DRIVE-IN: Wild Angels – Die wilde Engel

In unregelmäßigen Abständen werden hier Filme für das Wochenende vorgestellt, die vielleicht die ein oder andere Erinnerung wecken, oder als Inspiration für einen gemütlichen Abend dienen können. Wie der Titel der Reihe schon andeutet, werden hier selten kulturhistorische Filme besprochen, sondern Werke, die ihre Berechtigung dort fanden, wo das Autokino seiner Bestimmung nachging.

Drive-In-OriginalDIE WILDEN ENGEL

Eigentlich gibt es keine wirkliche Geschichte in diesem, als ein Porträt über eine entfesselte Generation gedachten Film. Roger Corman nimmt sich den Motorradclub der Hells Angels als Vorbild, von denen angeblich wirklich Mitglieder Statistenrollen übernommen haben sollen. Den Rahmen für das Gezeigte, bildet die Beerdigung des Bikers mit dem Spitznamen Loser. Als Anführer der Gang wird der von Peter Fonda gespielte Blues bei den Vorbereitungen und der Ausführung der Beisetzung mit der Sinnfrage über sein Leben konfrontiert. „Wo wollt ihr hin“, fragt mal einer und die lakonische Antwort ist natürlich, „bloß weg von hier.“

wild-angels-2, Copyright MGM Home EntertainmentViele Dialogszenen sind hölzern, wirken aufgesetzt, und habe selbst für die damalige Zeit einen albernen Anstrich. Die Party-Sequenz gegen Ende des Films soll hemmungslose Stimmung verbreiten, zergeht sich allerdings in endlosen Wiederholungen immer gleicher Einstellungen, ohne Rhythmus und ohne die nötige Konsequenz von expliziten Filmbildern. Auch wenn Brando in DER WILDE THE WILD ONE schon 12 Jahre früher das Establishment schockierte, war es dieser Film, mit dem Corman und seine Macher richtig provozieren und die Eltern ängstigen wollten. DIE WILDEN ENGEL – WILD ANGELS ist aber alles andere als ein typischer Corman-Streifen. An sehr vielen Stellen hat der damals 28-jährige Peter Bogdanovich seine Spuren hinterlassen, der am Drehbuch, bei der Kamera und am Bildschnitt mitarbeitete, ohne dafür genannt zu werden.

DIE WILDEN ENGEL ist ein Film voller Symbolik, die tatsächlich funktioniert. Zum Beispiel mit dem heute oft kopierten Bild einer Straße, die sich in der Endlosigkeit zu verlieren scheint und über deren Horizont die Gang mit ihren Motorrädern auf die Kamera zufährt. Es gibt sehr viele Kameraeinstellungen, die die Größe und Einsamkeit des Landes vermitteln, und somit auch die eigentliche Einsamkeit des Bikers, der sich selbst ohne Zukunft sieht. „Was wollt ihr denn tun“, fragt der Priester. Und alles, was als Antwort bleibt, ist „nur eine schöne Zeit haben“. Dass dies nicht alles sein kann und kein Leben wäre, bemerkt Blues sehr schnell. Er lässt den Priester deshalb zusammenschlagen.

Da gibt es ein Pferd, das die Möglichkeit der Freiheit nicht nutzt. Das ursprünglichste Tier, das man mit Amerika verbindet, mit dem Gedanken an Freiheit und Abenteuer, es ist in den gesellschaftlichen Gegebenheiten gefangen. Das Spiel von Bild und Aussage als symbolisches Konzept ist in DIE WILDEN ENGEL wirklich erstaunlich. Da sich dies mit vielen Elementen der eigentlich schlechten Inszenierung beißt, kann man davon ausgehen, dass der aufstrebende Bogdanovich dafür verantwortlich sein muss, der nach diesem Film im Geschäft richtig loslegte.

Am markantesten ist allerdings der grandiose Einstieg in den Film, bei dem ein kleines Kind mit seinem Dreirad aus dem umzäunten Vorgarten herausfährt. Der Weg des Kindes wird von Peter Fondas Harley gekreuzt, der in seine selbstbestimmte Freiheit davonfährt. Eine „nein, nein, nein“ rufende  Mutter schnappt sich den kleinen Ausreißer und steckt ihn ohne Dreirad in den im Garten stehenden Laufstall. Freiluft ist eben nicht Freiheit, und die Eltern werden dafür sorgen. Szenen wie diese machen DIE WILDEN ENGEL zu einem wesentlich erträglicheren Erlebnis, als manche misslungene Szenen vermuten lassen würde. Auch die am Ende einfließende Tonkollage ist effizient und überraschend eingesetzt. Doch die Einstiegssequenz kann sie nicht übertreffen.

Es ist einer dieser eigenartigen Filme, die anstatt zu schockieren fast langweilig erscheinen, aber hier und da plötzlich zu überraschen verstehen. Zumindest haben DIE WILDEN ENGEL hiermit DER WILDE als Anführer des Motorradfilms abgelöst. Ein Sub-Genre, das gerade für die Autokinogeneration wie geschaffen war.

wild-angels-3, Copyright MGM Home Entertainment

Darsteller: Peter Fonda, Bruce Dern, Nancy Sinatra, Diane Ladd, Buck Taylor,  Lou Procopi, Norman Alden, Michael J. Pollard u.a.
Regie: Roger Corman
Drehbuch: Charles B. Griffith, Peter Bogdanovich
Kamera: Richard Moore, Peter Bogdanovich
Bildschnitt: Monte Hellman, Peter Bogdanovich
Musik: Mike Curb, Davie Allan
USA / 1966
zirka 93 Minuten

Bildquelle: MGM Home Entertainment
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen, Rund ums Kino abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar