WORLD WAR Z wurde gewonnen

WORLD WAR Z – Bundesstart 27.06.2013

Familienidyll am Morgen. Die Kinder necken sich zum Spaß. Der Hausmann bereitet Frühstück. In den Morgennachrichten laufen Beiträge über Seuchen und Ausschreitungen in anderen Ländern. Liebevolle Blicke zwischen Mann und Frau. Der vermisste Stoffhase wurde auch wieder gefunden. Warum ist niemand beunruhigt über das, was im Fernsehen verbreitet wird? Weil wir es ebenso gelassen hinnehmen, wenn in China erneut die Vogelgrippe ausbricht, oder in Syrien Rebellen erschossen werden. In der Familie wird unbeschwert das Wort Ausnahmezustand diskutiert. Gerry Lane war früher auf der ganzen Welt für die UN unterwegs, um Krisen und Kriege einzuschätzen und zu analysieren. Er hat genug gesehen, dass ihm jetzt als Hausmann dieses Familienidyll wichtiger als alles andere ist. Der Film gibt diesem Idyll keine fünf Minuten. Dann bricht auf den Straßen von Philadelphia die Hölle los. Gerry Lane gerät in eine Hetzjagd, die unerbittlich anhält und keine Zeit zum Verschnaufen erlaubt.

Regisseur Marc Forster weiß wie man Tempo macht und Spannung erzeugt. Das Timing bei WORLD WAR Z ist atemberaubend, und für den Zuschauer eine nervenzerreißende Achterbahnfahrt. Leider verwackelt und verschneidet Forster, wie schon bei QUANTUM TROST, einige der Actionsequenzen zu einem unübersichtlichen Wust an Bildern. Etwas, dass der Regisseur bei QUANTUM noch der kurzen Postproduktionszeit anlasten wollte. Doch die Welt in WORLD WAR Z gerät deswegen nicht aus den Fugen. Nicht deswegen. Unaufhaltsam peitscht die Handlung den Zuschauer von einem Spannungsmoment zum nächsten, wenn Gerry Lane in Südkorea oder Israel versucht die Ursache der weltweiten Pandemie zu ergründen. Das ist Actionkino allerhöchster Güte. Man kennt die Bilder von sich wie Ameisen türmenden Zombies, oder wie diese versuchen sich wegen des Drangs nach Lebenden von Hausdächern auf Helikopter zu stürzen. Das sind zweifellos grandiose Bilder, aber noch lange nicht das gesamte Potenzial, mit welchem WORLD WAR Z aufwartet.

Immer wieder gibt es Sequenzen von unglaublicher Intensität, wie die Plünderung eines Supermarktes, die einen irrationalen Realismus aufzeigen. Was geschieht tatsächlich im Bewusstsein des Menschen, wenn er sich einem unvorstellbaren Szenario gegenüber sieht? Alles ist möglich, und das vermittelt der Film mit aller Kraft. Während Gerrys Reise, findet seine Familie Schutz auf dem Führungsschiff der UN. Doch als der Führungsstab nur zwei Tage keine Nachricht mehr von Gerry erhält, wird dieser für tot erklärt und seine Familie als ’nicht existenzielle Personen‘ umgehend in ein nur bedingt sicheres Lager auf dem Festland umgesetzt. Da mag der Aufschrei der Entrüstung noch so angebracht scheinen. Aber auch dies gehört zu einer Welt, in der alles auf den Kopf gestellt wurde, was der Mensch bisher rational erklären konnte. Zum Versuch von Stabilität und Ordnung, gehören auch unpopuläre Maßnahmen und Anweisungen.

Erschreckenderweise erhielt der Film in Amerika eine PG-13, und in Deutschland eine 16er Altersfreigabe. Da ist die Frage gerechtfertigt, wie ein Film über eine weltweite Zombie-Pandemie ohne ordentlich Blut und Gekröse überhaupt funktionieren soll. Aber er tut es. Er funktioniert dabei sogar besser, als wenn die Macher in die Make-up-Kiste gegriffen hätten. Es ist erstaunlich wie effektiv Forster gewisse Szenen umgesetzt hat, dass die Vorstellung von dem was man gerade nicht sieht, wesentlich schlimmere Eindrücke hinterlässt, als offene Splatter-Momente. Zudem gibt es durchweg immer wieder sehr verstörende Aufnahmen während der einzelnen Zombie-Attacken, die mehr Gänsehaut erzeugen, als es blutige Effekte schaffen könnten. Immer wieder bestätigt sich WORLD WAR Z als Action-Thriller erster Güte, mit gehörigem Gruselfaktor. Nach endlosen Hetzjagden um die halbe Welt, die der Hauptfigur ebenso wenig Luft zum atmen geben, wie dem mitgerissenen Zuschauer, glaubt Gerry in England eine Lösung für das Problem finden zu können.

In der letzten halben Stunde überrascht der Film mit einer erzählerischen Wendung, die den dramaturgischen Verlauf noch einmal aufwertet. WORLD WAR Z kulminiert in einer nervenaufreibenden Sequenz, die den Ton des Film an genau der richtigen Stelle noch einmal ändert. So fügen sich alle Elemente zu einem filmisch perfekten Ganzen zusammen, das einen erstaunlich stimmigen Fluss bildet. Man darf keinerlei Rücksicht darauf nehmen, weswegen WORLD WAR Z eigentlich in die Schlagzeilen kam. Dies ist ein Film, wie ein Film sein soll. Bis auf einige verwackelten Action-Sequenzen, perfekt inszeniert, extrem kurzweilig, aber vor allem unglaublich spannend. Und wie er die Vorstellungskraft des Zuschauers auf die Probe stellt, das ist Kino vom Feinsten.

Darsteller: Brad Pitt, Mireille Enos, Daniella Kertesz, James Badge Dale, David Morse, Ludi Boeken, Fana Mokoena, Abigail Hargrove, Sterling Jerins, Fabrizio Zacharee Guido, Pierfrancesco Favino u.a.
Regie: Marc Forster
Drehbuch: Matthew Michael Carnahan, Drew Goddard, Damon Lindelof
Kamera: Ben Seresin
Bildschnitt: Roger Barton, Matt Chesse
Musik: Marco Beltrami
Produktionsdesign: Nigel Phelps
USA / 2013
zirka 116 Minuten

Bildquelle: Paramount Pictures
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