– Release 09.07.2025 (world)
„Superman“ hat drei gewisse Szenen, die mit John Williams ikonischem Thema von 1978 unterlegt sind. Besser gesagt ‚überlegt‘, denn Musik ist der treibende Emotionsfaktor in diesem Film. Diese drei Szenen erreichen durch Williams Thema einen grandiosen Gänsehauteffekt, mit maximalem Glücksgefühl. Die Komponisten John Murphy und David Fleming greifen sehr oft auf Fragmente des markanten „Superman“-Themas zurück. Das beste Leitmotiv, dass John Williams bislang geschrieben hat. Nur das die Herren Fleming und Murphy jenes Stück, abgesehen von den genannten Ausnahmen, in der Neufassung sehr willkürlich und uninspiriert einsetzten. Und das ist auch sinnbildlich für den neuen „Superman“ – die Galionsfigur des neu ausgerichteten DC Studios unter James Gunn und Produzent Peter Safran. Wobei Gunn definitiv der Mann im Fokus ist. Die Verwendung von Williams‘ Musik ist insofern sinnbildlich, dass es in diesem spektakulären Neustart wirklich für jede brillante Szene auch eine grauenhafte Idee gibt.
Und weil an dieser Stelle gerade das Brillante erwähnt wird: Das Design von Vor- und Abspann greift ebenfalls auf den Richard Donner-Film von 1978 zurück, was gleich mehrere freudig sentimentale Träne aus den Augenwinkeln drückt. Dieser Film ist gut, verdammt gut. Wenn man denn ein Glas-halb-voll-Typ ist. David Corenswet tritt als Superman und Clark Kent bekanntlich in sehr große rote Stiefel, und füllt sie ohne auch nur ein bisschen Luft zu lassen. Seine Facetten zwischen Humor und Wut, zwischen Stärke und Resignation sind erstaunlich. Corenswet kommt mit seiner erfrischenden Leichtigkeit, der schelmischen Analytik, seinem resoluten Charme, und natürlich dem authentisch imposanten Körperbau Christopher Reeves durchaus am nächsten.
Die „Marvelous Mr.“ Brosnahan spielt mit gesunder Mischung zwischen hyperaktiver Sensationsjournalistin und akribischer Reporterin, eine Lois Lane die mit ihren beruflichen Ansprüchen immer droht an persönlichen Beziehungen zu scheitern. Ein lebhafter Skyler Gisondo, der sich mit seinem unsicheren, aber getriebenen Jimmy Olson endlich einmal als Journalist bewähren darf. Mit der Inkarnation des Mr. Terrific entpuppt sich Edi Gathegi mit seinem stoisch arroganten Selbstvertrauen als darstellerisches Juwel. Jede Figur in „Superman“ bekommt etwas zu tun, und wird relevant für die Geschichte. Niemand verkommt nur zum Stichwortgeber oder Comic Relief. Außer vielleicht der wirkliche Star des Films, der absolute Szenendieb. Das er CGI ist, stört dabei nicht, selbst wenn man es leicht erahnt. Krypto ist unverkennbar nach dem James Gunns Hund modelliert, nur das er im Film weiß sein muss.
Die Herkunftsgeschichte bleibt dieses Mal erspart, dennoch erreicht „Superman“ eine stattliche, nicht zwingend gerechtfertigte Länge von 130 Minuten. Der Autor (gleichzeitig Regisseur) hat gute Situationen und Dialoge ersonnen, die natürlich und nicht erzwungen wirken, aber gut die Hintergründe von Clark Kent/Supermans Dasein erklären. Und seit Clark Kent als Superman für das Gute in der Welt kämpft, hat es sich der Großindustrielle Lex Luthor zur Aufgabe gemacht, dass Metawesen vom Planeten Krypton zu vernichten, um sich ungestört seine persönlichen Allmachtsfantasien zu erfüllen.
James Gunn musste sich anstrengen, dies steht außer Zweifel. Selbst als geschätzter Regisseur, zum Beispiel der „Guardian of the Galaxy“-Trilogie, wurde sein Kevin-Feige-ähnlicher Aufstieg zum Kopf der DC Studios teilweise belächelt, manchmal sogar heftig in Frage gestellt. Und „Superman“ macht den Anschein, als hätte sich dieser Druck auch auf Buch und Inszenierung ausgewirkt. Gunn will nicht einfach nur alles, sondern noch viel mehr, und liefert dabei weit darüber hinaus. Und dieses ‚darüber hinaus‘ sind auch die schmerzlichen Schwächen dieses Films. Der eskalierende Grenzkonflikt zweier fiktiver Staaten ist geradewegs peinlich in seiner Ausführung. Und der finale Kampf mit extrem zäher und exzessiver Länge strapaziert immens die Geduld.
