THE BALLAD OF WALLIS ISLAND

Ballad Wallis Island - © FOCUS FEATURES– Bundesstart 10.07.2025
– Release 18.04.2025 (US)

Herb McGwyer kommt nach Wallis Island. Der ausgebrannte Musiker war einst der Zweite im erfolgreichen Folk-Duo McGwyer-Mortimer. Dieses hat sich allerdings schon vor Jahre getrennt, aus Gründen, die wir bald erfahren werden. Herb versucht sich im Moment im Mainstream-Pop, was seine Melancholie – kurz vor der Depression – nicht mildert. Da scheint ein Auftritt vor „weniger als hundert Leuten“ eine gute Ablenkung. Auf Wallis Island wird Herb nassen Fußes von Charles empfangen, denn Wallis Island hat nicht einmal einen Anlegesteg. Charles ist Superfan von McGwyer-Mortimer, und sammelt alles von dem ehemaligen Duo. Er besitzt sogar eine Haarlocke von Nell Mortimer. Die im Übrigen später anlanden wird, sehr zum Missfallen von Herb, Charles hat es nur vergessen zu erwähnen. Dieses Vergessen mindert Herbs Verärgerung kein bisschen. Er hat lange gebraucht um das Thema Nell für sich abzuschließen, und verweigert einen gemeinsamen Auftritt vor den „weniger als 100 Leuten“.

„Ballad of Wallis Island“ ist von James Griffiths inszeniert, dessen letzter Kinofilm „Cuban Fury“ zehn Jahre zurückliegt, und wenig Begeisterung auslöste. Aber vor achtzehn Jahre hat er bei einem feinen kleinen Kurzfilm Regie geführt, der sogar für einen BAFTA nominiert war: „The One and Only Herb McGwyer Plays Wallis Island“. Es gibt einige gute Beispiele, bei denen gute Kurzfilme zu langen Kassenerfolgen wurden. „Whiplash“ und „Saw“, „Dirk Diggler Story“ wurde zu „Boogie Nights“, oder „Eine Verhängnisvolle Affäre“ die aus „Diversion“ entsprang. Dieses „Wallis Island“-Remake wird sich nicht in diese Erfolgsliste einreihen, aber berechtigt ist die längere Fassung durchaus.

Charles ist nicht einfach nur Fan Nummer Eins des eher bescheiden erfolgreichen Duos, er ist auch eine nicht zu stoppende Quasselstrippe, der keinen Schimmer von Privatsphäre hat. Herb ist sehr schnell genervt, und mit der Anwesenheit von Nell wird das nicht besser. Die wiederum Gefallen an der bizarren Naivität von Charles findet. Alles wird jedoch getoppt von der Erkenntnis, dass McGwyer-Mortimer für Charles ganz alleine spielen soll – „weniger als 100 Leute“ eben. Dieses Konzept hat schon den Kurzfilm so sympathisch gemacht, und schreit förmlich nach einer ausgiebigeren Erzählung.

Hätte man nur ein klein wenig am Konzept geschraubt, und zudem mehr an die Insel selbst gedacht. Für gewöhnlich ist ein Charakter mit den Wesenszügen von Charles eine schrullige Bereicherung, die man sehr leicht auch sehr gerne mag. Mitunter fällt es sogar schwer Charles nicht zu mögen. Aber Tim Keys Darstellung trifft zwar den Punkt des hyperaktiven Über-Fans, doch sein nicht enden wollendes Gerede, seine ständigen Grenzüberschreitungen, das fehlende Feingefühl, und die Unfähigkeit zu lernen, machen Charles zu einer Figur, die in vielen Momenten schlichtweg nervt. Das macht es für Tom Basden nicht einfach, der als schwermütiger Herb eigentlich die Antithese zu Charles bilden soll – das beliebte Konzept von wechselseitig inspirierenden Figuren.

Ballad Wallis Island a - © FOCUS FEATURES

Der Vorteil von James Griffiths Inszenierung ist, dass er sich nicht aufhält, dass er die Geschichte voranbringt, und das er ernste und in sich gekehrte Momente nie wirklich traurig oder melancholisch werden. Bei Griffith spürt man spürt das Herz am rechten Fleck, dass genauso für seine Geschichte schlägt. Immer leicht und selbst das Drama mit einem Augenzwinkern. Filme, wie sie meist aus Großbritannien oder Irland kommen, zwanglos und unaufdringlich. Aber die Autoren hätten sich nicht unbedingt nur auf das Wesentliche beschränken müssen. Die Hauptdarsteller Tim Key und Tom Basden haben auch das Buch geschrieben, damals wie heute. Heute mit viel mehr Zeit.

Und was fehlt, ist eine lebendige Insel, mehr Figuren, wenn auch nur Statisten. Die umwerfende Sian Clifford spielt die liebenswürdig ahnungslose Ladenbesitzerin Amanda, von einem Laden in dem es nie das gibt was gerade gebraucht wird. Clifford ist genau dieser Charakter durch die Filme dieser Art atmen. Hier aber nur, weil sie wenig überraschend am Ende ein Teil des großen Ganzen sein wird. Für die Rolle der Nell (vormals) Mortimer hat sich Carey Mulligan gleich selbst besetzt, die mit Moxie Pictures den Film auch koproduzierte. Für ein Kaliber wie Mulligan wäre es ein Leichtes gewesen, die ganze Aufmerksamkeit auf sich zu konzentrieren. Aber die eigentlich immer überzeugende Ausnahmeschauspielerin geht mit Filmpartner Basden eine so stimmige Chemie ein, dass es Carey Mulligan auch auf ihre eigene subtile Art gelingt, dass der Fokus von ihrer Nell aus immer auf ihren Film-Ex Herb ausgerichtet bleibt.

„The Ballad of Wallis Island“ hat markante Schwächen, das ist einfach so. Dennoch fällt es schwer, den Film nicht zu mögen, selbst wenn man möchte. Das liegt an dem hervorragenden Sub-Text in der manchmal witzigen, manchmal haarsträubenden, aber immer sympathischen Geschichte. Hier geht es nicht nur um Musik, auch um Verlust, Lebensangst, Vertrauen und Akzeptanz. Und das James Griffiths das nicht mit erhobenen Zeigefinger aufdrängt, macht die Ballade noch zugänglicher. Da wäre inhaltlich und inszenatorisch durchaus auch mehr möglich gewesen, aber ohne Zweifel bleibt „Wallis Island“ unterhaltsam. Wenn bloß Charles nur nicht so nervtötend wäre.

Ballad Wallis Island b - © FOCUS FEATURES


Darsteller: Tim Key, Tom Basden, Sian Clifford,
Carey Mulligan, Akemnji Ndifornyen u.a.

Regie: James Griffiths
Drehbuch: Tom Basden, Tim Key
Basierend auf ihrem Kurzfilm
Kamera: Magni Ágústsson
Bildschnitt: Quin Williams
Songs: Tom Basden
Musik: Adem Ilhan
Produktionsdesign: Alexandra Toomey
Großbritannien / 2025
98 Minuten

Bildrechte: FOCUS FEATURES
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