– Amazon Primes seit 03.12.2025
In Zeiten des Streamings ist es natürlich leicht geworden sich von einfach gestrickten, nicht sehr anspruchsvollen Weihnachtsfilmen angenehm berieseln zu lassen. Herkömmlich sind jedes Jahr dutzende von Hallmark-Produktionen in denen sich zwei sich verachtende Personen durch den Geist von Weihnacht ineinander verlieben. Wesentlich mehr Dynamik hat da der – stets chaotische ausgelegte – Familienfilm. Wie Jodie Fosters buntes Durcheinander „Familienfest und andere Schwierigkeiten“, oder um zurück zu Weihnachten zukommen, Filme wie „Die Familie Stone“ und „Weihnachten mit den Coopers“. Ensemblefilme, die vom turbulenten Hexenkessel des angehenden Festes zum Fest der Liebe führen. Filme, in denen alle ihre eigenen Familien und sich selbst wiederfinden sollen – und trotzdem Spaß dabei haben. So hat sich das Regisseur Michael Showalter gedacht, als er mit Chandler Baker nach dessen Geschichte das Drehbuch geschrieben hat. Und mit einer charismatischen Urgewalt wie Michelle Pfeiffer an führender Stelle, ist Weihnachten um einen Klassiker reicher.
Zumindest muss sich das Michael Showalter mit dem Klassiker so vorgestellt haben. Wie viel kann jemand schon falsch machen mit Leuten wie – aufgepasst – Joan Chen, Dominic Sessa, Gloe Grace Moretz, Felicity Jones, Jason Schwartzman, sogar Denis Leary, und natürlich die unfehlbare Michelle Pfeiffer. Die Frage muss anders gestellt werden: Was ist alles falsch gemacht worden, trotz dieser Leute? Alles. Das fängt schon mit der grundlegenden Prämisse an. Hausherrin Claires (Pfeiffer) innigster Wunsch, ist von ihren Kindern zu „Weihnachtens bester Mutter“ nominiert zu werden. Ein Wettbewerb von Claires Lieblingssendung „Zazzy Tims“ (Eva Langoria).
Doch die erwachsenen Kinder (Jones, Sessa, Moretz) kämen nie auf die Idee auf eine Nominierung. Die egoistischen, undankbaren Schmarotzer kennen nicht einmal die Lieblingssendung ihrer Mutter. Ohnehin beißt sich der Gedanke einer Live-Sendung mit der ‚besten Mutter zu Weihnachten‘ in den eigenen Schwanz. Welche Mutter kann denn am Vorabend von Weihnachten (Heiligabend) bei einer Sendung auftreten, um für das gekürt zu werden, was sie genau in diesem Moment nicht tut – nämlich sich zuhause um die Liebsten zu kümmern. Dabei ist dieser Gedanke erst einmal der Anfang. Alles andere sind keine Gedanken, es ist leider sicht- und hörbarer Fakt.
Nichts an der Handlungsstruktur funktioniert, und Michael Showalter schafft es nicht, aus irgendeiner Situation einen irgendwie ansprechenden Moment zu erzeugen. Was als Humor ausgelegt wird, ist nicht witzig, und wenn es dramatisch werden soll, ist es nicht bewegend. Am schlimmsten ist allerdings, dass keine der Figuren interessant genug ist, um jemanden anzusprechen. Mit Ausnahme von Pfeiffers Claire, die in dem unstrukturierten Chaos hin und her geworfen wird, wie Flocken im Schneesturm. Wohingegen Denis Leary in der Vaterrolle gar nichts zu tun hat, nichts was zur Handlung beiträgt, nichts an Unterhaltungs. Erschreckend merkwürdig.
Die ganzen Turbulenzen in der Familie, und mit den erzkonservativen Nachbarn, führen bei der Abfahrt der Familie zum gemeinsamen Konzertbesuch dazu, dass ausgerechnet Claire vergessen wird. Da platzt ihr die Lichterkette, und Claire bleibt nicht bei Kevin allein zuhause, sondern macht sich auf den zehnstündigen Weg zur „Zazzy Tims Show“, der eigentlich zwanzig Stunden brauchen würde. Ja, so etwas wird recherchiert, wenn eigentlich unnötige Zeitangaben gemacht werden, und Rezensenten sich geärgert fühlen. Doch der weitere Verlauf der Handlung soll ein Geschenk an Überraschung bleiben. Sofern nicht alle vernunftbegabten Zuschauer/innen schon längst das unsaubere Gesteck an platten Klischees durchschaut haben. Nichts gegen Klischees, die braucht es für ein richtig kitschiges Vergnügen – nur gut gemacht sollte es sein.
Michael Showalter versagt seinem Publikum jede Form von Originalität. Während die Filmtechnik von Kamera über Schnitt hin zur Maske und den Kostümen ein tadelloses Produkt aufzeigt, verliert sich die Geschichte in einem inkonsistenten Ablauf von Momenten, von denen keiner anspricht. Da gibt es die klassische Szene, in det sich Claire ein Motelzimmer mit einer fremden Person teilen muss. Das sind Szenen, aus denen jeder Film etwas Unerwartetes oder Wichtiges zieht. Hier verlaufen sie im absoluten Nichts. Eine Episode – wie fast alle – die bedeutungslos bleibt.
Wenn ein Regisseur – auch noch nach seinem eigenen Drehbuch – nicht die feierliche Kurve bekommt, können die Ursachen irgendwie nachvollziehbar sein – und damit verzeihlich. Was der Rezensent dem Regisseur nicht verzeihen kann, ist die pure Missachtung des Talentes seiner Darsteller – allen voran Michelle Pfeiffer, selbstredend. Was der Rezensent dann nicht verstehen will, ist die scheinbar unreflektierte Hingabe von Pfeiffer an einen Film, der in keiner Szene wirklich für sie arbeitet. Das ist keine polemische Verehrung, sondern schlichter Fakt. Claire ist eine sehr sensible und starke Frau, die leidenschaftlich gerne für ihre noch so undankbare Familie zurücksteckt. Das ist tatsächlich ganz starker Stoff, mit enormem Potential.
Aber der Regisseur holt weder Pfeiffer, noch eine andere schauspielernde Person dort ab, wo diese sich in der Szene gerade emotional befindet. Nehmen wir im Spiel von Protagonisten noch wehmütige Enttäuschung wahr, ist die Inszenierung schon bei einer albernen Komödiensituation. Bloß ist die Komödie nicht wirklich witzig, das Drama nicht glaubwürdig. Und wer dieses heimelige Gefühl, diesen besinnlichen Moment, diese innere Zufriedenheit des Weihnachtsfestes erhofft, die oder den lässt der Film leider ganz alleine zurück. Das große Mysterium ist allerdings, wie das passieren kann. Es wäre ja eigentlich alles da. Also doch wieder zu „Familie Stone“.
Darsteller: Michelle Pfeiffer, Denis Leary, Felicity Jones, Dominic Sessa, Jason Schwartzman, Chloe Grace Moretz, Joan Chen u.a.
Regie: Michael Showalter
Drehbuch: Michael Showalter, Chandler Baker
Kamera: Jim Frohna
Bildschnitt: Alisa Lepselter, Nick Moore
Musik: Siddhartha Khosla
Produktionsdesign: Amy Williams
USA / 2025
107 Minuten

