CARRIE

CARRIE – Bundesstart 05.12.2013

Carrie-3, Copyright Screen Gems / Sony Pictures Releasing

Regisseurin Kimberly Peirce ist mit ihrem erst dritten Langfilm innerhalb von 14 Jahren, ein beeindruckendes Werk gelungen. Allerdings schreit CARRIE förmlich immer wieder nach PSYCHO, Gus Van Sants Szene-für-Szene-Remake. Was das Marketing als Neuinterpretation anpreist, ist in Wirklichkeit eine sich selbst opfernde Verbeugung vor dem Klassiker. Nicht dem Debüt-Roman von Stephen King, sondern der Filmadaption Brian De Palmas. Für den hat 1976 Lawrence D. Cohen das Drehbuch geschrieben, der auch in der neuen Fassung neben Roberto Aguirre-Sacasa aufgeführt wird. Dem geneigten Zuschauer werden also keine neue Sichtweise auf die Geschichte geboten, oder gar modernisierte Ansätze offeriert. Carrie White ist nach wie vor das gehänselte Mauerblümchen, das von ihrer herrischen Mutter im religiösen Eifer erzogen wurde. So wundert es nicht, dass Carrie keine Ahnung davon hat, was mit ihr passiert, als sie nach dem Turnunterricht unter der Dusche ihre erste Periode bekommt. Anstatt Carrie zu helfen, machen sich ihre Mitschülerinnen über sie lustig und verspotten sie lautstark. Dies setzt eine Reihe von Ereignissen in Bewegung, an deren Ende Carries endgültige und öffentliche Demütigung stehen soll. Doch ausgelöst durch den Vorfall in der Dusche, entdeckt Carrie ihre telekinetischen Fähigkeiten, erforscht diese und baut sie immer weiter aus. Und am Abschlussball wird die eskalierte Auseinandersetzung ihr infernalisches Ende finden.

Natürlich kommt die Neufassung nicht umhin, etwas moderner wirken zu müssen. So hat das Drehbuch ein ins Netz geladenes Video eingebaut, aber das ist reine Fassade, weil es völlig unerheblich für die Handlung bleibt. Auch Carries Internetrecherche bleibt irrelevant. Kimberly Peirce umschifft diese Ansätze geschickt, und setzt viel mehr Energie dafür ein, die bedrohliche Atmosphäre zeitlos zu halten. CARRIE von 2013, könnte genauso gut 1976 spielen. Die Frage muss also gestellt werden dürfen, wozu dann der Aufwand? Es ist kein Szene-für-Szene-Remake, die psychotische Mutter Margaret hat etwas mehr Gewichtung bekommen und Carrie experimentiert mehr mit ihren telekinetischen Fähigkeiten. Aber die Geschichte bleibt unverändert, und einzelne Kameraeinstellungen sind tatsächlich De Palmas Vorgänger nachempfunden. Selbst die unangenehme Atmosphäre im Haus der Whites, ist genauso gruselig gelungen. Und Julianne Moore strahlt als Margaret den exakt gleichen, undifferenzierten Wahnsinn aus, wie seinerzeit Piper Laurie. Wozu also?

Und doch gibt es einen Makel, den die neue Carrie mit sich bringt, und das ist die Besetzung der Hauptdarstellerin. Zweifellos hat sich Cloë Grace Moretz längst als ernsthafte Charakterdarstellerin etabliert, und auch die verstörte, unsichere Carrie White spielt sie mit Authentizität. Doch Brian De Palma hat 1976 Sissy Spacek engagiert, weil sie schon vom Äußeren her überhaupt nicht dem Typus dieser Art Filme entsprach. Allein durch ihre Präsenz, hat er sie zur Außenseiterin gemacht. Grace Moretz hingegen muss spielen. Natürlich ist ihre Carrie vom Mutterhaus her von ihrem sozialen Umfeld total eingeschüchtert, aber allein durch ihr Aussehen drängt sich immer wieder Frage auf, warum sie nicht dazu gehört. Hier vollzieht sich keine glaubwürdige Wandlung vom Entlein zum Schwan. Einer der stärksten Aspekte von Brian De Palmas Fassung.

Doch gesamt gesehen, bleibt CARRIE von Kimberly Peirce ein stimmungsvoller, gelungener Horrorfilm, bei dem die Atmosphäre stimmt. Laufpublikum, dass eine kurzweilige Ablenkung im Kino sucht, wird nicht enttäuscht sein und endlich Carrie White kennen lernen dürfen. Der Horror-Freund, der sicherlich den 37 Jahre alten Vorgänger im DVD-Regal stehen hat, und als Fan keine Neuverfilmung ausschlagen kann, ob widerwillig oder in freudiger Erwartung, der kommt um die grundsätzliche Frage nicht herum. Wozu?

Carrie-2, Copyright Screen Gems / Sony Pictures Releasing

Darsteller: Cloë Grace Moretz, Julianne Moore, Judy Greer, Gabriella Wilde, Portia Doubleday, Ansel Elgort, Barry Shabaka Henley, Alex Russell u.a.
Regie: Kimberly Peirce
Drehbuch: Lawrence D. Cohen, Roberto Aguirre-Sacasa
Kamera: Steve Yedlin
Bildschnitt: Lee Percy, Nancy Richardson
Musik: Marco Beltrami
Produktionsdesign: Carol Spier
USA / 2013
zirka 100 Minuten

Bildrechte: Screen Gems / Sony Pictures Releasing
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