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Weapons - (c) WARNER BROS Entertainment– Release 06.08.2025 (world)

Erst als „Barbarian“ vor zwei Jahren auf den Filmfesten für Aufruhr sorgte, bemerkte man den Fehler, diesen Horrorstreifen in den meisten Ländern beim Streaming zu verschwenden. Trotz zwei missglückter Komödien, war Zach Creggers dritter Spielfilm nicht nur einfach ein Achtungserfolg, es war der Beweis, mit überholten Versatzstücken doch noch richtig originelles, eigenständiges Kino machen zu können. Jetzt mit „Weapons“ am Start, wirkt „Barbarian“ allerdings tatsächlich nur noch wie eine Fingerübung. Wobei man Creggers Film nicht einmal als perfekt bezeichnen könnte. Doch auf der anderen Seite muss man bei „Weapons“ auch in Betracht ziehen, dass eventuelle Schwächen durchaus als Stilmittel gedacht sein könnten. Denn dieser Film zieht alle Register vom Drama, zum Krimi, über Psychothriller, hin zu wirklich allen Kategorien des Horrorgenres. Jumps Scares, Spannung, Splatter, Gänsehaut, und Zach Cregger weiß wie man alles mit maximalem Effekt mischt.

Über die Handlung selbst sollte man so wenig wie möglich wissen, um den bestmöglichen Grusel- und Gänsehauteffekt zu haben. Hinlänglich bekannt ist ja, dass 17 Kinder derselben Klasse, nachts um 2:17 Uhr selbstständig und freiwillig das Elternhaus verlassen, und nicht mehr wiedergesehen werden. Es wird ein gesellschaftlicher Spießrutenlauf für Lehrerin Justine Gandy, die ins Fadenkreuz der Eltern gerät. Ihre Klasse, ihre Schüler, und keine Erklärung. Hier spielt der Film mit einem Albtraum, nicht nur für Eltern, sondern mit der grundsätzlichen Unschuld von Kindern. Wobei sich im Bezug auf die Unbescholtenheit von Kindern gegen Ende eine raffinierte Wendung auftut, die, wie so oft im Verlauf, eine neue Perspektive auftut. 

Und im Verlauf enttarnen sich bei allen Protagonisten einige interessante Aspekte. Der erste Eindruck trügt hier immer wieder. Zwischen exzellent aufgebauten Jump Scares und packender Gruselstimmung, gelingt Zach Cregger eine ebenso exzellente und durchweg packende Studie seiner Figuren – und einer Kleinstadt-Dynamik. Als expliziter Horrorschocker hat „Weapons“ nicht einfach nur überraschend glaubwürdige, sondern sehr komplexe Charaktere. Und in der raffiniert verschachtelten Erzählform lernen wir jeden von ihnen besser und besser kennen. Dabei eröffnen sich für die Geschichte immer wieder neue Perspektiven. Für dieses Genre ist es erstaunlich, wie eindringlich er es versteht den Effekt der Ereignisse auf die Gesellschaft zu beleuchten.

Eigentlich ist Creggers Film ein psychologisches Drama von Schuld und Sühne, von Kausalität und Korrelation – mit absurdem Humor und derben Horror. Ein entscheidenden Einfluss auf die durchweg vibrierende Spannung hat „Everything Everywhere All at Once“-Kameramann Larkin Seiple. Mit aufreibenden Plansequenzen bleibt er oft direkt bei den Figuren, wobei man im Hintergrund bereits Dinge wahrnimmt, die kommen werden. Oder auch nicht. Creggers spielt sehr gerne mit der Erwartungshaltung. Die Kamera wird zum Auge des jeweiligen Protagonisten, was beim richtigen Wimpernschlag zum Auge der Zusehenden wird. Selbst in ruhigen Momenten bewahrt der Film seine beunruhigende Atmosphäre.

Weapons a - (c) WARNER BROS Entertainment

Doch trotz seiner perfekt besetzten Figuren, und der ausgezeichneten Vielfalt von Horrorszenarien, ist das bemerkenswerteste Element, wie Zach Cregger seine Geschichte erzählt. Was zu dem Ereignis des Verschwindens der Kinder führt, und wie es danach weitergeht, wird aus der Sicht von sechs Betroffenen geschildert. Und jeder Erzählstrang kollidiert auf die eine oder andere Weise mit der Perspektive eines anderen Protagonisten. Manchmal führt das zu einer ganz neuen Linie, aber immer werden dabei neue Erkenntnisse offenbart. Doch weit gefehlt, anzunehmen, man würde an irgendeinem Punkt erahnen was es mit dem Ereignis auf sich hat. Nicht in den ersten siebzig Minuten. Wer behauptet es vorhergesehen zu haben, der lügt genauso wie jene Leute, die vorgeben „Sixth Sense“ sofort durchschaut zu haben. Obwohl es in der Art von Steven Soderbergh, tatsächlich in der ersten Hälfte einen Hinweis gibt. Creggers gelingt das ungewöhnliche Kunststück, auch nach der Enthüllung des Mysteriums, den Film so zu gestalten, dass man bis zum Schluss nicht erahnt, worauf die Geschichte letztendlich hinauslaufen wird. Obwohl auch das bereits zu Beginn erklärt wird.

Mit der Besetzung der Alleskönner Julia Garner und Josh Brolin hat der Film zwei besondere Charakterköpfe, die ein insgesamt sehr ansprechendes, weil überzeugendes Ensemble anführen. Die Authentizität der gebrochenen Figuren von Alden Ehrenreich, Austin Abrams oder Benedict Wong würzen noch zusätzlich die Präsenz von Garners derangierter Justine und Brolins wütendem Archer. Wenn dann noch der effektiv beunruhigende Soundtrack von Cregger, sowie Hays und Ryan Holladay anstimmt, ist das nicht nur Ergänzung, sondern wesentliches Element der unerbittlichen Atmosphäre. Doch gerade mit seinem unbarmherzigen Horror und bitteren Humor, wird es ein zutiefst menschlicher Film. Auch wenn das Finale aus ganz anderen Gründen noch sehr lange in Erinnerung bleiben wird. Unwahrscheinlich, dass Zach Cregger mit seinem nächsten Werk eine ähnliche Radikalität erreichen kann – denkt man.

Weapons b - (c) WARNER BROS Entertainment


Darsteller: Julia Garner, Josh Brolin, Alden Ehrenreich, Cary Christopher, Amy Madigan, Benedict Wong, Austin Abrams, June Diane Raphael u.a.

Regie & Drehbuch: Zach Cregger
Kamera: Larkin Seiple
Bildschnitt: Joe Murphy
Musik: Zach Cregger, Hays Holladay, Ryan Holladay
Produktionsdesign: Tom Hammock
USA / 2025
128 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS ENTERTAINMENT
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