MRS. TAYLORs SINGING CLUB

Military Wives1 - Copyright LEONINE DistributionMILITARY WIVES
– Bundesstart 15.10.2020

Als Peter Cattaneo vor 23 Jahren THE FULL MONTY inszenierte, löste dieser eine kleine, aber immer wieder unterhaltsame Welle aus. Es sind hauptsächlich britische Filme in denen sich auf sehr amüsante Weise Menschen in einem Metier versuchen, welches sich für sie vollkommen fremd darstellt. Aber aus der Not eine Tugend zu machen, verlangt Respekt, und schließlich wächst man aus dieser Herausforderung über sich hinaus. Sind es die arbeitslosen Malocher die sich als Stripper versuchen, oder die in die Jahre gekommenen Damen, die sich für einen Kalender ausziehen. Oder Frauen von Soldaten, die sich vom Gedanken ablenken müssen, dass ihre Männer gerade im Einsatz sind. Singen kann da helfen, und im Chor gleich noch viel besser.

Im Jahr 2010 taten sich die ersten Frauen im Vereinigten Königreich für die heute bekannten Military Wives Choirs zusammen. Heute sind es 75 miteinander verbundene Chöre mit aktuell 2300 Sängerinnen, in Großbritannien und auf britischen Militärbasen in Übersee. Innerhalb der Handlung wird die resultierende Tragweite der Begebenheiten in dieser Geschichte noch ignoriert. Auf kleine und bescheidene Art versucht MRS. TAYLORS SINGING CLUB dem Ansinnen gerecht zu werden, die Notwendigkeit solcher Gruppenbildungen in den meist von der zivilen Welt abgeschnittenen Militärbasen zu verdeutlichen.

Das Singen, die wachsende Zusammengehörigkeit und die positive Stimmung innerhalb der größeren Gruppe steht im Vordergrund von SINGING CLUB. Aber eigentlich erzählt er die Geschichte dreier unterschiedlicher Frauen. Die extrovertierte Kate mit Neigung zum Kontrollzwang, die bodenständige Lisa, welche die ausklingende Pubertät ihrer Tochter meistert, und die stark verunsicherte Sarah, die neu in der Garnisonsstadt ist. Sie verkörpern drei unterschiedliche Typen von Frauen, stellvertretend für alle Frauen, die in einer ungewissen Zeit auf sich alleine gestellt sind, während ihre bessere Hälften irgendwo in der Welt ihr Leben riskieren.

Niemand wird sagen können, dass die Handlungsstruktur von MRS. TAYLORS SINGING CLUB sonderlich überraschend ist. Sie folgt sogar ziemlich akribisch dem Leitfaden für emotional exakt ausgewogenes Wohlfühlkino. Was sich zuerst negativ anhört, funktioniert sogar besser als man zuerst annehmen möchte. Wenngleich sich daraus resultierend diverse Element in der Geschichte frühzeitig ankündigen. Überraschungen hält Peter Cattaneos Regie keine bereit, dafür eine exzellente Schauspielführung, die ins Besondere seinen beiden Hauptprotagonistinnen sehr feinfühlige und jederzeit nachvollziehbare Charaktere ermöglicht.

Scott Thomas und Horgan stehen in starken Kontrast zueinander, sind aber als sich ergänzende Identifikationsfiguren kaum zu trennen. Auch hier folgt Drehbuch und Regie den Regeln des gefälligen Unterhaltungsfilms, was man durch die charismatische Präsenz und authentische Darstellung der Figuren ebenso leicht akzeptieren kann wie den nicht sehr originellen Handlungsaufbau. Leider kommen dabei einige Frauen aus dem Chor etwas zu kurz, die Lust auf mehr machen, wie Gaby French als stimmgewaltige, doch unsichere Jess, oder die hochmotivierte, aber unmusikalische Ruby gespielt von Lara Rossi.

Military Wives 3 - Copyright LEONINE Distribution

Ziemlich blass kommt Amy James-Kelly dabei herum, die als Sarah ein zentrales Handlungselement stemmen muss. Thematisch ist ihr Schicksal emotional sehr aufwühlend, aber James-Kelly wird dafür zu wenig spielerischer Freiraum gegeben. Aber dafür hat der Film noch immer sein vorgeschobenes Hauptthema, und das ist der Chor, den die Soldatenfrauen zuerst missmutig und schließlich mit unbändiger Begeisterung aus der Taufe heben.

„Ein Chor ist nicht Karaoke für Nüchterne.“ – Kate Taylor

Zweifellos hinreißend sind die Musikeinlagen inszeniert. Es ist immer wieder ein grandioses Zusammenspiel von Schnitt, Tonmischung und Textinhalten. Am auffälligsten dabei ist der szenische Probenablauf bei ‚Time After Time‘. Hier fließen Stimmbildung der Sängerinnen, atmosphärische Alltagsbilder und fortschreitender Erfolg bei den Proben ineinander, und werden vom durchgängigen Liedtext, aber unterschiedlichen Stimmen zusammengefasst. Das der Originaltext auch noch passend zu den Bildern ist, macht die Sequenz zu einem inszenatorischen Highlight, dessen suggestiver Kraft man Respekt zollen muss.

Weniger Highlight ist der Film allerdings in seiner Dramaturgie und seiner Kerngeschichte. Er ist aber sofern tadellos inszeniert, dass sich das leicht als abwertende Bezeichnung zu verstehende Wohfühlkino durchaus als Qualitätsmerkmal entpuppt. Da fehlt in einer Liste vergleichbarer, oben bereits angeführter Filme natürlich Alan Parkers unschlagbarer THE COMMITMENTS, bei dem die Proben und Arrangements der Lieder ähnlich chaotisch abliefen. Sehr schön bei diesem SINGING CLUB ist Lorne Balfes musikalische Untermalung die immer wieder die Themen der dargebotenen Pop-Songs bis in die nächste Szene weiterführt.

Und man muss hier unbedingt positiv anführen, dass der Film wirklich jede Chance auf Kalauer, oder unglaubwürdige Schenkelklopfer auslässt. Der Humor in MRS. TAYLORS SINGING CLUB ergibt sich aus kleinen Wortgefechten, kurzen Zwischenschnitten, unaufdringlichen Randbemerkungen, einem realen Miteinander, und der Glaubwürdigkeit durch authentische Figuren. Also filmisch bestimmt nicht das Hohe C, aber mit Sicherheit ein hervorragendes Leitmotiv.

Military Wives 2 - Copyright LEONINE Distribution

 

Darsteller: Kristin Scott Thomas, Sharon Horgan, Emma Lowndes, Jason Flemyng, Greg Wise, Gaby French, Lara Rossi, Amy James-Kelly u.a.
Regie: Peter Cattaneo
Drehbuch: Rosanne Flynn, Rachel Tunnard
Kamera: Hubert Taczanowski
Bildschnitt: Anne Sopel, Lesley Walker
Musik: Lorne Balfe
Produktionsdesign: John Beard
Großbritannien / 2019
112 Minuten

Bildrechte: LEONINE Distribution
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