BUGONIA

Bugonia - (c) FOCUS FEATURES– Bundesstart 30.10.2025
– Release 24.10.2025 (CAN)

Big-Pharma gegen das Volk. Es ist eigentlich nur schwer greifbar, was Covid-19 und die Pandemie mit uns gemacht und die Welt langsam gespalten hat. Es ist danach nicht wieder besser geworden. Die persönlichen Blasen haben sich weiter aufgeblasen und die Fronten immer mehr verhärtet. Die Verschwörungstheorien dieser Welt haben sich auf absurde Weise intensiviert. Zu den Angstgegner gehören nicht nur Politiker, sondern eben auch die Pharmaindustrie. Und Michelle Fuller ist Firmenchefin von Auxolith, ein pharmazeutisches Mega-Unternehmen. Teddy und Don sind zwei Verschwörungstheoretiker aus dem Hinterland. Teddy hat sozusagen die Hosen der Weisheit an, dem sein autistischer Cousin Don beflissentlich folgt. Teddy hat während der Pandemie gelernt, wie man sich selbst unterrichtet, um fortan die eigene Wahrheit zu erfahren. YouTube Videos und Soziale Netzwerke. Wer lange genug schaut, findet auch, was einem an Wahrheit zusagt, und wie Fakten gegen Fakten aufzuwiegen sind. Sowas führt dann zur Gewissheit, dass Michelle Fuller ein Alien aus der Andromeda-Galaxie ist.

Aber wie macht man einen Film darüber, über den unbezwingbare Fanatismus von Verschwörungstheoretikern. Über das, was die jeweils andere Seite als Wahnsinn bezeichnet. Ari Aster hat es mit „Eddington“ probiert, und Yorgos Lanthimos macht das jetzt mit „Bugonia“ – den Aster mit produziert hat. Der Kern dieser Geschichten ist eine Welt die in ihren Ideologien streng geteilt ist. Wer glaubt denn an Verschwörungen? Es ist immer die jeweils andere Seite. So wird es sehr schwer bis unmöglich, die Obsessionen interessant zu gestalten, oder sogar Verständnis aufzubauen. So bleiben auch Teddy und Don bei Lanthimos nur Spinner – die aber gefährlich werden.

Einleitend stellt der Film die beiden Parteien gegenüber. Michelle in ihrer Morgenroutine, trainiert in ihren Glas-Beton-Luxusvilla an High-Tech-Geräten. Teddy und Don kümmern sich um ihre Bienenstöcke, und trainieren dann auf dem staubigen Teppich im Wohnraum des Hauses. Bienensterben und Pharmaindustrie gehen Hand in Hand – das hat sich Teddy mit Hilfe des Internet selbst beigebracht – also wird Michelle nach einer absurd komischen Entführung im Keller an ein Bettgestell gefesselt. Sie soll mit ihrem Herrscher von Andromeda Kontakt aufnehmen, dass Teddy im Namen der Menschheit mit ihm die Freigabe der Erde verhandeln kann. Nach ein bisschen Folter, erkennt Michelle ihre aussichtslose Situation, und lässt sich auf den Wahnsinn ein.

Es ist eine bitterböse Satire, bei der schnell klar wird, dass jederzeit auch alles möglich ist. Trotz seiner Absurdität ist es Yorgos Lanthimos‘ zugänglichster Film, sein vierter mit Emma Stone, und sein zweiter mit Jesse Plemons. Trotz der gewissen Zugänglichkeit, nutzt Lanthimos auf seine besondere Art, zu was diese beiden Größen fähig sind, und was das Publikum von ihm erwartet. Es entwickelt sich ein Schlagabtausch zwischen realer Wahrnehmung und der Verbissenheit von alternativen Fakten. Zweifelsfrei ist auch „Bugonia“ Emma Stones Film, aber nur wegen Plemons.

Bugonia 2 - (c) FOCUS FEATURES

Wie allmächtige Säulen tragen Michelle und Teddys heftige Wortwechsel den Film. Er mit schmierig fettigen Haaren, bedrohlich von unten gefilmt. Sie mit geschorenem Schädel und schützender Antihistamine-Creme zugekleistert, unterwürfig von oben herab aufgenommen. Er mit seinen grotesken Argumentationsketten. Sie mit ihrer stählernen CEO-Rhetorik. Schnitt und Kameraführungen geben den ohnehin schon brillant gespielten Dialogen eine nervenaufreibende Dynamik. Doch auf diesen Säulen toben mehr bizarre Ideen, die die Geschichte letztendlich dann doch stimmig machen. Unterstützt von einem orchestralen Bombast-Soundtrack von „Poor Thing“ und „Kinds of Kindness“-Komponist Jerskin Fendrix. Immer wieder steigert sich die Musik in infernalische Überfrachtung, die auch ständig größer ist als die Szene selbst.

Es ist ein kurioser Mix, der nicht von ungefähr an das asiatische Kino erinnert. Absurder Humor, brachiale Gewaltspitzen, soziale Kommentare. „Bugonia“ ist eine Art Remake von Jang Joon-hwans „Save the Green Planet!“. Yorgos Lanthimos macht aber die Grundlage von „Green Planet!“ zu einem ganz eigenen Film. Dem zugänglichsten seiner bisherigen Filme, was ihn aber nicht einfacher macht. Es gibt hier keinen wirklich liebenswerten Charakter. Selbst Cousin Don schreit mit seiner stupiden Unterwürfigkeit förmlich nach Ohrfeigen. Michelles Arroganz, Teddys Beschränktheit, und ein unfähiger, scheinbar pädophiler Polizist. Das erzeugt Spannung bis zum Finale.

Stammkameramann Robbie Ryan hat größtenteils in VistaVision mit einem 1.50:1 Seitenverhältnis gedreht. Die bisweilen ungewohnt plastische Tiefe der Bilder gibt dem Film auch eine nicht ganz irdische, aber angemessene Atmosphäre. Szenen gewinnen in ihrer extremen Weitwinkeloptik einen unwirklichen Charakter – wie bei der Entführung. Es ist erneut ein gelungenes Gesamtkunstwerk von Yorgos Lanthimos. Selbst wenn sich die Auflösung bereits ab der Hälfte ganz gemächlich abzuzeichnen beginnt, halten die einzelnen Elemente – von Technik bis Darsteller – das Erlebnis auf Spannung. Auch wenn es „Bugonia“ nicht schafft, dass gesellschaftliche Phänomen der Verschwörungstheorien, egal von welcher Seite aus betrachtet, befriedigend zu erklären.

Bugonia 1 - (c) FOCUS FEATURES


Darsteller: Jesse Plemons, Emma Stone, Aidan Delbis, Stavros Halkias, Alicia Silverstone u.a.

Regie: Yorgos Lanthimos
Drehbuch: Will Tracy
Nach dem Film von Jang Joon-hwan
Kamera: Robbie Ryan
Bildschnitt: Yorgos Mavropsaridis
Musik: Jerskin Fendrix
Produktionsdesign: James Price
Irland, Großbritannien, USA, Kanada, Südkorea
2025
118 Minuten

Bildrechte: FOCUS FEATURES
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