KEEPER

Keeper - (c) NEON– Bundesstart 20.11.2025
– Release 14.11.2025 (CAN)

DCM-Screener, digitales Kino, 15.11.25
Mit „Dangerous Animals“ hat Nick Lepard ein mustergültiges Drehbuchdebüt vorgelegt. Er hat die besten Versatzstücke des Tierhorror und Psycho-Thriller verwendet, und diese immer im richtigen Moment außerhalb der Spur laufen lassen. Ähnliches hat Lepard mit „Keeper“ getan. Erstaunlicherweise hat der Debütant beide Drehbücher zeitgleich bereits 2024 verkauft, und beide Filme gingen zeitgleich in Produktion. Erstgenannter Film wird nur als Debüt bezeichnet, weil er früher Premiere feierte. Zweiter Film dürfte mehr Aufmerksamkeit erregen, weil er von Osgood Perkins ist. Was nicht heißen soll, dass es der bessere Film wäre – es liegt ohnehin im Auge des Betrachters. Doch Osgood Perkins macht seine ganz eigenen, ganz speziellen Filme, auch mit fremden Drehbüchern. Zumindest ist die Grundidee von „Keeper“ hinlänglich bekannt: Ein Wochenende in einer fremden ‚Hütte im Wald‘, mit allen absehbaren merkwürdigen Vorkommnissen.

Sogar Maggie, die beste Freundin von Liz, äußert sich zu Anfang verwundert, über ein Wochenende in der Hütte im Wald. Den Spöttern sei damit schon der Wind aus den Segeln genommen. Es hat den Anschein, als wäre es der erste gemeinsame Kurzurlaub der beiden Mittdreißiger Liz und Malcolm. Die Hütte im Wald erweist sich als nobles und gepflegtes Haus. Aber so richtig will sich keine heimelige Atmosphäre von zwei frisch Verliebten einstellen. Liz und Malcolm wissen nicht richtig wie sie miteinander, und dem Urlaub an sich, umgehen sollen. Dann gibt es noch überall im Haus merkwürdige Geräusche. Malcolm nötigt Liz vom Schokokuchen des Hauswarts zu probieren, obwohl sie Schokolade hasst. Und Malcolms unverschämt vulgärer Cousin Darren schaut kurz vorbei, mit seiner Freundin, die kein Wort Englisch spricht.

Die Horrorwarnungen stehen also auf Sturm. Und es läuft alles nach Blaupause. Die Geräusche im Haus verstärken sich. Liz wird von furchtbaren Visionen heimgesucht. Malcolm muss aus fadenscheinigen Gründen in die Stadt zurück. Und der aufdringliche Darren verschwindet auf unerklärliche Weise. Das ist alles nichts Neues unter der blutroten Sonne, und der Film spielt diese Versatzstücke offensichtlich mit schaurigen Vergnügen aus – denn es ist ein Film von Osgood Perkins. Der hat ja auch „Gretel und Hansel“ herrlich neu interpretiert. Aber Perkins hat den Film nicht allein gemacht. Die Cutter Graham Fortin und Greg Ng waren schon bei den Vorgängern „Longlegs“ und „The Monkey“ dabei. Wie Jeremy Cox, der hier von der Kamera-Abteilung direkt zur Kamera wechselt. Und dann ist da natürlich Tatiana Maslany.

Perkins muss sich gefallen lassen, dass er „Keeper“ überstrapazierend lang inszeniert hat. Immerhin gönnt er sich die Zeit, zwei Drittel allein für den Aufbau zu nutzen, bevor sich die Handlung in eine erkennbare Richtung bewegt. Immerhin belohnt Perkins sein Publikum in dieser ersten Stunde mit gekonnt verstörenden Bildern – von denen er im dritten Akt trotzdem nochmal mächtig drauflegt. Mit seinen Cuttern und dem Bildgestalter schafft Perkins eine unangenehme Atmosphäre ständiger Unsicherheit und Bedrohung. Lange Blicke in dunkle Ecken, obwohl dort nichts passiert. In einem langen Schwenk über den nahen Bach, beginnt sich das Wasser blutrot zu färben, bis sich herausstellt das es eine Überblendung auf Liz‘ rote Jacke ist. Und dann sind da immer wieder diese unglaublich fiesen Schreckgespenster. 

Keeper a - (c) NEON

Die ‚Hütte im Wald‘ ist wie ein Charakter für sich. Ein bösartiger Charakter. Das kreative Team zeigt nie eine konkrete Außeneinstellung des Hauses. Im Inneren gibt es viele Treppen und eine unübersichtliche Anzahl von Türen, aber eine wirklich Orientierung über die Zimmer oder der wahren Größe des Hauses wird penibel vermieden. Und darin bewegt sich Liz in einem Stadium zwischen Unsicherheit und Verzweiflung. Mit Osgood Perkins‘ waghalsiger und letztendlich fordernden Inszenierung hätte sich „Keeper“ sehr leicht in ein Vakuum von guten Absichten entleeren können. Gegen dieses Vakuum sorgt Maslany für den notwendigen Sauerstoffanteil.

Tatiana Maslany ist aus unerfindlichen Gründen eine noch immer zu geringschätzig behandelte Darstellerin. Wer kann schon 17 verschiedene Figuren innerhalb einer einzigen Serie spielen? Perkins – und mit ihm ein begieriges Publikum – können sich über Maslany als Liz glücklich schätzen, die in 95% der Szenen zu sehen ist. Und in den meisten dieser Szenen hat sie keinen Text, um ihre Gemütszustände zu vermitteln. Oder Texte, die konträr zu ihren ersichtlichen Gefühlsregungen stehen.

Maslany zuzusehen bereitet unglaublich viel Freude, auch wenn – oder weil – sie leiden muss. Auch das liegt im Auge des Betrachters. Mit ihr wird das übersinnlich scheinende Szenario zu einer realen Erfahrung, weil sie auch einen glaubwürdigen Teil an Rationalität bewahrt. Sie muss nicht in Panik kreischen, oder hysterisch durch den Wald hetzen. Tatiana Maslany kann so viel ausdrücken ohne Worte oder große Gesten zu brauchen. Und diese Fähigkeit hält die beiden Teile von spielerischen Versatzstücken aus Lepards Drehbuch und Perkins‘ zutiefst verstörenden Stilmitteln zusammen, und gibt „Keeper“ eine eigene Form. Auch wenn sich der Regisseur unheimlich viel Zeit nimmt, bis sein Film in eine erkennbare Richtung geht – aber dann…

Keeper c - (c) NEON


Darsteller: Tatiana Maslany, Rossif Sutherland, Birkett Turton, Eden Weiss, Tess Degenstein u.a.

Regie: Osgood Perkins
Drehbuch: Nick Lepard
Kamera: Jeremy Cox
Bildschnitt: Graham Fortin, Greg Ng
Musik: Edo Van Breemen
Produktionsdesign: Danny Vermette
Kanada, USA / 2025
99 Minuten

Bildrechte: NEON
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