RIFKIN’s FESTIVAL

Rifkins Festival - Copyright FILMWELT– Bundesstart 07.07.2022

Man muss ganz weit zurückblicken, ins Anfangsjahrzehnt seiner Karriere, da gibt in den Siebzigern tatsächlich Jahreszahlen, in denen kein Kinofilm von Woody Allen erschienen ist. In den 2010ern waren es nun schon 2018 und 2021, und es machte sich Hoffnung breit, Allen wäre endlich zur Vernunft gekommen, zwanghaft jedes Jahr einen Film zu veröffentlichen. Der verstohlene Wunsch war schon lange gegeben, der Filmautor würde sich und dem Publikum mehr Zeit für die Ausarbeitung seiner Geschichten und deren Inhalte gönnen. 2022 ist in Deutschland nun ein Zwitterjahr, hier startet sein jüngstes Werk RIFKIN’s FESTIVAL. Der ist allerdings von 2020, wurde aber wegen ‚man darf raten warum‘ nicht gestartet. Und der Film selbst bringt die Frage auf, warum jetzt überhaupt noch.

Geradezu enttäuschend ist die Bildgestaltung, ausgerechnet von Vittorio Storaro. Das Internationale Filmfestival von San Sebastian ist nach eigenem Bekunden, das beliebteste Filmfestival und das, mit den schönsten Erinnerungen von Woody Allen. In diesem Film schickt er dieses Mal den im europäischen Kino festgefahrenen Filmdozent und -kritiker Mort Rifkin als sein Alter Ego nach San Sebastian. Aber an den Gefühlen in dieser selbsternannten Liebeserklärung an diese Stadt, lässt er den Zuschauer nicht teilhaben.

Storaro zeigt die Stadt und ihre Umgebung in hellen, teilweise strahlenden Bildern. Aber es fehlen die kräftigen Farben, und ganz einfach die nachvollziehbar fesselnden Motive. Etwas einfallslos, unterstreicht der Kameramann die Stimmungen mit auffälliger Lichtgestaltung. Szenen mit Morts Gattin Sue sind mit kalten hellblauen Lichtkanten und –flächen inszeniert. Was ziemlich plump die emotionale Beziehung des Paares reflektieren soll. Vielleicht eine Hommage an die ganz alte Schule, wenn man nachsichtig sein will.

Kommt Morts unverhoffter Schwarm und Ärztin Jo Rojas ins Bild, werden sehr starke Lichtakzente mit warmen Orangetönen eingesetzt. Da der Regisseur ohnehin sehr gerne in statischen, lange stehenden Einstellungen dreht, wird die hier genutzte Bildsprache sehr schnell sehr fad. Selbst Mort Rifkins Gedankengänge sind in ihrer originell gemeinten Absicht nicht nach ihrem Potenzial genutzt, die auf das Format 4:3 geschrumpft in schwarzweiß gedreht, und szenisch an Klassiker des Kinos angelehnt sind.

Das in einem CITIZEN KANE-Traum aus Rosebud die Selbstmörderin Rose Budnick wird, ist dabei noch die witzigste Hommage. Ansonsten beschränken sich in Morts Tagträumen die Anlehnung an Buñuel, Bergman, Lelouch oder Truffaut eher auf einzelne ikonografische Motive. Die stilistischen Merkmale der Meister sind aber kaum getroffen, daher wirken die angedachten Verbeugungen ziemlich halbherzig. Viel mehr ist Allen an seinen ureigenen Motiven und Stilmitteln interessiert.

Rifkins Festival 1 - Copyright FILMWELT

 

Managerin Sue, Gattin von Mort, verbringt mit dem aufstrebenden Regie-Wunderkind Philippe auffallend mehr Zeit als für die Termine während des Festivals nötig sein müsste. Das seine wesentlich jüngere Frau eventuell eine Affäre begonnen haben könnte, scheint Mort nicht in den Sinn zu kommen. Seine Herzprobleme schiebt er stattdessen auf seine ständigen Sinnfragen, dabei begegnet er der jungen Ärztin Joanna Roja. Mort und Jo beginnen eine platonische Beziehung, bei der sie nicht nur über San Sebastian mehr erfahren.

Auch in RIFKIN’S FESTIVAL kann Woody Allen nicht wirklich verdeutlichen, wie sich der merkliche Altersunterschied zwischen seinem Alter Ego und den ständig massiv jüngeren Mitspielerinnen erklärt. Mort wirft ein zwei Dialogzeilen über sein Verhältnis zu Sue ein, aber ein wirkliches Verständnis für die zwei extrem unterschiedlichen Figuren gewinnt man dabei auch nicht. Die Obsession für die Besetzung von viel jüngeren Frauen ist schon seit geraumer Zeit ermüdend.

Die Permanenz mit welcher der Filmautor an diesem provokante Stilmittel festhält ist erstaunlich. Wie hier eben auch, zeigt er nicht das geringste Interesse, die gegenseitige Anziehung von gegensätzlichen Figuren charakterlich aufzudecken. Während Wallace Shawn als Mort in typischer Allen-Manier lautstark über den Sinn des Lebens sinniert, sinniert der Zuschauer über die Motivationen der Filmfiguren. In kaum einem seiner Filme waren die Charaktere so aneinander vorbei inszeniert.

Während im wirklichen Leben die Liebe überall Platz finden kann, erwartet man von einer egal in welchem Stil gehaltenen Geschichte, einen Art Hintergrund, mit dem sich für die Zuschauenden die Figuren auch erschließen. In RIFKIN’S FESTIVAL tun sie das nicht. Zudem erwecken alle Dialogszenen, als wären sie improvisiert. Es gibt spürbare Pausen, die Protagonisten suchen scheinbar nach Worten, Sätze wiederholen sich. Das mag ein bewusstes Stilmittel sein, hier funktioniert es aber nicht.

Je nach Sichtweise, sollte man noch einmal zwei oder eben vier Jahre zurück auf den stilistisch atemberaubenden WONDER WHEEL werfen. Eine fabelhaft ausgeglichene Romanze mit Krimi-Einschlag, die mit pointierten Spitzen hervorragend Laune macht. Ein Film, mit einer traumhaft überragenden Kameraführung, welche die Magie des Kinos wiederspiegelt, ebenfalls von Vittorio Storaro. Das ist ein Film, den man von Woody Allen sehen will. Dazu müsste er sich eben einfach etwas mehr Zeit gönnen, und den Zuschauenden.

Rifkins Festival 2 - Copyright FILMWELT

 

Darsteller: Wallace Shawn, Gina Gershon, Louis Garrel, Elena Anaya, Sergi López, Richard Kind, Nathalie Poza u.a.
Regie & Drehbuch: Woody Allen
Kamera: Vittorio Storaro
Bildschnitt: Alisa Lepselter
Musik: Stephane Wrembel
Produktionsdesign: Alain Bainée
Spanien, Italien, USA / 2020
88 Minuten

Bildrechte: FILMWELT Filmverleih
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