Erstaunlich ist der Anteil an Humor. Meist hintersinnig, manchmal auch kopfschüttelnd peinlich, mit tatsächlich einmal angebrachten Einzeilern oder funktionierender Situationskomik. Dieser Humor bricht auch immer wieder die düsteren und schmerzlichen Sequenzen auf, ohne diese aber damit zu schmälern oder herabzuwürdigen. Denn der Film begibt sich auch in das Territorium schwerer, gesellschaftlicher Konflikte. Der Kryptonier ist nicht das einzige Metawesen auf der Erde. In der Bevölkerung wächst die Abneigung gegenüber der Metawesen, deren Superkräfte und ihrem eigenmächtigen Handeln in der Welt. Verschwörungstheoretiker verbreiten sehr erfolgreich die Position, Superman würde als stärkstes aller Metawesen, den Weltenretter nur vorgeben, um letztendlich einmal selbst die Weltherrschaft an sich zu reißen.
In Anbetracht der aktuellen weltpolitischen Lage, sprechen einige der finsteren Themen nicht wirklich an. Im richtigen Leben sind völkerrechtswidrige Verbrechen, Deportation oder Hetze gegen Minderheiten, und Kriegstreiberei zu nah am Publikum. Als gebürtiger Amerikaner hat Gunn beim Schreiben sicherlich die Probleme erahnen können, die auf sein Land und die Welt zukommen, wenn sein Film starten wird. Die Konflikte im Nahen Osten sind ohnehin seit Jahrzehnten allgegenwärtig, und in Osteuropa richtig aktuell. Die gute Absicht des Chefs, dem Film mit zeitgeistigen Kommentaren eine aktuelle Relevanz zu geben geht nicht wirklich auf. Und ist vielleicht auch gut so.
Ambitionen sind gut, und James Gunns Neustart ist voller Ehrgeiz und spürbarer Motivation. In der einen Richtung fehlt ihn aber die Zeit und passende atmosphärische Ausrichtung um zu funktionieren, und in der anderen Richtung beweist sich Gunn wieder als Genius für wirklich anspruchsvolles Popcorn-Kino. Und dieses Popcorn-Kino behält durchweg die Oberhand, auch wenn überambitionierte Fragmente stark daneben geschlagen haben. Mit seinem strahlenden blauen Anzug, und endlich wieder rotem Höschen, hat der Mann aus Stahl aus der düsteren Melancholie gefunden, in dem die Verfilmungen der letzten zwei Jahrzehnte zeitgeistig festhingen.
Die Chemie ist perfekt zwischen Rachel Brosnahan und David Corenswet, die als Lois und Clark ihre Beziehung unter widrigsten Umständen ausloten müssen. Aber die Chemie stimmt im Spiel mit- und gegeneinander eigentlich zwischen allen Darstellern. Nur der Hund macht immer was er will. Miesmacher redeten bereits aufgrund der Trailer die Visuellen Effekte schlecht, was sich in deren eingebildeten Ausmaße nicht bewahrheitet. Doch es gibt auffallende Schwächen, die man als ’nicht zeitgemäß‘ bemängeln könnte, aber nicht wirklich muss. Die exzessiven Close Ups bei einigen Flugszenen haben in der visuellen Nachbearbeitung sehr unvorteilhafte Verzerrungen in den Gesichtern hinterlassen. Auf der anderen Seite muss dann die Frage gestellt sein dürfen, wie denn ein Mensch überhaupt aussieht, der selbstständig im Überschall fliegt.
Dann relativieren sich auch so manche Kritikpunkte. Denn eins ist sicher, „Superman“ wird nicht an seinen Effekten gemessen. James Gunn hat einen Film gemacht, der Lust auf mehr macht. Viel mehr. Allein wie er der Richard Donner-Fassung von 1978 Tribut zollt, ohne dabei ins Fressnäpfchen zu treten, ist jeden Cent Eintritt wert. Letztendlich ist es die im Superhelden-Kino mittlerweile ungewöhnliche Leichtigkeit mit der „Superman“ überzeugt. Und der mit Abstrichen auch Menschen Spaß machen dürfte, die ein Glas-halb-leer-Typ sind. Den Film dann auch noch im Seitenverhältnis 1,85:1 zu belassen und herauszubringen, geht sicherlich auf das für Imax-Kinos konzipierten Format zurück. Aus technischen Gründen bekommt der Film dadurch in vielen Kinos einen größeren Bildbereich, was „Superman“ zu einem ganz besonderer Augenschmaus macht. Darüber hinaus belohnt Gunn mit einer einzigartigen Post-Credit-Scene – in den Augen des Rezensenten, die beste Post-Credit-Scene seit der Erfindung eben solcher. „Superman“ hat Fehler – zugegeben – aber er ist auch nur ein Mensch.
Darsteller: David Corenswet, Rachel Brosnahan, Nicholas Hoult, Edi Gathegi, María Gabriela de Faria, Nathan Fillion, Skyler Gisondo, Isabela Merced, Frank Grillo u.a.
Regie & Drehbuch: James Gunn
nach ‚Superman‘ von Jerry Siegel & Joe Shuster
Kamera: Henry Braham
Bildschnitt: Craig Alpert, William Hoy
Musik: David Fleming, John Murphy
Produktionsdesign: Beth Mickle
USA / 2025
129 Minuten