– Bundesstart 14.08.2025
– Release 29.05.2025 (AUS)
Warum auf neue Pferde setzen? Spanische oder australische Horrorfilme haben schon immer mit neuen Ansätzen die Genrefreunde entzückt. Hier sind es die Australier Danny und Michael Philippou, die zuerst mit ihrem Filmdebut „Talk to me“ einen verdienten Achtungserfolg inszenierten, und jetzt mit demselben Team den künstlerischen Nachfolger „Bring her back“ realisiert haben. Vielleicht will man das Pferd am Laufen halten, bis die unausweichliche Fortsetzung „Talk to me 2“ produziert wird. Und diesen Eindruck macht auch „Bring her back“ – eine experimentelle Fingerübung. Eine Fingerübung in der das Thema von häuslicher Gewalt überraschend gut eingewoben ist, ohne das es als sozialkritischer Wink mit dem Zaunpfahl aufgedrängt wird. Denn es geht um den fast volljährigen Andy und seiner jüngeren, stark sehbehinderten Schwester Piper, die nach dem unvermittelten Tod ihres Vaters eine Pflegefamilie brauchen.
Die Mittvierzigerin Laura, die einst selbst schon in der Fürsorge arbeitete und danach bereits den jungen Oliver aufgenommen hat, möchte sich lediglich um Piper kümmern. Andy hingegen möchte nach seiner in sechs Monaten anstehenden Volljährigkeit die Vormundschaft für seine Schwester übernehmen, und besteht deswegen darauf, dass beide Geschwister nur zusammen an Laura vermittelt werden. Laura willigt ein, lässt aber Andy sehr unverhohlen merken, dass sie nur an Piper interessiert ist. Aus Bewegründen die selbst uns als Zusehende vorenthalten werden. Wenn man sich aber den schweigsamen, sehr fragwürdigen Oliver ansieht, dann weiß man, dass Lauras Fixierung auf Piper und ihre unklaren Absichten wirklich nichts Gutes verheißen.
Die Zwillingsbrüder Philippou (die auch unter dem Label RackaRacke bekannt sind) stürzen ihr Publikum umgehend in eine unheilvolle Stimmung. Mit dem überflüssigen Gimmick von unscharfen und verwackelten Videobildern, die nur bedingt mit dem Handlungsverlauf zu tun haben und nie erfüllte Torture Porn-Erwartungen wecken, tut das Filmemacherduo aber keinem einen Gefallen, am wenigsten dem Film selbst. Doch davon geht die Geschichte nahtlos in die nur teilweise geklärten Verhältnisse von Andy und Pipers Zuhause über. Die Zwillingsregisseure halten sich über den Vater bedeckt, nutzen aber sehr geschickt diese unheilvolle Atmosphäre, um mit Lauras merkwürdigem Verhalten gleich die adäquate Horrorstimmung zu festigen. Auch wenn sich Sally Hawkins nie als bemerkenswerte Schauspielerin gezeigt hat, erzeugt ihre psychotische, verstörend wechselhafte Laura ein erstklassig schauriges Gefühl. Und Lauras gruselige Intensität verstärkt sich noch um einiges, wenn eine ungefähre Richtung der Geschehnisse klar wird, bei der es auch um Seelenwanderung geht.
Auch wenn der Film – am Anfang und in kurzen Sequenzen während des Verlaufs – Dinge vorgibt, die er nicht gedenkt einzuhalten, ist er gleichermaßen ein sehr effektiver Psychothriller und Schocker. Die Thriller-Atmosphäre bleibt durchweg spannungsstark, aber durch Olivers phlegmatisches Wesen und der manischen Laura in gewissen Sequenzen auch vorhersehbar. Ganz anders bei einigen sehr überraschenden Splatter-Szenen, die selbst hartgesottene Genrefans an die Grenze bringen. Was Toneffekte ausmachen und anrichten können, und wie essenziell diese für Schocksequenzen sind, beweist hier das Sounddesign, welches einem den Magen umdreht – versprochen. Küchenmesser sind danach nie wieder einfach nur Küchenmesser.
Etwas enttäuschend ist die eher konventionelle Kameraführung von Aaron McLisky. Seine Bildgestaltung trägt kaum etwas zum Spannungsaufbau bei. Eine erweiterte Erzählebene schafft er nicht, was sich aber gerade aus der Perspektive der fast blinden Piper und dem stoischen Oliver anbieten würde. Überraschend ist dafür Billy Barratts sehr differenzierter Andy, der fantastisch das Wechselbad zwischen verunsichertem Erwachsenen und wehrhaftem Jugendlichen widerspiegelt. „Bring her back“ ist ein wirklich effektiver Psychothriller, mit grandiosen Schockmomenten. Doch man merkt immer wieder, dass Danny und Michael Philippou ihr beim ersten Film gezeigtes Potential nicht richtig ausschöpfen, dann wiederum aber mit dem Video-Element über das Ziel hinausschießen. „Bring her back“ wird der Horror-Reputation seiner australischen Vorgänger gerecht, nicht aber den bewiesenen Möglichkeiten der Zwillingsbrüder.
Darsteller: Billy Barratt,Sora Wong, Jonah Wren Phillips, Sally Hawkins, Sally-Anne Upton u.a.
Regie: Danny Philippou, Michael Philippou
Drehbuch: Danny Philippou, Bill Hinzman
Kamera: Aaron McLisky
Bildschnitt: Geoff Lamb
Musik: Cornel Wilczek
Produktionsdesign: Vanessa Cerne
Australien / 2025
104 Minuten