THE LIFE OF CHUCK

Life Of Chuck a - (c) TOBIS FILM

– Bundesstart 24.07.2025 – Release 05.06.2025 (NLD)

Preview, 14.07.2025, Cineplex Fürth
Es gibt diese Filme, die sind pure Magie. Nichts was man wirklich definieren könnte – oder gar müsste. Sie haben einfach dieses das Herz berührende. „The Life of Chuck“ ist ein Film der zuerst fasziniert, und erst rückblickend seine magische Kraft entfaltet. Mike Flanagan gilt seit den Adaptionen von „Geralds Game“ und „Doctor Sleep“ als Spezialist für Stephen King. Auch wenn diese noch lange nicht die „Green Mile“ und „Shawshank Redemption – Die Verurteilten“ Qualitäten von Frank Darabont haben. Aber mit “ The Life of Chuck“ ist Flanagan auf dieser Höhe angekommen. Noch nie war der Weltuntergang so zauberhaft, wenn in den letzten Stunden der Welt, der ambitionierte Lehrer Marty die Bedeutung seiner Ex-Frau Felicia in seinem Leben wieder entdeckt.

Kalifornien wurde durch ein Erdbeben im Meer versenkt, in Deutschland ist ein Vulkan ausgebrochen, weltweit sind die Kommunikationswege ausgefallen, die Notfallstationen senden nicht mehr. Und mittendrin zeigen Chiwetel Ejiofor und Karen Gillan, als Marty und Felicia, eine gefühlvolle und mitreißende Darstellung von tiefem Vertrauen, innerem Verständnis und ewiger Verbundenheit. Es gibt hier noch Matthew Lillard, als Martys Nachbarn, der in einem kurzen, aber unglaublich fesselnden Auftritt über das Ende der Welt, das Leben und den Verlust sinniert. Lillard steht bezeichnend für alle anderen Nebenrollen, die nie einfach nur Beiwerk sind, sondern alle etwas zu sagen haben, Relevanz besitzen, und der ganzen Erzählung Bedeutung geben.

Doch das ist erst der Anfang, aber dritte Akt des Films, der in umgekehrter Chronologie erzählt wird. Als Novelle hat Stephen Kings Geschichte keinen besonderen Eindruck hinterlassen, was allerdings an der für King Leser sehr ungewohnten, experimentellen Struktur liegt (obwohl King so manch bemerkenswertes, literarisches Experiment wagte). Flanagan, der aspirierende King-Experte, hat den Kern und die Aussage der Erzählung nicht nur verstanden, sondern filmisch außergewöhnlich gut adaptiert. Man benötigt sehr viele Adjektive, um den Film entsprechend zu beschreiben, weil es sich eigentlich verbietet, über den Inhalt zu sprechen. Was nicht einfach ist, wenn man die raffinierte Inszenierung und die radikale Poesie angemessen besprechen zu können.

Life Of Chuck b - (c) TOBIS FILM

Jeder Akt springt in der Zeit weiter zurück. Wir lernen den titelgebenden Charles „Chuck“ Krantz persönlich kennen, der im letzten Akt – ja, der den man als erstes sieht – nur auf Werbetafeln oder in Werbespots zu sehen ist, aber keiner der Protagonist weiß wer Chuck sein soll. Der Weg zurück zum Anfang ist bittersüß und schön. Wir sehen eine Tanznummer, die ihresgleichen sucht. Nicht weil sie außerordentlich gut choreografiert ist, sondern weil sie spürbar vom Herzen kommt, von hinter und vor der Kamera. Weil die Darsteller frei und ungezwungen miteinander umgehen, und Mike Flanagan es wagt losgelöst von konventionellen Strukturen zu inszenieren. Es sind weniger die merklichen Stunden an Tanzunterricht von Annalise Brasso und Tom Hiddleston die so mitreißen, sondern deren faszinierende Natürlichkeit. Aber „Life of Chuck“ ist ohnehin von Anfang bis Ende eine filmische Oase gefüllt mit ansprechender Natürlichkeit…

