MY WEEK WITH MARILYN

Colin Clark stammt aus einer reichen Familie voller strebsamer Karrieristen. Colin sieht in seinem Leben allerdings einen weit tieferen Sinn und beschließt zu arbeiten. Es zieht ihn zum Film, und so reist er 1956 gen London, um Sir Laurence Olivier so lange zu belästigen, bis dieser ihm einen Job gibt. Olivier beginnt gerade die Dreharbeiten zu DER PRINZ UND DIE TÄNZERIN, in dem er nicht nur spielt, sondern gleichzeitig seine erste Komödie umsetzen möchte. Als Assistent des Assistenten der Regie-Assistenz glaubt Colin Clark seinen Traum beim Film erfüllt. Bis die weibliche Hauptdarstellerin aus Amerika eintrifft und es fortan Colins Aufgabe sein wird, diese in Form und bei Laune zu halten. An seiner Aufgabe fast scheiternd, erlebt Colin seine Woche mit Marilyn.

Es ist eine mittlerweile sehr angenehme und sehr originelle Angewohnheit geworden, sich einer Berühmtheit in Biografien nicht über ihren gesamten Lebensweg anzunähern, sondern über ein signifikantes, zeitlich begrenztes Ereignis. Bei MY WEEK WITH MARILYN sind die Dreharbeiten zu PRINZ UND TÄNZERIN dieses Ereignis. An diesem Punkt wird die namensgebende Monroe zur zentralen Figur, aber eigentlich ist es ein Film über Colin Clark und seine wahren Erlebnisse bei der Produktion besagten Films. So stolpert der Film etwas unsicher zwischen den Charakteren hin und her, die durchweg brillanten Darsteller machen das aber schnell vergessen. Allerdings sind da noch viel mehr Figuren und Ebenen, als dass der Film diesen gerecht werden könnte.

Man lernt Marilyn Monroe als verschüchterte, unausgeglichene Person kennen, die von einer Sekunde auf die andere zu dem unwiderstehlichen Vamp werden kann. Von dieser anderen Person, die sie scheinbar nicht sein möchte, redet sie in der dritten Person. Colin Clark ist das Auge und das Ohr des Zuschauers. Auch der Zuschauer möchte sie in den Arm nehmen, möchte ihr nahe kommen, lässt sich von ihr verführen und berauschen. Und nie hat es dabei etwas Anrüchiges oder Sexuelles. Michelle Williams ist mit Leib und Seele eine Offenbarung. Nicht das Imitat in ihrem Spiel ist so bewundernswert, sondern dass Williams das Publikum davon zu überzeugen versteht, die populäre Ikone vergessen zu machen und sich einer bisher unbekannten Figur bewusst zu werden.

Doch eine Geschichte um die Monroe bedeutet eine Handlung mit viel Geschichte. Und diese Geschichte manifestiert sich mit vielen Namen. Da ist Laurence Olivier als kinokultureller Gegenpart zur Monroe. Colin meint in einer Szene – es ist zu poetisch, um wirklich gesagt worden zu sein, aber es ist zutreffend – Olivier sei ein Darsteller, aber kein Star, Marilyn hingegen sei keine wirkliche Darstellerin, aber ein Superstar. Jeder für sich verkörpert eine gegensätzliche Form innerhalb der Unterhaltungsindustrie. Zu dieser Gegensätzlichkeit gesellt sich Paula, Frau des Gründers des Actors-Studio Lee Strasberg, die mit Marilyn während der Dreharbeiten trainieren soll. Olivier lehnte als renommierter Shakespeare-Interpret Strasbergs protegiertes Method-Acting stets ab. Die Monroe hingegen glaubt, nur durch das Verinnerlichen und das stete Suchen nach der Motivation des Charakters eine Figur glaubhaft verkörpern zu können.

