DER SALZPFAD

Salt Path - (c) DCM FILMTHE SALT PATH
– Bundesstart 17.07.2025
– Release 01.05.2025 (NL)

DCM-Screener, OV m. d. UT, 26.6.25
Als Raynor Winn ihren zum Bestseller reifenden Roman verfasste, orientierte sie sich an den Notizen, die sie während der Wanderung in den Reiseführer schrieb. Erinnerungen an das Wetter, an die Begegnungen, an die jeweiligen Gedanken. Wie eine Sammlung an Notizen wirkt auch das Drehbuch von Rebecca Lenkiewicz (genial mit „She Said“), die Raynor Winns Roman eine filmische Struktur gegeben hat. Was sich vielleicht zuerst nach einem Fragmentmosaik anhören mag, ist die wahre Stärke in der Erzählung. Für ihr erstes Drama nach einigen Theater-Adaptionen, gibt das Regisseurin Marianne Elliott auch einen angemessenen Spielraum für großes Charakterkino ihrer Figuren. Und diese Figuren sind Raynor und Moth, die ihren Hof und gesamtes Vermögen verloren haben, und mit 40 Pfund Sozialhilfe die Woche die über tausend Kilometer des South West Coast Path wandern.

Die Kontroversen welche dem Film in Großbritannien entgegenschlagen, werden hier aber kein Thema sein. Künstlich aufgebauschte Debatten, die nicht das Geringste mit der gezeigten Geschichte oder den künstlerischen Leistung aller Filmgewerke zu tun haben. Und diese Leistung ist durchaus sehenswert, wenngleich Marianne Elliott bei ihrem Film keine Spannungsbögen zulässt. „Der Salzpfad“ folgt einer ebenmäßigen Struktur in seiner Dramaturgie. Das hat einen sehr einnehmenden Reiz, weil es der meditativ anmutenden Wanderung von Raynor und Moth sehr nahe kommt. Die Reise für das Publikum beginnt irgendwo auf der Strecke des beschaulichen South West Coast Path.

In der ersten Hälfte springt die Handlung in der Zeit vor und zurück. Hier greift die Form von Notizen und Randbemerkungen in Raynors Reiseführer, der auch immer prominent im Bild erscheint. Wir erfahren von Moth‘ CBD, eine unheilbare neurodegenerative Erkrankung. Wir sehen, dass die Winns ihre Farm verlieren. Aber hauptsächlich zeigt die Regisseurin viele verschiedene Abschnitte der Wanderung, bei der sich Raynor und Moth nicht eingestehen möchten, dass dieser Weg durchaus auch Flucht vor der schmerzlichen Wirklichkeit ist. Wir erfahren im Rückblick nicht wirklich die Hintergründe für das finanzielle Desaster. Uns wird im Heute auch nicht erzählt, was mit Sealy passiert, die mit den Winns eine kurze Zeit wandert. Der Film formt sich aus vielen losen Episoden, die ohne konkrete Auflösung auskommen. Die es aber auch nicht braucht.

Salt Path a - © British Broadcasting Corporation / Number 9 Films Salt Path Limited 2024

Zusammengehalten und in eine gefühlvolle und ansprechende Form gebracht, wird das Ganze durch die faszinierende Strahlkraft seiner beiden Hauptdarsteller. Gillian Anderson war noch nie so verletzlich und gleichzeitig dermaßen gefasst, wie hier als Raynor. Und Jason Isaac verkörpert als Moth den perfekten Gegenpart zu seiner Rolle in „White Lotus“ (die früher ausgestrahlt wurde), konsequent und trotzig gegenüber seinem Schicksal. Moth‘ Stärke kommt aus seiner Beziehung zu Raynor. Deren tiefe Verbundenheit wird durch Anderson und Isaacs real. Der Halt von 18 Jahren Ehe ist authentisch.

„Der Salzpfad“ ist starkes Schauspielkino, gepaart mit der naturalistischen Fotografie von Hélène Louvart. Einstellungen von ebenso beeindruckenden Landschaften, wie katastrophalen Wetterlagen. Das mischt sich zu einem bemerkenswerten Film über Selbstfindung und Reflexion. Eindrucksvoll deswegen, weil Marianne Elliott niemals die Gefühle durch inszenatorische Tricks vorgibt. Man ist bei Raynor und Moth, weil man sich ihnen auf dieser unwirklichen Wanderschaft verbunden fühlt, erfreut sich an traumwandlerischen Szenarien, und fürchtet die wütenden Stürme. Natürlich vermisst man hier und da noch die ein oder andere Auflösung einer Episode, oder Hinweise auf gewisse Hintergründe. Aber wirklich brauchen tut man das nicht. Viele Probleme und so manche Nebenfiguren sind austauschbar. Es geht um zwei Menschen die scheinbar Unmögliches zu leisten vermögen. In guten, wie in schlechten Zeiten.

Salt Path b - © British Broadcasting Corporation / Number 9 Films Salt Path Limited 2024


Darsteller: Gillian Anderson, Jason Isaacs, Hermione Norris, Gwen Currant, Rebecca Ineson u.a.

Regie: Marianne Elliott
Drehbuch: Rebecca Lenkiewicz
nach den Aufzeichnungen von Raynor Winn
Kamera: Hélène Louvart
Bildschnitt: Gareth C. Sales, Lucia Zucchetti
Musik: Chris Roe
Produktionsdesign: Christina Moore
Großbritannien / 2024
115 Minuten

Bildrechte: DCM / BBC / NUMBER 9 FILMS
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