COCAINE BEAR

Cocaine Bear - Copyright UNIVERSAL STUDIOSCOCAINE BEAR
– Bundesstart 13.04.2023

Besprechung beruht auf der PRIME / US Fassung

Dies ist eine wahre Geschichte: Es ist 1985, und der korrupte Drogenfahnder Andrew Thornton schmeißt 40 Taschen mit jeweils 35 Kilo Kokain aus einem Flugzeug über dem Chattahoochee National Forest in Georgia ab. Danach will er sich selbst mit einem Sprung aus der Cessna vor einer möglichen Verfolgung durch die Behörden in Sicherheit bringen. Doch Thorntons Fallschirm trägt sein Gewicht und das einer dieser Taschen nicht. Der Schmuggler schlägt ungebremst in einer Grundstückseinfahrt in Kentucky auf.
Im Film sieht es allerdings so aus, dass sich Thornton vom eigenen Koks vollkommen zugedröhnt, den Kopf schlägt und bewusstlos aus dem Flieger rutscht. Als dramaturgische Entscheidung diskussionswürdig, aber immer noch absurd komisch. Weil die Regisseurin ein ausgeprägtes Gespür für die Inszenierung absurder Situationen hat. Und COCAINE BEAR setzte sich eigentlich nur aus absurden Situationen zusammen.

Wer die Karriere von Elizabeth Banks nachzeichnet, sieht ihre Highlights im Independent-Kino und in grandiosen Nebenrollen. In viel zu kurzen Auftritten war sie mit John Michael Higgins in der PITCH PERFECT-Reihe witziger und interessanter als die Filme im Gesamten. Diese Frau hat etwas für den Regiestuhl gebraucht, dass sie von frei von den Zwängen des Mainstream und des Franchise hält. COCAINE BEAR war dieser Stoff, den die Mörder der SCREAM-Fortsetzungen, Bettinelli-Olpin und Gillett, zum Glück ablehnten. Gelegenheit für Elizabeth Banks mit der extremen Verzerrung der wahren Begebenheiten einen Instant-Klassiker zu machen.

Der Regisseurin hat das auf den maximalen Unterhaltungswert ausgerichtete Drehbuch des unverdorbenen Jimmy Warden eine außerordentliche Grundlage geschaffen. Der Schwarzbär ist entgegen aller Äußerlichkeiten und Geschehnisse ohne Schuld. Er ist eben nur Opfer der menschlichen Zivilisation, nachdem er ohne besseren Wissens eine Packung vom Himmel gefallenen Kokains gefressen hat. Als erste erfahren das zwei unschuldige Touristen auf schmerzliche Weise, die ganz sicher nicht umsonst Olaf und Elsa heißen, was daran erinnert, dass es die goldigen, herzensguten Bären nur bei Disney gibt.

Es gibt noch zwei Kinder, die unerlaubter Weise ihre Zeit in den Ausläufern der Wälder totschlägt. Oder drei halbstarke Jugendliche, die versuchen ausgerechnet im Grünen glücklos Gangster zu spielen. Und eine verzweifelte Mutter die ihr Kind sucht. Dazu zwei Park-Ranger, die sich in der Natur näher kommen möchten. Auch den ermittelnden Detektiv, der mehr mit seinem Hund beschäftigt ist, den er nicht mag. Irgendwo tummeln sich noch ein stark depressiver und ein übermotivierter Drogenkurier, welche die abgeworfene Ware finden wollen. Und der Boss will endlich sein Koks wieder haben, was bei einem zugeschnupften Bär trotz schwerer Bewaffnung nicht einfach ist.

Cocaine Bear 1 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

 

Gespielt wird Boss Syd von Ray Liotta, der hiermit seine letzte Vorstellung gibt. Einen würdigeren Abgang hätte sich der beliebte Mime nicht wünschen können. Ihm ist COCAINE BEAR gewidmet. Die waren Szenen-Diebe sind allerdings Brooklynn Prince und Christian Convery als unerschrockene Kinder. Trotz losem Mundwerk und viel Aufschneiderei, sind sie nicht die sonst üblichen, neunmal klugen Plagen, sondern präzise beschriebene Figuren, die wirkliche Kinder sein dürfen („Hey, lass uns das Kokain verkaufen!“). Allerdings kümmert sich der Film grundsätzlich um all seine Hauptakteure.

Selbst anfänglich uninteressante Charaktere gewinnen im Verlauf immer mehr an Sympathien. Mit jener Ausnahme, wo sich das Publikum freudig die Konfrontation mit dem Bären herbei sehnt. Die Wertschätzung, mit der Banks ihre Figuren in sehr spezifischen Details behandelt, bestimmt einen wesentlichen Teil der verdrehten Attraktivität für den Film. Natürlich nicht im gleichen Umfang wie der titelgebende Hauptdarsteller, der im Rausch und auf Entzug wundervolle Dinge tut, um der Prämisse vollends gerecht zu werden. Der ist in Ausarbeitung und Umsetzung fast schon einen eigenen lobpreisenden Artikel wert.

COCAINE BEAR ist reich an absurden Splatter-Effekten, die allesamt mit viel schwarzem Humor umgesetzt sind. Und genau diese präzisen Pointen, die man von Elizabeth Banks schon länger kennt, bewahren die durchaus derben Bluteffekte davor abstoßend zu werden. Was als leichtfertig produzierter Horror leicht den Bach runter gehen würde, gelingt dem Bären hervorragend. Speziell für Genre-Nerds werden Energie und Einfallsreichtum von Banks zum Fest. Aber auch für unbedarfte Grünschäbel wird dies regelrecht spürbar.

COCAINE BEAR weiß genau was für ein Film er ist, und wo seine Grenzen liegen. Und er will auch zu keinem Augenblick mehr sein. Aber es sind die Details, die maßgeblich sind. Wie Mark Mothersbaughs ausgezeichnete Synthie-Reminiszenz an den B-Movie-Soundtrack der Achtziger. Zum Beispiel.
Dies ist auch eine wahre Geschichte: Der in einem Einkaufszentrum in Lexington, Kentucky ausgestopfte Bär ist trotz aller Beteuerungen nicht der wirkliche Cocaine Bear. Der echte Bär war bei seinem Fund in den Wäldern bereits in einem Zustand des Zerfalls.
Und noch eine Tatsache: Dieser Film wird mit Sicherheit nicht der letzte Film über, wie ihn seine Fans nennen ‚Pablo Escobear‘ gewesen sein. Schließlich hat Andrew Thornton vierzig Taschen mit jeweils 35 Kilo Koks über Georgias Wälder abgeworfen. Und die Wälder sind voll mit knuddeligen Tieren und Möglichkeiten…

Cocaine Bear 2 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

 

Darsteller: Keri Russell, O’Shea Jackson, Alden Ehrenreich, Brooklynn Prince, Christian Convery, Isiah Whitlock Jr. und Ray Liotta u.a.
Regie: Elizabeth Banks
Drehbuch: Jimmy Warden
Kamera: John Guleserian
Bildschnitt: Joel Negron
Musik: Mark Mothersbaugh
Produktionsdesign: Aaron Haye
USA / 2023
95 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL STUDIOS
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