little Women‘ von Louisa May Alcotts veröffentlicht wurde, war es einer der ersten Jugendromane der englischen Literatur. Sozusagen der Vorläufer von der ‚Twilight‘-Saga, oder ‚Hunger Games‘, allerdings schon 1868. Seither hat es keine Zeit gegeben, wo ‚Little Women‘ nicht herausgegeben wurde. Und mit der leider verschollenen Verfilmung von 1917 begann auch eine unablässige Reihe von Neuinterpretationen des Stoffes für die Leinwand, sowie für das Fernsehen. Am bedeutendsten dabei waren die Fassungen von 1933 und 1994. Bis jetzt, wo Greta Gerwig ihre Version und Vision von LITTLE WOMEN präsentiert.

Da der Roman von Alcott stark autobiografisch ist, arbeitet Gerwig sehr hart daran, in die Geschichte der Romanfiguren auch die Geschichte der Autorin mit einzuarbeiten. Denn so unkonventionell und modern die vier Schwestern in ihrer Zeit sind, bleiben sie immer noch den gesellschaftlichen Normen unterworfen. Genau so, wie es Alcott erging als ihr Roman zur Veröffentlichung kam. Weder die fiktiven noch die realen Personen waren Rebellen gegen das Establishment, oder Kämpferinnen für mehr Frauenrechte. Sie sind und waren behutsame Träumer, und ein wenig ausgefallen in ihren Ansichten und Lebensweisen. Doch auch in ihrem Herzen tragen sie die Sehnsucht nach einer Beständigkeit durch anerzogene Werte. So hält die Geschichte immer sorgsam die Waage zwischen der Tradition und einem langsam aufkeimenden Umbruch. In einem der bewegenderen Momente verflucht Jo all die einengenden Konventionen, und muss gleichzeitig eingestehen, dass sie gerade deswegen sehr einsam ist.

„Nur weil ich andere Träume habe, heißt es nicht dass sie weniger bedeutend wären,“ sagt Beth einmal. Sie lenkt damit den Fokus etwas ab von Jo, die schon einen dramaturgischen Mittelpunkt bildet. Saoirse Ronan verkörpert Jo March mit einer fast schon übermächtigen Energie, die sogar über ihre fordernde Präsenz in LADY BIRD hinaus geht, der ebenfalls von Gerwig inszeniert wurde. Sie hatte erst Bedenken ihre Jo mit Ronan zu besetzen, kurioserweise weil LADY BIRD eben so hervorragend funktioniert hat. Doch Ronan wollte nicht nachgeben, ganz wie es ihrem Charakter im Film entsprechen sollte. Gerwigs Einsicht war das Beste was den LITTLE WOMEN passieren konnte. Was die Leistung und Bedeutung des gesamten restlichen Ensembles nicht schmälern soll, es ist ein vollkommen stimmiges und wundervolles Schauspiel-Team, welches trotz einiger dramatischen Momente durchweg Freude bereitet. Vielleicht hätte Emma Watson etwas intensiver gefordert werden können, die einzige in der Gruppe, die immer etwas hinter ihren Möglichkeiten scheint. Eigenartigerweise, die Einzige die als Ersatz für jemand anderes zum Team kam.

Little Women 2, Copyright SONY PICTURES RELEASING

Aber der Film spielt nicht nur über seine hervorragenden Darsteller, wo bis auf einen Namen niemand wirklich extra hervorgehoben werden braucht, oder die geschliffenen Dialoge, manche während der Aufnahme improvisiert, andere vor Ort noch verfasst. Kostüm und Produktionsdesign nehmen fast unmerklich Einfluss auf die Erzählebene. So wurde jeder der vier Schwester eine eigene Farbgebung im Gewand zugetan, während Mutter Marmee im Kostüm die Farben aller vier Kinder trägt. Und das reiche Nachbaranwesen erstrahlt prunkvoll, während die opulente Inneneinrichtung einen dunklen und ungemütlichen Eindruck macht, und wenig einladend wirkt. Das von außen karg und einfach aussehende Haus der weniger gesegneten Familie March, erstrahlt im Interieur farbenfroh, ist von Leben erfüllt und heißt willkommen.

Zu den vielen Finessen in Greta Gerwigs Adaption, zählen auch die zeitlichen Sprünge, mit welchen in der Handlung Ereignisse vorweggenommen werden, oder im nachhinein erklärt werden. Dazu verweigert die Regisseurin auch eine Einschätzung, wie Jo Marchs Bemühungen ihre Manuskripte zu verkaufen geschichtlich einzuordnen sind. Oder ob sich diese Szenen am Ende sogar komplett aus der Handlung heraus nehmen, und immer wieder von den „fiktiven“ March Schwestern zu der „realen“ Autorin Alcott überleiden. Die Struktur der Inszenierung ist sehr geschickt und raffiniert verschachtelt, ohne jedoch zu einem anstrengenden Stilmittel zu werden. Der Film wird dadurch viel gelöster, aber auch intensiver zugleich.

Es ist der Filmemacherin hoch anzurechnen, dass sie nicht der Versuchung erlegen ist, diesen Roman zu aktualisieren und in die Moderne zu übertragen. So behält er schon auch ein etwas altbackenes Flair, was der Atmosphäre allerdings nur gut tut. Er kommt ohne jeden politischen, oder popkulturellen Kommentar aus, und gewinnt auch hier in seinen ehrlichen Bemühungen. Die gar nicht so bemüht wirken, eher einladend, frisch und mit soviel Energie und merklicher Freude im Spiel. LITTLE WOMEN ist so ein kleines Wunder, dass sich nirgendwo einordnen muss, niemanden gegenüber behaupten braucht, und sich einfach seiner eigenen Geschichte verschreibt. Unaufdringlich, und selbst mit Anspruch lädt er einfach zum genießen ein. LITTLE WOMEN von Greta Gerwig ist pures Kino.

Little Women 3, Copyright SONY PICTURES RELEASING

Darsteller: Saoirse Ronan, Emily Watson, Florence Pugh, Eliza Scanlen, Laura Dern, Timothée Chalamet, Tracy Letts, Bob Odenkirk u.a.
Drehbuch & Regie: Greta Gerwig, nach dem Roman von Louisa May Alcott
Kamera: Yorick Le Saux
Bidschnitt: Nick Houy
Musik: Alexandre Desplat
Produktionsdesign: Jess Gonchor
USA / 2019
135 Minuten

Bildrechte: SONY PICTURES RELEASING
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