DAS RÄTSEL

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a.k.a. THE TRANSLATORS
– Bundesstart 01.06.2023

Dreieinhalb Jahre nach der Kinopremiere und drei Jahre nach der ersten Veröffentlichung fürs Heimkino, wagt sich die 24 Bilder Filmagentur doch noch an eine Kinoauswertung für DIE ÜBERSETZER. In all den Monaten sind sie Dank eines nicht gegebenen Marketings,  ein unbeschriebenes Blatt geblieben. Aber auch der deutsche Titel DAS RÄTSEL wird  hierzulande nicht viel für Régis Roinsard zweiten Spielfilm bewegen können. Denn hier fehlt ebenfalls die zwingend notwendige Werbung, um überhaupt das Interesse eines geneigten Publikums für den Film zu wecken. Und der handelt von neun der inernational renommiertesten Übersetzern, die in der Isolation eines oligarchischen Luxus-Bunkers zeitgleich den abschließenden Band einer extrem erfolgreichen Roman-Trilogie übersetzen müssen.

Die Geschichte von Regisseur Roinsard, mit Daniel Presley und Romain Compingt als Drehbuch verfasst, glänzt mit raffinierten Täuschungsmanövern und ausgeklügelten Wendungen. Aber die Umsetzung stolpert immer wieder über diverse Unzulänglichkeiten. Für den strauchelnden Verleger Eric Angstrom sind die millionenschweren ‚Dedalus‘-Romane von Oscar Brach die letzte Rettung, weswegen er den abschließenden Teil mit großem Medienrummel und exzessiven Sicherheitsmaßnahmen übersetzen lassen will. Der Inhalt soll vor der Veröffentlichung streng geheim bleiben.

Die Idee hinter dieser Geschichte ist vielversprechend, und auch in Teilen hervorragend gestaltet. Der Titelvorspann zeigt eine brennende Bücherladen, allerdings anders als man solche Bilder  erwarten würde. Es ist ein vorausschauendes Zeichen das Roinsard hier setzt. Was dann aber schnell irritiert sind die überzogenen Sicherheitsmaßnahmen und der gigantische Bunker unter einem Schloss angebliche von einem russischen Oligarchen angemietet. Das Personal besteht aus russischen Wachleuten, die schlichtweg übertrieben und unglaubwürdig dem Stereotyp nach inszeniert sind.

Das die neun Übersetzter alle elektronischen Geräte abgeben müssen, ist nachvollziehbar. Der weiträumige Luxus des Bunkers ist es nicht.  Da hat sich Julien Tesseraud mit seinem Set-Design viel zu weit Richtung Super-Schurken-Festung aus Super-Agenten-Filmen begeben. Während die übrigen Drehorte realistisch sind, irritiert der Bunker nur. Er generiert in gewissen Spannungsmomenten eine komplett falsche Erwartung. Allerdings braucht die Regie auch dieses Instrument dringend, um bequemer und dadurch schneller zum Kern der Erzählung zu kommen.

Alle Beteiligten übersetzen in ihrer jeweiligen Sprache im hermetisch abgeriegelten Bunker immer nur  zwanzig Seiten am Stück. Unter den strengen Augen der Wachen. Dennoch werden die ersten zehn Seiten des Romans Online geleakt. Und nur nach der Zahlung von 80 Millionen Dollar bleiben weiter 100 Seiten unter Verschluss. Angstrom vermutet den Erpresser unter den Übersetzern, weil sie die einzigen mit Zugang zum Manuskript sind. Die Frage ist nur wie, denn die Sicherheitsmaßnahmen machen es eigentlich unmöglich. Und an dieser Stelle beginnt auch der Thriller voll zu greifen.

