HARD POWDER

Cold-Pursuit-1a, Copyright Lionsgate EntertainmentCOLD PURSUIT – Bundesstart 28.02.2019

Kehoe liegt irgendwo im gigantischen Nichts der Rocky Mountains. Ein Ort der ganzjährlich eine Schneefräse benötigt, und sich jeder von Außerhalb die Frage stellt, was könnte mich dazu bewegen, hier mein Leben zu verbringen. Die Schneefräse wird von Nelson ‚Nels‘ Coxman gefahren, mindestens zweimal am Tag. Es geht durch fast drei Meter hohe Schneemassen, um so etwas wie eine Straße frei zu legen. Später wird Nels Coxman stolz erzählen, dass seine Maschine den Schnee über dreißig Meter weit schleudert. Es verwundert niemanden, dass Nels Coxman die Medaille ‚Bürger des Jahres‘ erhalten wird. Und er nimmt die Auszeichnung mit Stolz an. Nur wird dieser Ehrentag durch ein nicht unerhebliches Drama getrübt, in das Nels Sohn Kyle verwickelt ist.


Blickt man von diesem Film an zurück auf das letzte Jahrzehnt in der Schaffenskraft von Liam Neeson, dann scheint seine Karriere auf der Hand zu liegen. Der vielseitige Charakterdarsteller, hat sich zum Action-Held gewandelt. Doch das Bild trügt. Etabliert hat sich dieser Trugschluss, als Neeson im gehobenen Alter plötzlich mit seinen Figuren zum Einzelkämpfer wurde. Anfangs nur zögerlich, aber neben all den Cruises, Pitts, Cages, oder Hemsworths, jung und durchtrainiert, überzeugte Neeson ohne sich in einer Szene das Hemd vom Körper reißen zu müssen. Diese Filme sind mit Ausnahmen allesamt durchwachsen, haben allerdings einen großen Unterhaltungsfaktor und eben dieses Charaktergesicht. Aber Liam Neeson drehte zur gleichen Zeit noch viele andere Film, und gab sehr oft seine Stimme bevorzugt für Animationsfilme.

Als KRAFTIDIOTEN – EINER NACH DEM ANDEREN 2014 seine Premiere feierte, war er viel gepriesen. Ein norwegischer Krimi, mit sehr vielen sarkastischen Einwürfen. Geschrieben hatte den Film Kim Fupz Aakeson, inszeniert wurde er von Hans Petter Moland. Und wie es schon seit geraumer Zeit zum guten Ton gehört, muss einem gelungenen, europäischen Film, ein amerikanisches Remake folgen. Mit HARD POWDER hat es drei Jahre gedauert, und zusätzlich zwei Jahre bis er 2019 endlich veröffentlicht wurde. Da Regisseur Hans Petter Moland auch für das Remake die Regie angeboten bekam, da muss die Wahl seines Helden eine einfache gewesen sein. Fast selbstredend war es Liam Neeson.

Viel Zeit lässt sich Moland beim erzählen nicht, bis der Meister zur Tat schreiten kann. Das von Erstling Frank Baldwin überarbeitete Drehbuch ist durchwachsen mit sehr viel Augenzwinkern und bitterbösen Einfällen, oft makaber und auch mit sehr verstohlenem Humor. Die allgemeine Presse zieht sehr gerne FARGO von den Coen-Brüdern als Vergleich heran. Aber das ist HARD POWDER nicht, sondern er ist ein skandinavischer Film. Natürlich schließt das eine, dass andere nicht aus. Doch mit solchen zwanghaft hervorgeholten Gegenüberstellungen schmälert man einfach die Leistungen und auch das Herzblut das in einen solchen Films eingebracht wurde.

HARD POWDER verzichtet, mit einer Ausnahme, weitgehend auf bekannte Gesichter. Laura Dern hat entgegen der Ankündigung, eine extrem kurze Rolle. Ansonsten bleiben noch Emmy Russom und John Doman in bester Erinnerung, denen das Drehbuch eine fast schon eigenständige Geschichte schenkt, die richtig Laune macht, aber niemals in Albernheiten abrutscht. Und als Syndikatsboss Calcote hat man mit Tom Bateman einen überragenden Fang gemacht, den man eine Charakterisierung angedeihen ließ, wie sie selten so urkomisch im Kino zu sehen ist. Doch auch Bateman behält seine Erdung und verliert zu keiner Zeit den Respekt gegenüber seinen Handlangern und erst recht nicht vor dem amüsierten, aber gebannten Zuschauern.

Wie im Original hat auch hier wieder Philip Øgaard das Auge auf dem Kameraobjektiv gehabt. Immer wieder gönnt er dem Publikum eindrucksvolle Impressionen der schier endlosen einsamen Landschaft, ohne sich allerdings darin zu verlieren. Für ihn ist weniger dann doch viel mehr. Dafür sind seine Fahrten mit der Schneefräse fast schon bedrohlich und unterstützen immer wieder Molands Spannungsaufbau in der Inszenierung. Schnell, aber ohne Hast vorangetrieben, ist HARD POWDER ein spannender, mitunter auch sehr brutaler Film, der sich mit überraschenden Witz und unaufdringlichem Sarkasmus verdient macht.

Cold-Pursuit-2, Copyright Lionsgate Entertainment

Darsteller: Liam Neeson, Tom Bateman, Emmy Russom, Domenick Lombardozzi, John Doman, Nicholas Holmes, Laura Dern, Micheál Richardson, Michael Eklund, Bradley Stryker, Wesley MacInnes u.a.
Regie: Hans Petter Moland
Drehbuch: Frank Baldwin, nach dem Film KRAFTIDIOTEN von Kim Fupz Aakeson
Kamera: Philip Øgaard
Bildschnitt: Nicolaj Monberg
Musik: George Fenton
Produktionsdesign: Jørgen Stangebye Larsen
Großbritannien – Norwegen – Frankreich – USA – Kanada / 2019
119 Minuten

Bildrechte: Lionsgate Entertainment
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