LAST BREATH

Last Breath - (c) SQUAREONE– Bundesstart 08.05.2025
– Release 28.02.2025 (GB)

Dies ist eine wahre Geschichte. Und wie das mit Adaptionen von wahren Geschichte ist, bergen sie große Nachteile. Zum Beispiel, dass Alex Parkinson, der Regisseur dieses Spielfilms, vor fünf Jahren bereits eine Dokumentation auf den Markt gebracht hat, mit dem selben Titel und der selben Geschichte. Chris Lemons und Dave Yuasa tauchen 90 Meter tief in die Nordsee, um Wartungsarbeiten an den Verteilerstationen von Pipelines durchzuführen. An der Oberfläche verliert das Mutterschiff das computergesteuerte System zum manövrieren. Die Taucherglocke, in der sich Begleiter Duncan Allcock um die Kommunikation und die Versorgung der Taucher kümmert, wird vom Schiff mitgerissen. Taucher Dave hat Glück und wird wiederum von der Glocke mitgezogen. Nur die Versorgungsschläuche von Chris verfangen sich und reißen ab. Chris kann nicht kommunizieren und hat Notsauerstoff für lediglich zehn Minuten. Das Mutterschiff mitsamt Dave und Duncan in der Glocke, braucht aber mehr als dreißig Minuten zurück zum Tauchort, wo Chris in 90 Meter Tiefe auf Hilfe hofft.

Natürlich ist das der Stoff aus dem Filme gemacht werden. Und eine Rechtfertigung gibt es aber nur, weil sich ein Action-verwöhntes Publikum kaum in Dokumentationen verirrt. Dabei hat Alex Parkinsons „Last Breath“ von 2019 dank der Überwachungskameras so viel original Material, dass die Geschichte auch visuell sehr intensiv erzählt werden kann. Einiges von diesem Material hat Parkinson auch jetzt wieder verwendet. Der Unterschied liegt also hauptsächlich in der Inszenierung, und die ist mit 93 Minuten außergewöhnlich kurz. Paradoxerweise fehlen hier ausgerechnet die Elemente, die bei ähnlichen Filmen immer als überflüssig, übertrieben und unrealistisch kritisiert werden.

Schon allein aus seinem eigenen Vorbild heraus, hat sich Alex Parkinson der Authentizität verschrieben. Viel Raum für dramaturgische Ausarbeitung bleibt da nicht. Dialoge sind daher meist auf informative Aussagen reduziert – es ist Duncans letzter Einsatz, Dave ist rational und der beste Taucher, Chris ist unerfahren und will eine Familie gründen – oder es werden heroisch emotionale Plattitüden vom Stapel gelassen. Das wirft den Film immer wieder von seiner realistischen, auf eine überzogen kitschige Seite, und zurück. Und definitiv ist der Film dann am besten, wenn die gesamte Mannschaft funktioniert wie ein Uhrwerk, und handelt wie es für solche Jobs verinnerlicht sein muss.

So oder so, ist „Last Breath“ unheimlich energiegeladen und spannend. Böse Zungen könnten ja behaupten, Alex Parkinson hatte auch sechs Jahre Zeit daran zu arbeiten. Wobei ständig im Weg steht, was Parkinson thematisch vernachlässigt hat, oder das er zeigt was wiederum nur aufhält. So gibt es während der Rettungsaktion Zwischenschnitte von Chris‘ Frau Morag, die auf sehr stumpfsinnige Weise daran erinnern, wie viel am Überleben von Chris hängt. Es wird aber zum Beispiel nicht wirklich thematisiert, warum man mit Chris‘ Rettung beginnt, wissentlich das sein Sauerstoff bereits aufgebraucht ist. Dazu gibt es lediglich eine schwülstig eingeworfene Anekdote zum Thema der Rettung, diese rechtfertigt aber auf keinen Fall die einhergehenden extremen Risiken.

Last Breath a (c) FOCUS FEATURES LLC

Es ist wie der Wellengang im Film, nur nicht so extrem, dass der Film seine Spannung nicht konstant hält. Einmal überraschen die Figuren mit ihrer starken Professionalität, und dann geben sie unvermittelt wieder der Sentimentalität nach. Nicht das Gefühle unangebracht wären, sie wirken in ihrer unvermittelten Weise nur selten natürlich oder ehrlich. Was besonders bei Woody Harrelson unangenehm wirkt. Für eine kleine feine Produktion wie diese, ist der große Name sicherlich ein bedeutender Gewinn. Aber in einer kleinen feinen Produktion wie dieser, fehlt einfach das Besondere, weil jede Figur in ihrem Charakter genau auf die Erfordernisse zugeschnitten ist, und bleibt.

Wirklich überzeugend ist die grandiose Bildgestaltung der Unterwasseraufnahmen. Als ‚Director of Underwater Photography‘ ist Ian Seabrook aufgeführt, eine Koryphäe in der Unterwasserfotografie und bei fast jeder Großproduktion in Hollywood engagiert. Als regulärer Kameramann ist Nick Remy Matthews am Start, dessen Konzepte zwischen zweckdienlich und angemessen pendeln. Letztendlich ist es aber Seabrook der hochgradig spannende Bilder zaubert. Oft nimmt Seabrook nur die Perspektive der Taucher ein, und seine Kameraführung sieht nur soweit wie die Taucher sehen können. Objekte schälen sich aus der Dunkelheit in die spärlich punktuelle Beleuchtung. Oder die Helmlampen lassen die Taucher wie mikroskopische Schattenspiele inmitten einer riesigen schwarzen Leinwand erscheinen. Der Mensch ist nicht für diese Welt geschaffen.

Und trotz der alles verschlingenden Schwärze, lässt Seabrook alles erkennen. Man sieht wo die Taucher sich befinden, was sie tun und wie sie es tun. Das Lichtkonzept unter Wasser ist erschreckend klaustrophobisch, aber gleichzeitig erkennt man auch alle Details. Das Gefühl für diese abweisende Umgebung wird dank Ian Seabrooks Bilder sehr intensiv weitergegeben. Durchaus der förderlichste Aspekt sich von „Last Breath“ gefangen nehmen zu lassen. Dies ist eine wahre Geschichte, bei der sich auf merkwürdige Weise vermeidbare Schwächen und fesselnde Stärken die Waage halten.

Last Breath b - (c) FOCUS FEATURES LLC


Darsteller: Woody Harrelson, Simu Liu, Finn Cole, Mark Bonar, Cliff Curtis, MyAnna Buring, Josef Altin u.a.
Regie: Alex Parkinson
Drehbuch: Alex Parkinson, Mitchell LaFortune, David Brookes
Kamera: Nick Remy Matthews, Ian Seabrook
Bildschnitt: Tania Gooding
Musik: Paul Leonard-Morgan
Produktionsdesign: Grant Montgomery
USA, Großbritannien / 2025
93 Minuten

Bildrechte: FOCUS FEATURES / SQUARE ONE Entertainment
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