– Bundesstart 30.10.2025
– Release 01.10.2025 (PHL)
DCM-Screener, Digitales Kino, 29.09.25
Ihr Haustier – ob Hund oder Katze – sitzt mitten im Raum und starrt in eine leere Ecke. Ihr Tier sitzt da und starrt beunruhigend in die Ecke des Zimmers, lässt sich auch nicht durch Zurufe oder Störungen irgendwelcher Art davon abbringen. Wenn Sie sich schon immer gefragt haben, warum ihr Tier dieses seltsame, meist unheimliche Gebaren an den Tag legt, dann sollten sie auf keinen Fall Ben Leonards „Good Boy“ sehen. Leonard offeriert für dieses merkwürdige Verhalten die wahrscheinlichste aller Lösungen. Und es ist das Gruseligste, was es in diesem Jahr – und noch viel weiter zurück – im Horrorkino zu erleben gab. Es geht um Indy, einen Nova Scotia Duck Tolling Retriever. Ein sperriger Name für einen süßen Hund, dem Schreckliches widerfährt. Mit seinem Herrchen kommt Indy in ein neues Haus, welches dem Hund nicht nur fremd ist, sondern er auch abstoßend findet. Und der sechste Sinn eines Hundes trügt eigentlich nie.
Als Stephen King „Cujo“ schrieb, hatte er es fertig gebracht, auch die Gedanken des tollwütigen Bernhardiners aufzuzeigen. Ein Hund, der nie böse sein wollte, und selbst nicht begreift was mit ihm passiert. Die Ereignisse aus der Sicht des Hundes sind elementar für „Cujo“. Aber Cujo hat die Möglichkeit des geschriebenen Wortes. Indy bleiben nur bewegte Bilder, und ein sechster Sinn, der auch nur visuell darzustellen ist. Da ist sein realer Besitzer, sprich Regisseur Ben Leonberg gefragt, wie eine Geschichte umzusetzen ist, die nur aus der Sicht des Hundes erzählt wird.
Indy kommt in das Haus, in welchem einst der Großvater seines Herrchens gewohnt hat. Abgelegen irgendwo im Wald. Die legendäre ‚Cabin in the Woods‘ – das Publikum weiß also Bescheid. Indy sieht Dinge, die wir nicht sehen. Und er hört Geräusche, die wir als normale Geräusche eines alten Hauses abtun würden. Aber an Indys Reaktion merken wir, dass es sich um etwas anderes handeln muss. Das Herrchen bleibt davon unberührt, und hat mit anderen Problemen zu tun. Das Herrchen sieht nicht, was Indy sieht. Doch wir stecken in der Perspektive des Hundes, und sehen was Indy sieht. Und der Schrecken ist groß, als es sich dabei um den Geist eines alten Hundes handelt.
„Good Boy“ ist starkes und effektvolles Horrorkino. Seit „Blair Witch Project“ konnte ein zugetanes Publikum keinen derart innovativen und effizienten Grusel mehr erfahren. „Good Boy“ ist nicht makellos, er ist auch kein Meisterwerk, aber er ist in sich perfekt. Eine exzessive Spannung erreicht der Film bereits mit einem stark auf punktuelle Ausleuchtung gerichteten Lichtkonzept. Das bedeutet sehr viel Schatten, pechschwarze Dunkelheit in den meisten Winkeln des Hauses. Und ständig scheint sich etwas in dieser Schwärze zu bewegen. Indy sieht das, und manchmal sehen wir es auch. Doch oftmals spielt der Regisseur auch nur ganz perfide mit unseren Erwartungen.
Gegenüber dem Hund, verschafft der Film seinem Publikum den Vorteil, zu verstehen, was der Mensch redet. Mit diesem leicht vom Konzept abweichenden Kniff ergibt sich auch die Möglichkeit, die Auflösung und das Ende in verschiedene Richtungen interpretierbar zu machen. Das Herrchen von Indy ist krank, was an Information vorerst auch genügt. Bis die dämonische Kraft in diesem unheilvollen Haus richtig zuschlägt. Was bedeutet, dass die zweite Hälfte der ohnehin sehr kurzen 73 Minuten vom reinen atmosphärischen Grusel zu physischem Terror umschlägt. Das beinhaltet auch eine Phase effektiver ineinander verwobener Schreckmomente, wobei es sich aber nicht um die üblichen Jump Scares mit kreischenden Toneffekten handelt.
Es wäre möglich, sich noch lange über die Dreharbeiten, oder über die Arbeit des Hauptdarstellers auszulassen. Es wäre möglich, es ist auch interessant, es wäre allerdings nicht im Sinne einer unbefangenen Erfahrung mit Indy und seiner Auseinandersetzung mit dem für ihn absolut unbegreiflichen Grauen. Natürlich ist Hauptdarsteller Indy sensationell, dass bringt allein sein Fell, die förmlich spürbar weiche Nase, und der treue Blick mit sich. Ben Leonberg vermeidet sehr bewusst und konsequent Darbietungen seines Hundes, die über ein reales Verhalten hinaus gehen würden.
Und das ist es letztendlich, was diesen Film so ansprechend macht – in dem, was der Film erzählen will, ist Indy schlichtweg glaubwürdig. Und sein Herrchen – und gleichzeitig Regisseur – schafft es tatsächlich, den Zuschauenden ein Gefühl für die Sichtweise von Indy zu geben. Wirklich vollständig kann dieser eigentliche Gedanke natürlich nicht umgesetzt werden, weil der Film ansonsten absolut ins Experimentelle gleiten würde, was wiederum nur das halbe, grauenvolle Vergnügen bescheren würde.
Zum größten Teil bewegt sich die Kamera auf Augenhöhe von Indy. Die restlichen Einstellungen scheinen die Perspektiven des weitgehend unsichtbaren Grauens einzunehmen. Und das funktioniert genau so, wie es Ben Leonberg angedacht hat. Auch, dass zwischen all der unablässig angespannten Horroratmosphäre, der Film zudem unglaublich intensiv im Herzen berührt. Nicht wegen des Schreckens, sondern weil uns Indy so nahe an sich und seine Welt heranlässt.
Darsteller: Indy als Indy, Max als Bandit, Shane Jensen, Arielle Friedman, Larry Fessenden, Stuart Rudin, Anya Krawcheck u.a.
Regie: Ben Leonberg
Drehbuch: Ben Leonberg, Alex Cannon
Musik: Sam Boase-Miller
Produktionsdesign: Alison Dininey
USA / 2025
73 Minuten

