FFF20: INHERITANCE

FFF20-klein, Copyright ROSEBUD ENTERTAINMENTNÜRNBERG / Cinecitta 16.- 20.09.20
HAMBURG / Savoy Filmtheater 16.- 20.09.20
MÜNCHEN / Cinema 16.- 20.09.20
STUTTGART/ Metropol 23. – 27.09.20
KÖLN / Residenz-Astor 23. – 27.09.20

Inheritance 1, Copyright VERTICAL ENTERTAINMENTINHERITANCE
– DVD & Amazon Prime

Lange Zeit hält sich Vaughn Stein in seinem Film bedeckt, in welche Richtung er laufen wird. Polit- wie Psychothriller ist genauso möglich wie Horror oder Krimi. Und irgendwann hat INHERITANCE die Anmutung eines Gruselstreifens aus den Hammer-Studios, in sehr modernem Gewand aber mit vielen Anleihen an den schaurig schönen Gothic-Horror. Leicht vorzustellen, wie sich Myrna Fahey nach einer mysteriösen Testamentseröffnung zu einem ungewöhnlichen Verließ begibt und dort auf einen eingekerkerten Vincent Price trifft, der die junge Frau mit mysteriösen Andeutungen und unglaublichen Geschichten aus der Bahn wirft. Was ist Wirklichkeit, wann beginnt Betrug und wo liegt die Motivation. In so ein Geflecht wird die jungen Lauren Monroe geworfen, als ihr übermächtiger Vater das Zeitliche segnet. Der Patriarch hat als Banker ein Imperium errichtet, mit einen Sohn am Anfang einer großen politischen Zukunft, und Lauren als grandios erfolgreiche Rechtsanwältin.


Noch zu Beginn erzählt Vaughn Stein die von Matthew Kennedy verfasste Geschichte erfrischend modern, erfrischend anders. Die Verhältnisse in der Monroe Familie werden in schnell geschnittenen, sich überlappenden Ton- und Bildsequenzen erklärt, wo zwischen den einzelnen Familienmitgliedern in exemplarischen Situationen gewechselt wird. Nach nur fünf Minuten ist die Exposition der Charaktere auf sehr befriedigende Weise abgeschlossen. Stein hat es sehr gut verstanden Bild und Ton dem Medium gerecht zu nutzen, und eine schon kunstvolle Kollage geschaffen. Das dies natürlich nur mit dem Gespür einer erstklassigen Cutterin möglich ist, versteht sich von selbst. Und Kristi Shimek kann noch einige male mit ungewöhnlicher Technik überzeugen. Sehr eindringlich sind Szenen, wenn die psychologische Grenzen von Lauren angekratzt werden, und jeweilige Sequenzen mit unterschiedlichen Einstellungen durch Jump-Cuts aufgerissen werden, die Tonspuren der Dialoge aber am Stück weiterlaufen. Aber Shimek gelingt es genauso überzeugend, gewisse Passagen durch lange Schnittphasen sehr dramatisch zu gestalten. Was besonders in den Szenen mit dem Überraschungsgast bei Laurens Erbanteil für gruseligen Spannungsaufbau sorgt.

Die gefeierte Rechtsanwältin hat sich immer als ungeliebte Tochter des Moguls gefühlt, und ihr Erbe scheint dies noch einmal zu bekräftigen. Wäre da nicht jenes ungeheuerliche Geheimnis, welches sie weit hinter die makellose Fassade ihres Vaters führt. Was sie in einem gut versteckten Kellergewölbe finden muss, hätte Lauren wirklich nicht erben wollen. Und da stößt Vaughn Steins Inszenierung allmählich an seine Grenzen von Glaubwürdigkeit und uneingeschränkter Aufmerksamkeit. Denn ehemals dicken Freunde Simon Pegg und Patrick Warburton geben nie den Eindruck von gleichaltrigen Kumpels, welche sie darstellen sollen. Grundsätzlich scheint Pegg eine viel zu junge Erscheinung für jenen Mann zu sein, welchen er vorgibt zu spielen. Pegg macht generell den Eindruck, nicht gerade Erste Wahl für einen derart derangierten Charakter zu sein. Wenn er gegen Ende richtig aufdreht und seiner Figur freien Lauf lässt, denkt man eher an eine unoriginelle Blaupause, als einen zutiefst verstörten Menschen der in diesem Bereich neue, oder gar eigene Akzente auf die Leinwand zu bringen vermag. Ähnliches gilt für Lily Collins, die in ihren eskalierenden Gefühlen und psychologischen Abgründen durchaus brillieren kann. Aber für eine knallharte, mit allen Wassern gewaschene Erfolgsanwältin fehlt ihr einfach ein realistisches physischen Profil.

Spannend ist INHERITANCE durchaus, aber er offeriert nichts Neues im Genre des Psychothrillers. Zweimal wendet sich die Erzählrichtung, was allerdings allein durch den Handlungsaufbau von vornherein zu erwarten war, und keine Überraschung bringt. Doch Stein hat seinen Film auch soweit in Gestaltung und Rhythmus im Griff, dass man als Zuschauer viel zu spät drauf kommt die richtigen Fragen zu stellen. Tempo und Atmosphäre sind tadellos, selbst wenn gewitzte Kinogänger das Resultat der überraschenden Wendungen schon vorher erahnen können. Die wichtigste Frage ist allerdings, ob die Motivation einer bestimmten Figur überhaupt Sinn macht. Womit der gesamte Film in sich zusammenfallen würde.

Die Besprechung beruht auf der DVD-Fassung

Inheritance 2, Copyright VERTICAL ENTERTAINMENT

 

Darsteller: Lily Collins, Simon Pegg, Connie Nielsen, Chace Crawford, Patrick Warburton, Marque Richardson u.a.
Regie: Vaughn Stein
Drehbuch: Matthew Kennedy
Kamera: Michael Merriman
Bildschnitt: Kristi Shimek
Musik: Marlon Espino
Produktionsdesign: Diane Millett
USA / 2020
111 Minuten

Bildrechte: VERTICAL ENTERTAINMENT via IMDb / Rosebud Entertainment
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