– jetzt bei Amazon Prime
– Bundesstart 27.03.2025
– Release 06.12.24 (CDN)
1973 kam AMERICAN GRAFFITI in die Kinos. Die Schlagzeile war „Wo warst Du in ’62?“. Teenager und Junge Erwachsene waren mit einem ihnen unverständlichen Krieg groß geworden. Das Land politisch und gesellschaftlich gespalten. Da zeigt der junge Filmemacher George Lucas seinem Publikum ein Erwachsenwerden, was vor zehn Jahre noch unbeschwert schien, und nur durch persönliche und hormonelle Probleme gestört wurde. Lucas weckt Erinnerungen, hält Spiegel vor, und irgendwie ermahnt er auch. AMERICAN GRAFFITI war eine greifbare Nostalgie. Und für ein Publikum das noch vor 1985 auf die Welt gekommen ist, wäre auch Kyle Mooneys Y2K ein noch nachvollziehbarer Rückblick in ein verrücktes Kapitel Menschheitsgeschichte. Dieses Publikum wäre dann aber mindestens 40 Jahre alt, noch innerhalb der demografischen Zielgruppen, aber für diese Art von Film absolut irrelevant für dessen Macher und das produzierende Studio.
Eli und Danny sind zwei aufgeweckte Burschen, aber die typischen Highschool Loser ohne Freundeskreis, dafür die ebenso typischen Opfer der Bullys. Aber, die Sache will es, sie sind eben klüger und gebildeter als die anderen. Eli hat zwar einen guten Draht zu It-Girl Laura, doch, auch das steht im Handbuch für Teen-Komödien, sie unterliegt am Anfang natürlich noch dem Gruppenzwang ihrer Clique. Am Silvesterabend zur üblichen Teen-Party, bei der unsere Antihelden erst einmal wie gewohnt gedemütigt werden – bis die Hölle losbricht. Es ist Jahreswechsel 1999 auf 2000.
Kyle Mooney feiert hier nicht nur sein Regiedebüt, sondern wie auch sein Co-Autor Evan Winter seinen Drehbucherstling für einen Langfilm. Mooney und Winter haben dafür die gängigsten und gefälligsten Teenie-Komödien sehr genau studiert. Als Eli und Danny bekommen das Jaeden Martell und Julian Dennison mit ihrer sehr charmanten Art und überzeugenden Spiel auch sehr gut hin. Aber das Szenario ist das Übliche, und bietet in den ersten zwanzig Minuten auch keine Überraschungen. Lediglich die Bedrohung durch den Jahreswechsel wird in Nebensätzen eingeflochten, und die Panik vor dem großen Computer-Blackout wird zum ironischen Witz der Jugend. Wer würde jemals vergessen, dass niemand wusste, ob Computer überhaupt die Jahreszahl 2000 verarbeiten können, und ob das Dilemma zu einer weltweiten Katastrophe führen würde.
Verschwörungstheoretiker waren auch überzeugt, dass der Jahreswechsel bei Computern einen Virus freisetzen würde, der… irgendetwas anrichten könnte. Doch das heutige Publikum dürfte sich eher verwirrt am Kopf kratzen. Sie waren schlicht und ergreifend noch nicht auf der Welt, und das Jahr-2000-Problem hat sich so schnell in Wohlgefallen aufgelöst, dass es sich in der Historie nicht einmal als zeitgeschichtliche Besonderheit richtig etabliert hat. Dennoch baut Kyle Mooneys Film genau darauf. Punkt Mitternacht öffnet sich bei allen elektronischn Geräten und Computern ein Programm, welches die Auslöschung der Menschheit einleitet. Mit herrlich derben Splatter-Szenen.
Eine fantastische, zeitgemäße Idee, die im Jahr 1999 als Film bestimmt für Furore gesorgt hätte. Vielleicht noch zwei Jahre danach. Jetzt ist es nur eine Vorwand, die altbekannte Highschool-Prämisse mit der 180-Grad-Wendung eines fiktiven Ereignisses zu versehen und daraus etwas Überraschendes zu formen. Eins muss man dem Filmemacher zugute halten – wie Kyle Mooney mit entfesseltem Selbstbewusstsein und höllischem Vergnügen sein blutiges Spektakel entfacht. Da bleibt einem der Mund offen stehen. Das Mooney dabei den eigentlichen historischen Bezug verliert, merkt er nicht.
Ab hier verliert Mooney ohnehin das wirkliche Interesse an dem Ursprung des Problems, und schickt seine Helden auf Weltenrettung, die dann schon wieder als klassisch und kaum überraschend zu bezeichnen ist. Der Splatter-Faktor nimmt auch wieder sehr schnell ab, genauso schnell schließt sich dann auch wieder die Kinnlade. Der Humor ist spärlich, dafür betritt Fred Durst, Frontmann von Limp Bizkit, als Überraschungsgast die Handlung. Warum Durst? Das weiß allein der Regisseur, aus der Handlung erschließt sich das nicht. Dafür intoniert er mit dem Ensemble öfters „Tubthumping“ von Chumbawamba, das im Film aus ebenso unerfindlichen Gründen zur Hymne gegen die metzelnde Machtergreifung der Computer und Geräte aufsteigt.
Es gibt viele einzelne Elemente, die gute Ansätze für einen vielversprechenden Film bieten. Dazu gehört jedoch nicht Bill Popes Bildgestaltung. Als einer der umtriebigsten Blockbuster-Kameraleute enttäuscht er hier im Finden einer eigenen Bildsprache. Die reine Zweckmäßigkeit der visuellen Umsetzung ist aber nicht das Problem für einen Film, der mit seiner eigenen Thematik nichts Intelligentes anzufangen weiß. Für jemanden der das Jahr-2000-Problem als verstörende Episode erlebt hat, ist Y2K einfach belanglos. Wer danach geboren ist, für den wird dieser Teenie-Splatter-Techno-Mix nur eine weitere Roboter-Apokalypse. Eine, die es in anderen Film viel aufregender, aufwendiger, und vor allem wesentlich relevanter zu bestaunen und zu fürchten gibt.
Darsteller: Jaeden Martell, Rachel Zegler, Julian Dennison, Daniel Zolghadri, Lachlan Watson, Fred Durst u.a.
Regie: Kyle Mooney
Drehbuch: Kyle Mooney, Evan Winter
Kamera: Bill Pope
Bildschnitt: David Marks
Musik: Danny Bensi, Saunder Jurriaans
Produktionsdesign: Jason Singleton
USA, Neuseeland / 2024
91 Minuten