…eine Natürlichkeit, die in der Umsetzung fließend in jede Szene übergeht, in denen nichts aufgezwungen wird oder unehrlich ist. Und dabei sogar noch einen Schritt weiter geht, in dem viele Situationen eine bestimmte Erwartung aufbauen, die aber – zum großen Glück – einen anderen Weg gehen. Im Grunde handelt die Geschichte von allem was das Leben ausmacht. Von allem. Von den Entscheidungen die wir treffen, bis hin, mit eben diesen Entscheidungen zu leben. Von verpassten Chancen und Ängsten. Von ungestümen Leidenschaften und absoluter Liebe. Von den Geistern, die uns heimsuchen, und von den Menschen, die wir als Geister heimsuchen werden. Immer wieder balanciert Flanagan am Rand des Postkartenidylls, mit der Tendenz zu Kalendersprüchen.

Aber „The Life of Chuck“ ist kein Film der die Grenzen zum Kitsch oder der Verklärung überschreitet. „The Life of Chuck“ ist stets bewegend, aber zu keinem Zeitpunkt sentimental. Er regt zum Nachdenken an, ohne zu belehren. Er bringt einem zum Lächeln, ohne auf Pointen zu setzen. Es gibt viel Phantastik, aber es gibt nichts Übernatürliches. Es ist purer Mainstream, aber so viel Arthouse. Mit lebhaft akzentuierter Kameraführung und fast rhythmischer, den musikalischen Hintergrund reflektierender Montage. Bereits im zweiten Akt – in einem scheinbar ganz anderen Setting – beginnen sich Dialogzeilen, Situationen und Personen aus dem zuerst gesehenen, dritten Akt zu spiegeln. Es sind Reflexionen von späteren Erinnerungen, die sich erst im letzten, dem ersten Akt auflösen, wenn sich aus einem rätselhaften Mosaik ein Leben formt.

Life Of Chuck c - (c) TOBIS FILM

Wenn geneigte Leserin oder Leser sich fragen sollte, warum der Rezensent eigentlich so sparsam mit Informationen über den Inhalt ist, oder die eindrucksvollen Leistungen aller, wirklich aller Darsteller so stiefmütterlich abhandelt, dann hat das mit der Magie dieses Films zu tun. Jede Beschreibung muss behutsam abgewogen werden, um einen so weit wie möglich unvoreingenommenen Kinobesuch anzuregen. „The Life of Chuck“ als Fantasy zu bezeichnen wäre genauso falsch, wie ihn als Drama zu kategorisieren. Aber es ist ein Mike Flanagan Film. Der hat sich mit Horror den Titel des Stephen King-Experten erarbeitet, und brilliert jetzt mit einem Film, der nicht weiter vom eigenen, und vom Genre des Autoren King sein könnte. Will man aber dennoch kategorisieren, dann bleiben die bisher besten Stephen King-Adaptionen „Shawshank Redemption“ und „Green Mile“, von Frank Darabont, aber direkt gefolgt von Mike Flanagans mystischen „The Life of Chuck“. Und was für ein zauberhafter Ritt das Leben dieses Charles „Chuck“ Krantz ist. Ein Ritt der unser aller Leben sein könnte – bis selbst das Licht der Sterne erlischt.


Life Of Chuck d - (c) TOBIS FILMLife Of Chuck d - (c) TOBIS FILMLife Of Chuck d - (c) TOBIS FILMDarsteller: Benjamin Pajak, Jacob Tremblay, Cody Flanagan, Tom Hiddleston als Charles“Chuck“ Krantz
mit Chiwetel Ejiofor, Karen Gillan, Mia Sara, Mark Hamill, Matthew Lillard, Carl Lumbly und Annalise Basso u.a.

Regie, Bildschnitt & Drehbuch: Mike Flanaggan
nach der Kurzgeschichte von Stephen King
Kamera: Eben Bolter
Musik: The Newton Brothers
Produktionsdesign: Steve Arnold
USA / 2025
111 Minuten

Bildrechte: TOBIS FILM
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar