Aus ABGESCHMINKT, Ausgabe November 1971, deutsche Sprachfassung:
SOLEIL ROUGE
a.k.a. RED SUN
– Bundesstart 15.10.1971
– Release 15.09.1971 (FR)
Es ist ein bemerkenswerter Film, den der dreifache James Bond-Regisseur Terence Young mit „Rivalen unter roter Sonne“ gemacht hat. Ein Amerikaner, ein Japaner, ein Franzose und eine Schweizerin, in einem Film der in Spanien gedreht wurde. Es ist in jeder Hinsicht eine atemberaubende Mischung. Sei es das Filmgenre, sei es die internationale Besetzung, seien es alle gegebenen Merkmale die einen klassischen Western ausmachen. Und das in Zeiten, in denen dieses Genre im Kino an Bedeutung verloren hat. Es ist die Geschichte von Link und Gauche, die mit ihren Schergen einen Zug ausrauben. Aber der piekfeine Gauche hintergeht den schroffen Link, versucht ihn zu töten, und verschwindet mit der Beute. Gespielt wird der raubeinige Link vom Westernhelden Charles Bronson, und der Edelgauner Gauche von der europäischen Größe Alain Delon.
An Bord des Zuges war noch eine Delegation des japanischen Kaisers, die als Zeichen der Freundschaft dem amerikanischen Präsidenten ein mit Gold und Edelsteinen besetztes Schwert überreichen sollen. Der rücksichtslose Gauche hat auch das Schwert entwendet, und der Samurai Kuroda Jubei, gespielt von Japans Superstar Toshirô Mifune, hat nun sieben Tage Zeit, das Schwert zurückzubringen. Es ist eine Frage der Ehre, sonst muss der Samurai den traditionellen Selbstmord Harakiri begehen. Link und Kuroda schließen widerwillig ein Bündnis, um Gauche zu finden. Der Samurai braucht das Schwert und Link will sich seinen Teil der Beute holen. Da treffen zwei Welten aufeinander, die nicht verschiedener sein könnten. Eine abenteuerliche Mission mit vielen Gefahren, bei der die Helden ihre gegenseitige Abneigung überwinden müssen.
Es ist eigentlich eine Zeit, in der ein klassischer Western ausgedient hat. Durch die Bewegung des neuen Hollywood geht dieser seit einigen Jahren raue Wege. Die Geschichten haben einen realistischeren Anspruch, und die Gewalt wird unverhältnismäßig offen dargestellt. In diesem Wandel wagt „Rivalen unter roter Sonne“ nicht nur einen Schritt zurück, sondern bedient tatsächlich noch jedes einzelne Stilelement, das irgendwo und irgendwann einen Western – eben – zu einem Western macht. Eingebunden ist dabei auch der mittlerweile gefestigte Italo-Western, mit seiner schmutzigen Erscheinung und den Schurken die als Heldenfiguren dargestellt werden. So einer ist Link Stuart, ein rücksichtsloser Kerl und trickreicher Verbrecher. Charles Bronson spielt Link immer mit einem Lächeln und vielen flotten Sprüchen auf den Lippen, aber er ist auch schonungslos, wenn es drauf ankommt. Diese Härte nutzt der Film aber auch für seine humorvollsten Szenen. So zum Beispiel, wenn Link versucht mit einem Ast gegen das Schwert von Kuroda zu kämpfen.
Als eigentlicher Gegner, aber Verbündeter in ihrer Mission, ist Toshirô Mifune mit seiner maskenhaften Gelassenheit perfekt. Kuroda ist in diesem, ihm fremden Land dennoch immer der Überlegene. Etwas mehr von Alain Delon wäre schön gewesen, der seinen heimtückischen Bösewicht Gauche mit erschreckender Eiseskälte spielt, aber zu wenig zu sehen ist. Ursula Andress verkörpert leider nur das undankbare Frauenbild, nackt durchs Bild zu laufen und jeden eigennützig zu hintergehen. Regisseur Terence Young macht aber nicht einfach nur das Beste aus den stereotypen Figuren, sondern die Vorhersehbarkeit dieser Figuren macht auch einen großen Teil der gelungenen Unterhaltung aus. Der Regisseur kann damit viel schneller erzählen. Mit viel Tempo schickt er seine Helden zügig von einer vertrackten Situation in die nächste.
Der Film geizt nicht an tollen Einfällen, ständig gibt es etwas zu sehen und immer passiert etwas. Es wird geschossen, gekämpft und gestritten. Mal zusammen, mal jeder gegen jeden. Enttäuschend sind da die Aufnahmen von Henri Alekan, der immerhin eine Oscar-Nominierung für „Ein Herz und eine Krone“ bekam. Der Kameramann macht sehr wenig aus den eigentlich herrlichen Landschaften, wo andere sich in tollen Bildern ergötzen würden, um auch die unendliche Weite des Wilden Westens zu demonstrieren. Ein zweifacher Oscar-Gewinner ist der Filmkomponist Maurice Jarre („Doktor Schiwago“, „Lawrence von Arabien“). Jarre hat hier weniger eine eigene Musik komponiert, sondern sich sehr auffallend an dem für Italo-Western bekannten Ennio Morricone orientiert. Das bekommt dem Film an sich ganz gut. Es ist dennoch schade, dass Maurice Jarre keine wirklich eigenständige Musik hören lässt.
Der Westen trifft auf den Osten. Das ist ein deftiges Vergnügen, mit sehr viel Spannung und Spektakel, aber auch sehr humorvoll. Regisseur Young sorgt dafür, dass sich der Film selbst nicht so ernst nimmt. Und genau das macht gewisse dramatische Situationen aber auch noch bewegender. Doch bei all den Gelegenheiten verpasst der Film die Möglichkeit zu zeigen, wie der impulsive Revolvermann aus dem Westen vom kultivierten Samurai aus dem Osten lernen kann – und umgekehrt. Es schmälert nur bedingt das Vergnügen an diesem überaus gelungenen Western, der wirklich alles bietet, was einen Western eben ausmacht. Harte Kerle, tolle Frauen, viel Aktion, Wüstenlandschaften, schneebedeckte Bergkämme, Comanchen, die Guten, die Schlechten, Faustkämpfe, Schießereien, Pfeil und Bogen. Und natürlich das Samurai-Schwert. Nicht typisch für den Western, aber es macht den aufregenden „Rivalen unter roter Sonne“ nur noch einzigartiger.
Darsteller: Charles Bronson, Toshirô Mifune, Alain Delon, Ursula Andress, Capucine, Barta Barri, Mónica Randall u.a.
Regie: Terence Young
Drehbuch: Denne Bart Petitclerc, William Roberts, Lawrence Roman
Dialoge: Gerald Devriès
Kamera: Henri Alekan
Bildschnitt: Johnny Dwyre
Musik: Maurice Jarre
Ausstattung: Enrique Alarcón
Frankreich, Italien, Spanien / 1971
112 Minuten


