Drive-In: DER MANN VOM GROSSEN FLUSS

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Shenandoah - Copyright UNIVERSAL PICTURESSHENANDOAH
– Bundesstart 09.09.1965

In Amerika wütet der Bürgerkrieg. Die Kampflinien ziehen sich quer durch den Saat Virginia. Nur Farmer Charlie Anderson bleibt von den Auseinandersetzungen unbeeindruckt. Er ist kein Pazifist, das stellt er klar, aber es ist nicht sein Krieg. Er bewirtschaftet die Farm mit seiner Tochter und seinen sechs Söhnen, ohne Fremdarbeiter, und erst Recht nicht mit Sklaven. Zur Sklaverei hat Charlie Anderson allerdings keine Meinung, er hält es nur für angemessen, dass sich die Familie auch selbst um die Farm bemüht. Die Frau ist sechzehn Jahre vorher gestorben, bei der Geburt von Robert, den alle nur ‚Boy‘ nennen. Aber als willensstarker und doch behütender Vater, hat Charlie mit den Kindern alles richtig gemacht. Doch dann findet ‚Boy‘ eine Mütze der Südstaatenarmee, die er nur aus Spaß trägt, aber prompt von einer Nordstaaten-Patrouille in Gefangenschaft genommen wird.

Regisseur Andrew V. McLaglen hat bisher hauptsächlich fürs Fernsehen gearbeitet. Nach fünf kaum beachteten Kinofilmen, hat McLaglen mit dem Western MCLINTOCK – EIN LIEBENSWERTES RAUBEIN einen großen Erfolg, in dem John Wayne und Maureen O’Hara die Hauptrolle spielen. Als Reaktion auf den Erfolg bietet ihm Universal Pictures die Regie für DER MANN VOM GROSSEN FLUSS an. Es ist ein Bürgerkriegsdrama, welches im allgemeinen eine klare Haltung gegen den Krieg einnimmt. Aber in diesem Film wird das auf behutsame und unaufdringliche Weise umgesetzt. Drehbuchschreiber James Lee Barrett hat zuvor unter anderem das Drehbuch zu DIE GRÖSSTE GESCHICHTE ALLER ZEITEN geschrieben, ein Film über das Leben Jesus Christus. Genauso feinfühlig setzt er sich auch in diesem Film mit dem Kernthema auseinander. Offensichtlich will James Lee Barrett das Publikum nicht mit Eimern voller Moral übergießen, sondern regt lieber sehr geschickt zum Nachdenken an. Das tut er, in dem er den ernsten Hintergedanken in eine außergewöhnlich leichte Erzählweise packt.

Andrew McLaglen legt die intelligente Gewichtung von James Lee Barretts Drehbuch ebenso sorgsam auf die Inszenierung um. Damit dies auch wie gewünscht funktioniert, scheint niemand besser für die Rolle des Patriarchen Charlie Anderson geeignet, wie James Stewart. Ist John Wayne der bärbeißige Protz im Western, zeichnet sich James Stewart immer durch eine erhabene Besonnenheit aus, die ihm Respekt verschafft, weil er stets Respekt entgegenbringt. Genau mit dieser vermeintlichen Tugend spielt auch der Film- Wenn Charlie Anderson seine Familie zum Gottesdienst bringt, tut er es nur nach Geheiß seiner verstorbenen Frau. Dafür kommt er immer ein klein wenig zu spät um den Priester zu ärgern. DER MANN VOM GROSSEN FLUSS ist kein leichter Film, der sich mit sehr ernsten Themen auseinandersetzt. Doch genau hier setzt auch der feinsinnige und teilweise heitere Ton an. Es gibt immer wieder flapsige Sprüche, sehr witzige Wortgefechte, aber jeder in der Familie weiß wo sein Platz ist. Charlie Anderson ist eine Autorität der mit sehr viel Respekt begegnet wird, weil er gerecht, bedacht und liebenswürdig ist.

Shenandoah 2 - Copyright UNIVERSAL PICTURES

 

Kameramann William Clothier hat bereits Anfang des Jahres das Indianer Drama CHEYENNE Anfang des Jahres – auch mit den Darstellern James Stewart und Patrick Wayne – mit atemberaubende Photographien von 70mm-Kameras auf die Leinwand gebracht. Leider hat Herr Clothier bei DER MANN VOM GROSSEN FLUSS nicht einmal im Cinemascope-Verfahren gedreht, was die eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen noch imposanter machen würde. Besonders das Geschehen mit der Kuh zwischen den Frontlinien, hätte die Absurdität des Krieges noch verstärkt. Aber die kraftvollen Farben des wunderbaren Technicolor entschuldigen in technischer Hinsicht sehr viel. Nichts zu entschuldigen braucht es in der präzisen Abhandlung der Geschichte. Mit leichter Hand werden die Verhältnisse in der Familie erzählt. Der Zuschauer erfährt fast beiläufig über die Wertvorstellungen der Andersons. Regisseur McLaglen führt erst ganz langsam zu einer dichteren Dramaturgie, wenn sich Nachbarn und sogar die eigenen Kinder dafür aussprechen, das die Andersons moralisch verpflichtet seien sich am Krieg zu beteiligen.

In der zweiten Hälfte bekommt der Film unvermittelt einen ganz anderen Ton, wenn ‚Boy‘ aus Versehen in Gefangenschaft geraten ist, und die Männer der Farm aufbrechen um ihn zurück zu holen. Die Südstaatler in den Lagern der Nordstaatenarmee zeigt dabei ein bisher unbekanntes Bild, wenn eigentliche Gegner auf der Ebene von Vernunft und Verständnis zusammenkommen. Die ausnahmslose Unterstützung des angedachten Feindes, bringt die erwartete Dramaturgie eines Kriegsfilmes vollkommen durcheinander. Die filmische Umsetzung verwischt die Ansätze von Gut und Böse, und bezieht auch keine politische Stellung. Wie sonst bei Western dieser Gattung, glaubt man anfangs noch, die Andersons sind eine dieser noblen Südstaatenfamilien, deren Anliegen sich durch Tradition und sittliche Ansprüche rechtfertigt. Aus dieser Erwartungshaltung heraus, entwickelt sich ein kraftvolles Plädoyer gegen den Krieg, dass durch seine intensive Gestaltung mit zutiefst menschlicher Betrachtung auch unglaublichen Eindruck hinterlässt.

Skurriles Detail: Wenn DER MANN VOM GROSSEN FLUSS Premiere feiert, tritt James Stewart für eine Verstärkung der Kriegshandlungen in Vietnam ein. Später wird sein Adoptivsohn Roland in Vietnam fallen. Stewarts streng konservative Haltung wird dadurch nicht beeinflusst.

Shenandoah 4 - Copyright UNIVERSAL PICTURES

Shenandoah 3 - Copyright UNIVERSAL PICTURESDarsteller: James Stewart, Doug McClure, Glenn Corbett, Patrick Wayne, Rosemary Forsyth, Phillip Alford, Katharine Ross, Charles Robinson, Tim McIntrie, Jim McMullan, George Kennedy, Strother Martin u.a.
Regie: Andrew V. McLaglen
Drehbuch: James Lee Barrett
Kamera: William H. Clothier
Bildschnitt: Otho Lovering
Musik: Frank Skinner
Produktionsdesign: Alexander Golitzen, Alfred Sweeney, Oliver Emert, John McCarthy Jr.
USA / 1965
105 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL PICTURES
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