PLANE

Plane - Copyright LEONINE Studios– Bundesstart 02.02.2023

Flug 119 der Trailblazer Airline ist von Singapur über Tokio nach Honolulu unterwegs. Captain Brodie Torrance, verwitwet mit einer erwachsenen Tochter, hat nur wenige Passagiere an Bord, es könnte also ein entspannter Flug werden. Misstrauisch macht ihn nur eine kurzfristig beim Boarding angesetzte Überführung des Fremdenlegionärs Gaspare durch einen kanadischen Vollzugsbeamten. Bei einem Sturm über dem südchinesichen Meer, gibt der verantwortliche Meteorologe vom Bodenpersonal bedenkenlos die Freigabe. Freundinnen und Freunde des gepflegten Action-Kinos ahnen die Konsequenzen. Flug 119 wird nicht nur heftig durchgeschüttelt, es gibt auch einen Blitzeinschlag, der die komplette Elektrik der Maschine lahmlegt. Co-Pilot Samuel Dele navigiert mit Rechenschieber und Karte, Brodie Torrance behält die Nerven, und die Zuschauenden glauben tatsächlich für kurze Zeit einen handfesten Katastrophenfilm zu erleben.

Straff und ohne künstliche Umwege inszeniert Jean-Francois Richet die erste Hälfte, und setzt dabei klar auf den Wiedererkennungseffekt im Klischee. Was nicht unbedingt von Nachteil sein muss. Der mysteriöse, und nur scheinbare Schwerverbrecher. Die taffe Flugbegleiterin, die ihren Laden im Griff hat und nicht auf den Mund gefallen ist. Ein ständig unzufriedener und meckernder Geschäftsmann. Und eine Reihe anderer Passagiere die mit besonderen Eigenschaften auffallen. Am Boden gibt es den übervorsichtigen Fluglinien-Besitzer mit Hang zum Abwägen. Und der knallharte Krisenmanager, der alle Konventionen über Bord wirft.

Da der Anschein erweckt wird, es handelt sich nicht um das typische Gerard-Butler-Vehikel, baut der Film schon einmal gute Spannungsmomente auf. Torrance ist ein bodenständiger Kerl, der sich um seine Tochter sorgt. Der Regisseur hebt das sehr geschickt auf eine glaubwürdige Ebene. Relevante Details werden beiläufig abgehandelt, was den Eindruck von Normalität erweckt. Diese Elemente sind dann schon einmal gesetzt, wenn sie handlungstechnisch wichtig werden. Torrance wird sich erwartungsgemäß als exzellenter Pilot bewähren. Die Bemühungen um ein Gefühl für Realismus lassen PLANE bis dahin gut funktionieren.

Brendan Galvins Handkamera könnte etwas ruhiger geführt sein, und David Rosenblooms Schnitt weniger aufgeregt. Zwei entscheidende Details können dabei in der ersten Hälfte nur ungenau wahrgenommen werden. Dafür schafft die Anmutung von grobkörnigem Filmmaterial einen rauen Charme der B-Movies aus den 1980ern, der durchaus stimmig ist und gefällt. Mit dieser Atmosphäre geht der Film in seine zweite Hälfte, wenn Torrance und Delle die Maschine auf einer philippinischen Insel notlanden. Die zuständigen Behörden können kein Rettungsteam schicken, weil die Insel von Rebellen kontrolliert wird.

Plane 1 - Copyright LEONINE Studios

 

PLANE wird zu dem Gerard-Butler-Vehikel, von dem man geglaubt hat verschont zu bleiben. Auch der Aufbau der nach klassischem Muster differenzierten Nebencharaktere zerfällt, weil sie nichts mehr zu tun bekommen. Lediglich Mike Colter, der den Gaspare mit routinierter Nonchalance des überlegenen Mysterium spielt, kommt Action-gewaltig zum blutigen Zug. Krisenmanager Scarsdale schickt noch eine Spezialeinheit. Trotz starker Präsenz und zündenden Dialogen, wird Tony Goldwyn wie so oft mit einer Standardrolle um sein eigentliches Talent gebracht. Der eigentlich ausbaubare Charakter aber ohnehin hinter dem Kugelhagel verloren.

War PLANEs Anfangs noch nachvollziehbar und leidlich glaubwürdig, fährt er in der zweiten Hälfte inszenatorische und inhaltliche Geschütze auf, die lediglich Action-Enthusiasten mit hoher Toleranzgrenze überzeugen wird. Allerdings muss ein außergewöhnlicher Zweikampf herausgestellt werden, der nicht nur bemerkenswert choreografiert ist, sondern von Brendan Galvin in einer einzigen Einstellung gedreht wurde. Ohne Stunt-Double oder Kameratricks prügelt sich Butler stets gut erkennbar, bis an die sichtliche Schmerzgrenze durch die Szene. Beeindruckend, was der Schotte physisch auf sich genommen hat.

Das reine Popcorn-Vergnügen kann man Jean-Francois Richets Film wirklich nicht absprechen. In jüngster Vergangenheit haben KEEPERS – DIE LEUCHTTURMWÄRTER oder DAS GLÜCK DES AUGENBLICKS erneut gezeigt, dass Gerard Butler Charakterschauspieler sein kann. Zuletzt in CHASE – LAST SEEN ALIVE, aber auch hier in PLANE bringt er für diese Art Film ungewöhnlich einfühlsame Wesenszüge ein. So etwas verpufft aber immer wieder in den Momenten, wo PLANE mehr sein soll als packende Unterhaltung. Das solide Handlungsgerüst bricht dann doch unter der Last von unsinnigen Überhöhungen zusammen. Und das fängt zum Beispiel bei den bösen Rebellen an, wo es nicht eine wirklich greifbare Figur gibt, sondern nur Abziehbilder von stupiden Stereotypen. Selbst die konzentrierte und pulsierende Regie kann über so was nicht hinwegtäuschen.

Plane 2 - Copyright LEONINE Studios

 

Darsteller: Gerard Butler, Mike Colter, Yoson An, Daniella Pineda, Tony Goldwyn, Paul Ben-Victor u.a.
Regie: Jean-Francois Richet
Drehbuch: Charles Cumming, J.P. Davis
Kamera: Brendan Galvin
Bildschnitt: David Rosenbloom
Musik: Marco Beltrami, Marcus Trumpp
Produktionsdesign: Mailara Santana
Großbritannien, USA / 2023
107 Minuten

Bildrechte: LEONINE Distribution
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