Translators 2 - Courtesy of 24 BILDER

 

Die Geschichte macht clevere Zeitsprünge vor und zurück, spielt mit dem vermeintlichen Wissen des Zuschauers, und legt ständig neue Fährten. Aber im Unterton will DAS RÄTSEL auch in gewisser Weise als Huldigung an die Magie des Schreibens verstanden werden. Einer der Übersetzer bezeichnet die ‚Dedalus‘-Romane als exzellente Verquickung von englischer und französischer Hochliteratur. Aber wirklich überzeugend ist diese Verbeugung nicht, auch wenn man zum Beispiel die Frankfurter Buchmesse als Kulisse nutzt. Der Film hat sich einfach mit zu viel Ballast beladen.

Ballast ist unter normalen Umständen kein Negativ. In diesem Beispiel aber fast erschlagend. Verleger Armstrong dreht durch, als er den finanziellen Erfolg des Buches schwinden sieht. Die Erpresser-Nachrichten enthalten unumstößliche Hinweise, dass der Verräter nur im Bunker sein kann. Jeder ist verdächtig, die daraus resultierenen Konsequenzen sind allerdings drastisch überzogen. Es soll aber die Spannung erhöhen. Und mit elf Sprechrollen kann sich kaum ein Charakter richtig entfalten. Olka Kurylenko bleibt als fanatische Liebhaberin der Romane zu unausgegoren. Sidse Babett Knudsen hasst ihre Familie und trinkt, tiefer geht es aber nicht.

Und dem Briten Alex Lawther fehlt einfach das Charisma um als aufsteigende Hauptfigur glaubhaft zu werden. Die interessanteste Figur unter den Übersetzern ist Grieche Manolis Mavromatakis, der mit vagen Sprüchen und dubiosen Reaktionen viel Aufmerksamkeit erregt, aber als Staffage abgehandelt wird. Sowie die scheue Sara Giraudeau als unterwürfige Rose-Marie Erwartungen weckt, die weder dramaturgisch noch inhaltlich erfüllt werden. Dann überzeugt wieder Lambert Wilson, wie gewohnt, der eine herrliche Palette an psychotischen Fehlverhalten zur Schau stellt.

Régis Roinsard hat knackig und ohne Pausen inszeniert. Das Verwirrspiel mit seinen unablässigen Wendungen und Überraschungen funktioniert im Grunde ausgezeichnet. Doch die Geschichte selbst kann sich nicht entscheiden, auf was sie sich fokussieren soll. Eine stimmige Balance zwischen Thriller und starken Schauspielkino misslingt, und genau dazwischen wird diese kleine Hommage an den Literatur-Zirkus fast bedeutungslos. Eine intensiver Ausarbeitung hätte dem Film ein Alleinstellungsmerkmal gegeben.

Insgesamt wurde der Krimi-Aspekt viel zu aufdringlich in den Vordergrund gedrückt. Und das erstickt dann auch noch den soziopolitischen Kommentar über die Freiheiten und Gefahren des weltweiten Netzes. DAS RÄTSEL ist einer dieser Filme, die sehr viel Freude bereiten, wenn man sie ein zweites Mal ansieht, um all die versteckten Hinweise und irreführenden Fallen zu erkunden und nachzuvollziehen. Dabei wäre allerdings der gravierende Nachteil, dass die inszenatorischen und inhaltlichen Unzulänglichkeiten noch viel stärker ins Bewusstsein rücken.

Translators 1 - Courtesy of 24 BILDER

 

Darsteller: Lambert Wilson, Olka Kurylenko, Riccardo Scamarcio, Sidse Babett Knudsen, Eduardo Noriega, Frédéric Chau, Maria Leite u.a.
Regie: Régis Roinsard
Drehbuch: Régis Roinsard, Daniel Presley, Romain Compingt
Kamera: Guillaume Schiffman
Bildschnitt: Loic Lallemand
Musik: Jun Miyake
Produktionsdesign: Sylvie Olivé
Frankreich, Belgien / 2019
104 Minuten

Bildrechte: Courtesy of 24 BILDER
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