Der wahren Geschichte geschuldet, gesellen sich zu allem Überfluss noch die Schauspielerinnen Sybil Thorndike und Vivien Leigh zu Colin Clarks Abenteuer hinzu. Thorndike ist die abgebrühte Bühnenlegende, die ihre Weisheiten aus reiner Lebenserfahrung bezieht. Leigh hingegen verkörpert eines der ersten Opfer von Hollywoods mittlerweile typischem Jugendwahn. Leigh wurde für ihre Darstellung in der Bühnenfassung von PRINZ UND TÄNZERIN umjubelt, für die Filmfassung allerdings von der wesentlich jüngeren Marilyn ersetzt.

Die Monroe und Ehemann Arthur Miller (Dougray Scott) mit Colin Clark beim Stadtbummel.

MY WEEK WITH MARILYN ist nicht einfach nur ein Film, der Personen beschreibt und diese hinterfragt. Er ist von seinem Beginn an eine Studie über die Zustände und Entwicklung in der Filmindustrie. Und so genial sich der Hintergrund zur Geschichte ausnimmt, steht er dem Kern des Films auch im Wege. Aus einer persönlichen Betrachtung der Person Marilyn Monroe kristallisiert sich ein stimmiges Puzzle aus filmhistorischen Einzelteilen. In einer Szene murmelt Vivien Leigh, hinreißend von Julia Ormond dargestellt, dem Kameramann von PRINZ UND TÄNZERIN ein paar schmeichelnde Worte zu. Es handelt sich dabei um Jack Cardiff, der Technicolor-Legende jenseits der Linsen. Auf der anderen Seite werden sich Film-Nerds und Erbsenzähler die Frage stellen, warum das zu sichtende Material von PRINZ UND TÄNZERIN so flach und ausgeblichen wirkt, obwohl doch damals in Technicolor gedreht wurde, und Farben und Kontrastumfang ebenso strahlen müssten wie der eigentliche Film selbst. MARILYN-Kameramann Ben Smithard drehte eben auch auf 35-Millimeter-Technicolor.

Ist MY WEEK WITH MARILYN also ein misslungener Film? Das eben nicht.  Er ist ein vielschichtiges, geschichtliches Abenteuer. Nur wird er eben seinem eigentlichen Ansinnen nicht gerecht. Doch mit erstklassigen, wirklich überzeugenden Darstellern und einer federleichten Art der Inszenierung, bleibt MARILYN ein sehenswerter Film. Kein Film, wie er vielleicht ersonnen war, kein Film, der psychologische Neuigkeiten über längst bekannte Fakten stellt, und erst recht kein Streifen, der sich über andere biografische Darstellungen hinwegzustellen vermag. Und doch hat er wegen seiner genialen Auswahl von Schauspielern und deren überragenden Darstellungen eine einnehmende Anziehungskraft, die jede Rationalität vom Perfektionismus einer wahren Geschichte verwischt.

Dies ist die Geschichte von Colin Clark, einem aufstrebenden jungen Mann mit Visionen. Und es ist die Geschichte, die Einblick gewährt in das Seelenleben einer der bekanntesten Filmikonen der Welt. Aber am Ende ist es eine Geschichte, die Menschen bewegt und  auch zu interessieren versteht. Und das betrifft die Monroe ebenso wie den filmhistorischen Hintergrund dieser Episode. Der Film über die Monroe wird zu einem Film über die Entwicklung in der Filmgeschichte. Es läuft also nicht alles sehr rund, wie Simon Curtis den Film inszenierte, er scheinbar erdacht war, und letztendlich vom Zuschauer wahrgenommen wird. Was ihn aber doch so ansehnlich und auch unterhaltsam macht, ist das offensichtliche Verständnis für die Zeit, für jede Figur, und für die historische Relevanz.

Darsteller: Eddie Redmayne, Michelle Williams, Kenneth Branagh, Julia Ormond, Dominic Cooper, Toby Jones, Emma Watson, Judi Dench, Dougray Scott, Derek Jacobi, Zoe Wanamaker u.a.
Regie: Simon Curtis
Drehbuch: Adrian Hodges nach dem Buch von Colin Clark
Kamera: Ben Smithhard
Bildschnitt: Adam Recht
Musik: Conrad Pope
Produktionsdesign: Donal Woods
Großbritannien / 2012
zirka 99 Minuten

Bildquelle: Ascot Filmverleih / Weinstein Company
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar